Erschienen in Ausgabe: No 44 (10/2009) | Letzte Änderung: 17.08.09 |
von Bettina Röhl
Nordkorea führt Obama und Clinton vor. Ein Plädoyer für etwas mehr
Realpolitik und weniger Show!
Da hungert und darbt das seit einem halben Jahrhundert versklavte
nordkoreanische Volk in der letzten kommunistischen Monarchie und dies auch, um
Kaiser Kim II den Bau einer eigenen Atombombe zu ermöglichen. Mit diesem
abscheulichen „Spielzeug“ versuchte die nordkoreanische Führung die Welt und
speziell auch Amerika zu erpressen, um politische und wirtschaftliche
Zugeständnisse an das Nordkorea zu machen.
Tragisch für Millionen Menschen, die für dieses Atomprogramm geblutet haben:
diese menschenverachtende Strategie von Kim Jong II blieb weitgehend ohne
Erfolg: Nordkorea isolierte sich selber immer mehr. Menschenverachtende
politische Prozesse, politischer Mord -das alles hat Routine in Nordkorea und
fand nie wirklich Beachtung im Rest der Welt.
Sicher hat Nordkorea ein paar unangenehme Freunde in Gestalt derer, die sich
von Nordkorea mit Waffen bis hin zu Raketen beliefern lassen, aber das Land ist
arm und es ist so arm, dass die Menschen dort ihre Armut nicht einmal mehr
erkennen können.
Die gesellschaftlich seiende Armut (Marx) bestimmt das Bewusstsein. Und das
Bewusstsein der Menschen in Nordkorea hat sich in jahrzehntelanger,
existenzieller Armut und Unterdrückung und politischer Gehirnwäsche derart auf
die lebensunwürdigen Umstände eingestellt, dass die Mehrzahl der Menschen diese
für vollkommen normal halten und auf diese Weise ihre unmenschliche Armut
überleben.
Die Verhaftung der Journalistinnen wurde ein Weltthema
Dieses Nordkorea verhaftet zwei amerikanische Journalistinnen und verurteilt
sie unter Anwendung seiner das Recht beugenden Vorschriften zu je 12 Jahren
Arbeitslager in Nordkorea. Und jetzt zeigt sich, dass Nordkoreas Führung damit
einen großen politischen Coup gelandet hat!
Die Verhaftung der Journalistinnen wurde ein Weltthema und Nordkorea hatte
plötzlich ein Faustpfand ganz anderer Art in der Hand: Menschenraub, um den es
sich de facto bei der „Verhaftung“ und Verurteilung der Journalistinnen
handelte, ist weniger martialisch als die Atombombe und zahlt sich aus. Das
wusste auch schon die DDR, um an deutsche Verhältnisse zu erinnern. Eine nicht
unwesentliche Devisenquelle in der DDR bestand im „Verkauf“ von politischen
Gefangenen an die Bundesrepublik Deutschland.
Jetzt also reiste der mühsam als „Privat“-Mann deklarierte Ex-US-Präsident
Bill Clinton, Ehemann der heutigen US-Außenministerin Hillary Clinton, (der
Obama das Versprechen geben musste sich nicht als Dauerredner in die aktuelle
US-Politik einzumischen) in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang, um die
beiden amerikanischen Journalistinnen abzuholen, wie man es wohl
zutreffenderweise nennen muss, und mit ihnen gemeinsam in die USA zurück zu
reisen.
Es war der Name, Clinton, den Nordkorea haben wollte. Bill Clinton selber
hätte sich 20 Stunden in Nordkorea schlafen legen können. Er brauchte nichts zu
tun. Die Freilassungsshow mit ihm bedurfte seines Zutuns sicherlich nicht.
Insofern ist das Ganze kein „Erfolg“ von Bill Clinton. Aber sehr wohl einer von
Nordkorea.
Das Ganze zeigt die Armseligkeit der Außenpolitik von Barack Obama und
Hillary Clinton, die ein mieses Kidnapping einer Diktatur dazu missbrauchen, um
die auf Eis liegenden Kontakte zu Nordkorea, das auch von Obama grundsätzlich
als Schurkenstaat behandelt wurde, zu revitalisieren.
