Erschienen in Ausgabe: No 44 (10/2009) | Letzte Änderung: 03.09.09 |
Martin Lohmann, Das Kreuz mit dem C, Wie christlich ist die Union?, Butzon & Bercker GmbH, Kevelaer 2009, 202 Seiten, ISBN: 978-3-7666-1242-7, Preis: 14.90 Euro
von Thomas Mertz
Die Parteivorsitzende hat es mehrfach betont: Die Politik
der Christlich-Demokratischen Union gründet auch in Zukunft auf dem
christlichen Menschenbild. Doch worin das christliche Menschenbild besteht –
für Angela Merkel oder ihre Partei –, das jedoch verrät die Kanzlerin der
Bundesrepublik Deutschland ihren Zuhörern nicht.
Diese Wortlosigkeit sorgt für Ratlosigkeit. Kann es sein,
dass die Erklärung lediglich Verbalkosmetik, ein „verbaler Diener“ vor
denjenigen ihrer Wähler ist, die auf das „Christliche“, sei es Menschenbild
oder Soziallehre, noch wert legen. Wie etwa Martin Lohmann, der mit seinem
neuen Buch „Das Kreuz mit dem C“ der Kanzlerin angeblich keine Freude bereitet
haben soll.
Auf etwa 3 Prozent schätzt man in den Wahltaktischen Gremien
die bewusst christlich wählenden Bürger, scheint dabei aber, wie die letzte
Bundestagswahl gezeigt hat, eine Wahrheit zu verkennen, die jede gemeinnützige
Organisation, also jede dem Gemeinwohl verpflichtete Organisation, mit Bangen
fürchtet: dass nämlich drei Prozent verärgerte ehemalige Stabhalter und
Nibelungentreue eine Katerstimmung erzeugen können, die die Zukunft kräftig
eintrüben kann. 3 Prozent enttäuscht Liebende, die fremdgehen oder vom
Fremdgehen träumen oder anderen von ihren Träumen erzählen und ihren Frust in
Begründungen und Argumente gießen, können eine Wirkung erzielen, die sich nicht
in Schablonen pressen und in Prozenten ausdrücken lässt.
Es kann den Wahlabend vermiesen. Die CDU hat bereits mit
Edmund Stoiber von diesem bitteren Wasser der Erkenntnis trinken müssen, das
letzte Mal ist sie nur knapp davon gekommen… Wie es das nächste Mal aussieht,
wagt selbst die Kanzlerin nicht mit Zuversicht vorherzusagen. Man sucht die
Schwachstellen an den falschen Enden, verkennt die Wirkung seiner Initialen und
seiner Fahnenträger und bedarf dringlich der notwendenden, der heilsamen
Analyse.
Vor diesem Hintergrund tut es gut, einen Blick in Lohmanns
„Kreuzbuch“ zu werfen, sich von den Gedanken des versierten Politikbeobachters
und bekennenden Christen animieren zu lassen, die CDU nicht gänzlich
aufzugeben, sondern ihr eine Chance zu geben, die – wenn schon nicht deren
gegenwärtige Ersträngler, so doch - die Partei verdienen soll. „Ich bin davon
überzeugt, dass die C-Parteien einen wirklichen Mehrwert haben können. Die
Union muss nichts aufgeben, aber manche Schätze können wiederentdeckt und neu
erkannt werden. Die Union hat mit dem neuen C eine große Chance,“ so Lohmann
über sein Buch.
Das C und der Mensch, das C und die Familie, das C und das
Lebensrecht, das C und Gender… Lohmann legt den Finger in die Wunde, dahin, wo
die Politik der CDU ganz und gar nicht mit dem christlichen Menschenbild, schon
gar nicht mit dem christlichen Ideal überein kommt. Und der Bonner Publizist
fordert dazu auf, sich nicht weiter das Feigenblatt abzureißen, um wie alle
anderen verklemmt und wie von vorgestern dazustehen, sondern endlich wieder
etwas aus dem Kapital zu schlagen, das der CDU aufgrund des „C“s im Namen
geradezu angeborenermaßen zugehört und durch die jahrhundertelange Vertiefung
in soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge abgeklärt zur Verfügung steht. Man
solle nicht den Ideen der anderen mit zwanzigjähriger Verspätung
hinterherrennen, das sagen viele, sondern mit dem Eigenkapital die Avantgarde
von morgen stellen, das stellt Lohmann vor.
Ausgeprägter hätte sich Lohmann noch zur Wirtschaft äußern
können. Denn der bei in vielen Köpfen andächtig geglaubte Slogan „Wenn es der
Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut“ hört sich zwar gut an,
stimmt aber nur, wenn „die Wirtschaft“ an ihre soziale Verantwortung gekettet
wird. Hier ist die christliche Soziallehre ausgesprochen nüchtern und auch hier
fehlen die Antworten der christlichen Parteien, die längst anderen
Wirtschaftskonzepten nachjagen, die sich bereits als neoliberalistisch geoutet
und als nicht tragfähig erwiesen haben.
Sicher hat nicht erst Angela Merkel mit dem
unverwechselbaren Identitätsmerkmal „C“ ein Problem. Schließlich war es Helmut
Kohl, der in den Siebziger Jahren damit begann, das C im Parteiprogramm zu
diskutieren. Abgesehen von seinem bauernfängerischen Gehabe als christlicher
Patriarch, der manchen Bischof einlullen konnte, hat er mehr zur
Entchristlichung der Partei beigetragen als jeder andere. Und auch Wolfgang
Schäuble, Parteivorsitzender nach Kohl und vor Merkel, mag man nicht recht
zutrauen, das „C“ über das strategische Kalkül oder ideologische Interesse
stellen zu wollen. Doch aus der Zerrissenheit, in die die Partei seit 1973
geraten ist, könnte die Pastorentochter die Partei herausholen. Wenn sie denn
mit der gleichen Zielstrebigkeit daran arbeiten wollte, wie an ihrer
Kanzlerschaft. Sonst könnte rasch beides enden.
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