Erschienen in Ausgabe: No. 35 (1/2009) | Letzte Änderung: 19.01.09 |
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, 320 S., ISBN: 987-3-534-20789-3, Preis: 39.90 Euro.
von Stefan Groß
Zu einer besonders schönen Tradition der Wissenschaftlichen
Buchgesellschaft ist nicht nur die Herausgabe von Sammelbänden zur Philosophie,
sondern auch zur Theologie geworden. Die Einführungen zu den Theologen der christlichen Antike, den Theologen des Mittelalters, den Theologen des 16. Jahrhunderts, den Theologen des 19. Jahrhunderts und den Theologen des 20. Jahrhunderts werden
nun durch einen neuen Sammelband mit dem Titel Kanon der Theologie, 45
Schlüsseltexte im Portrait ergänzt. Auch dieser, von Christian Danz
herausgegebene, ansprechend aufgemachte Band steht ganz in der Tradition der
schon renommierten sonstigen Einführungen des Verlagshauses.
Danz, der 1962 in Thüringen geboren wurde, in Jena mit
einer Arbeit zur Christologie Schellings promoviert wurde, sich mit einer
Arbeit über Paul Tillich habilitierte und derzeit den Lehrstuhl für
Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der
Universität Wien innehat, veröffentlichte bereits 2006 in der
Wissenschaftlichen Buchgesellschaft eine Publikation mit dem Titel Grosse Theologen. Bereits dort wurden fünfzehn
Theologen der abendländischen Geistesgeschichte porträtiert.
Nunmehr liegen fünfundvierzig Porträts vor, die symbolisch
für die lange und intensiv geführte christliche Theologie stehen, die nicht
zuletzt auch eine Geschichte der theologischen Literatur ist. Denn diese „verdichtet,
wie Danz in seiner Einführung erklärt, „gleichsam die vorangegangene Geschichte
des theologischen Denkens, und antwortet auf gegenwärtige Problemstellungen im
Horizont eines bereits vorliegenden Problemniveaus. Indem sie die Dimension
reflektiert und weiterführt, wird die selbst wieder zum Anstoß der weiteren
theologischen Entwicklung.“ Anhand der 45 Schlüsseltexte zeigt sich, wo
innerhalb des akademischen Diskurses neue Ideen und Formen des Glaubens Eingang
in die theologische Literatur gefunden haben, wo das Wechselspiel zwischen
Vernunft und Glauben neuartige Synthesen einging, welche Rolle der Reflexion
und welche Bedeutung dem religiösen Gefühl dabei zukamen.
Unter dem Ordnungsschema Patristische
und mittelalterliche Literatur stehen die renommiertesten Denker der
Spätantike und einige Apologeten des christlichen Glaubens im Mittelpunkt. Ausgehend
von Irenäus, Tertullian, Origines, Eusebius, Athanasius, Augustin, Dionysius
Areopagita, Anselm von Canterbury, Petrus Abaelarduss, Bernhard von Clairvaux,
Bonaventura, Thomas von Aquin, Duns Scotus, Ockham und Meister Eckhart wird ein
tiefgründiger und übersichtlicher Zugang zu den einzelnen Denkern gewährt, der auch
die wichtigsten Quelltexte und Sekundärarbeiten mit bereithält.
Noch eindrucksvoller ist das zweite Kapitel, das sich Der Römisch-katholischen Literatur
zuwendet. Hier wird ein Stück Kirchengeschichte in den Blick genommen, die vom
16. bis ins einundzwanzigste Jahrhundert, bis zur Fundamentaltheologie des Karl Rahner Schülers
Johann Baptist Metz reicht. Der für die Geschichte der katholischen Theologie
interessierte Leser erhält hier tiefergehende Einblicke zu Autoren, denen im
theologischen Diskurs nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Auch in
diesem Kapitel wird, wie im gesamten Sammelband, der Einstieg in die
Auseinandersetzung und Heranführung an die einzelnen Theologen anhand
einschlägiger Quellen gewählt. So werden bei den einzelnen Schlüsseltexten die
Entstehungsbedingungen erklärt, eine inhaltliche Einordnung in den
Problemzusammenhang mitgeliefert und nicht zuletzt die Wirkungs- und
Rezeptionsgeschichte einer genaueren Analyse unterzogen.
Das Verfahren, von einem einzelnen Text oder Kommentar
auszugehen, um dann Einblicke in das Gesamtwerk und Denken insgesamt
freizulegen, ist das Novum dieses Bandes gegenüber den Grossen Theologen, wo eine allgemeine Einführung im Mittelpunkt
stand. Auch das dritte Kapitel, das mit Protestantischer
Literatur überschrieben ist, und mit den Theologen Wolfhart Pannenberg,
Jürgen Moltmann und Eberhard Jüngel zeitgeschichtlich seinen finalen Höhepunkt
erreicht, stellt Klassiker der Theologiegeschichte in den Mittelpunkt,
Klassiker theologischen Denkens, deren Werke für das Verständnis der
gegenwärtigen Theologie unerläßlich sind, denn auch sie haben, wie die übrigen
Autoren mit ihren Texten, ihre eigene Zeit in Gedanken gefaßt und damit auch
das Problembewußtsein der nachfolgenden Generationen entscheidend und
maßgeblich geprägt.
Daß der Begriff „Kanon“ der Theologie im Zusammenhang der
Publikation einen anderen Sinn hat, als ursprünglich mit diesem Terminus
assoziiert wurde, macht Danz im kurzen Vorwort deutlich. „Kanon“ der Theologie heißt
hier nicht ein festumrissener Bestand von normativ verbindlichen Texten, die
den Anspruch auf absolute Autorität beanspruchen, sondern unter Kanon wird eine
Auswahl von exemplarischen Texten verstanden, denen die Funktion eines
kulturellen Gedächtnisses zukommen soll. So sind auch Aufgabe und Ziel der
Publikation abgesteckt. „Es sollen Schlüsselwerke aus der Geschichte der
Theologie einführend vorgestellt werden, die auch noch für die gegenwärtigen
Problemstellungen in Theologie und Religionsphilosophie von hoher Bedeutung
sind. Dem Leser soll eine allererste Einführung in grundlegende Texte der
Geschichte der Theologie geboten werden, die ihm eine Orientierung erlaubt und
die vor allem zu eigener Lektüre dieser Werke anregen soll.“
Ein Blick in das Mitarbeiterverzeichnis verrät, daß hier
ökumenische Wissenschaftsgeschichte geschrieben wird, was durch die Vielzahl
von Autoren aus der katholischen Theologie nachhaltig unterstrichen wird.
Kurzum: Als Grundlagenwerk zum Verständnis der wichtigsten Texte der Theologiegeschichte
ist dieses Buch unverzichtbar und sei daher vom Leser ausdrücklich empfohlen.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.