Obama ist für Nordkorea ein dicker Fisch
Je mehr das Weiße Haus tönt, dass Clinton ohne offiziösen Auftrag gehandelt
hätte, desto deutlicher wird, dass das Gegenteil der Fall ist. Das Ganze hat
überhaupt nichts von dem versprochenen "Change", sondern ist ein
Rückfall in kleinkarierte, uralte so genannte diplomatische Spielereien.
Warum hat Obama nicht offen und ehrlich einen Verhandlungskontakt zu
Nordkorea geknüpft? Warum diese durchschaubaren Tricksereien? Außenpolitisch
ist Obama ein Greenhorn und das offenbart sich auch hier wieder. Ist Obama so
klein, dass er glaubt, er könnte nur auf eine solche Weise einen
Gesichtsverlust für sich selbst vermeiden, dass er seine Annäherung an
Nordkorea als eine nicht autorisierte Bemühung in humanitärer Sache verkleidet?
Bill Clinton war, wie viele meinen, ein politisches Schwergewicht. Sei’s
drum, er ist keines mehr, aber er ist ein Big Name und er vertritt, wie
jedermann unschwer erkennt, in diesem Fall die USA. Er und Barack Obama und
natürlich auch Hillary Clinton haben sich in Wahrheit von Nordkorea vorführen
lassen. Bill Clinton wäre besser vor zehn Jahren, als er noch selber Präsident
war, nach Nordkorea gefahren.
Dort, wo man erkennbar kein Interesse daran hatte zwei amerikanische
Journalistinnen in Arbeitslagern zusätzlich verpflegen und bewachen zu müssen,
hat man richtig kalkuliert und auf die Karte eines außenpolitisch schwachen
US-Präsidenten gesetzt. Doppelter Vorteil: Obama hat zwar nach den ersten sechs
Monaten seiner Amtszeit in inneramerikanischen Umfragen deutlicher verloren als
George W. Bush, aber der erste weiß-schwarze Präsident Obama ist immer noch für
viele ein Heiliger und ein dicker Fisch für Nordkorea ist er allemal.
Wenn dieser Coup Nordkoreas und das Eintreten der dort intendierten Reaktion
der Obama-Administration den bilateralen Beziehungen der beiden betroffenen
Länder (aber auch letzten Endes dem Weltfrieden) dienlich ist, gibt es keinen
Grund Nordkorea nicht weitere derartige diplomatische Erfolge zu wünschen.
Die Clintons und Obama können ihre bisherige Haltung zu Nordkorea, die nicht
viel anders war, als die des allgemeinen Hass-Objekt George W. Bush, jetzt
changen, aber sie haben sich jetzt auch selber unter Zugzwang gesetzt: sie
müssen es jetzt auch.
Das Heft des Handelns sollte sich Obama allerdings nicht permanent aus der
Hand nehmen lassen: im Iran hat Obama de facto mit seinen tumben
Anbiederungsversuchen bei der dortigen Führung und seinen verantwortungslosen
Hoffnungsweckereien bei der iranischen Opposition tragische Flurschäden in
seiner kurzen Amtszeit angerichtet, die er und seine Anhänger allerdings
hartnäckig nicht wahrhaben wollen.
Man wünscht Obama etwas mehr außenpolitischen Realitätssinn und ein klareres
Konzept. Nur gute messianische Wünsche sind nichts, was im Weißen Haus zur
versprochenen Weltverbesserung geeignet ist.
Nordkoreas Diktator Kim Jong II freut sich über seinen Coup und man hofft,
dass er Gefangener seiner eigenen Freude ist und jetzt einen ersten
internationalen Erfolg auf dem Gebiet der Anerkennung seiner Regierung dazu
nutzt, um etwas mehr Milde in seinem eigenen Land Raum zu geben. Ein
wiedervereinigtes Nord-und Südkorea unter demokratischem Dach, das hätte was,
und das wäre auch etwas, wofür ein Obama mit gekonntem Handwerk etwas tun
sollte.
Das, was die amerikanischen Medien und die amerikanische Politik jetzt der
Welt als Erfolg ihres elder statesman vorführen, ist billiges Eigendoping,
darauf sollte der Rest der Welt nicht reinfallen.
Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl (www.welt.de)
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