Erschienen in Ausgabe: No 44 (10/2009) | Letzte Änderung: 28.09.09 |
Was bedeutet es heutzutage, glücklich zu sein?
von Lisz Hirn
Psychologe, Psychotherapeuten, Psychiater,
Politiker, Gurus und Geistliche schreiben regelmäßig Beiträge zum Thema
“Glück”. Die Buchläden bieten eine schier unermessliche Auswahl an Literatur
zur (Selbst-) Hilfe. Und obgleich es so vieles gibt, das uns glücklich machen
soll/kann/will, sind wir es erstaunlicherweise selten. Dieses Erstaunen führt
uns zu einer Disziplin, für die dieses Phänomenaußerordentlich interessant ist: die Philosophie. Nun stellt sich die
Frage, was eine PhilosophIn zu dieser Sache sagen kann. Kann die Philosophie
eine neue Perspektive zu den Fragen “Was ist Glück?” und “Was bedeutet Glück?”
liefern?
Auffallend ist, dass das Wort “Glück” sehr
mehrdeutig ist, das heißt, es umfasst dermaßen viele Bedeutungen, sodass es
schwer ist, eine herauszufiltern beziehungsweise herauszustellen. Davon
abgesehen gibt es unendlich viele Kontexte, in denen dieses Wort gebraucht
wird. So spricht man (normalerweise) von Glück, wenn man mit den Menschen
zusammen sein kann, die man liebt, wenn eine unerwartete Überraschung sich als
positiv herausstellt, wenn man sich einen Herzenswunsch erfüllt, einen Plan
erfolgreich in die Tat umsetzt oder aus einer bedrohlichen Situation heil herauskommt.
Ebenso nennt man denjenigen glücklich, der sich guter Gesundheit erfreut oder
durch erstaunliche Schönheit besticht. Glück ist auch der, der sich in einer
beruflichen Position befindet, die ihn erfreut und wirtschaftlich sichert.
So
unterschiedlich die obengenannten Situationen auch sein mögen, haben sie doch
etwas gemeinsam: jemandem glückt etwas. Und dass einem etwas “glückt”, das ist
nicht selbstverständlich. Es gibt tausende Faktoren, die auf unser Leben
einwirken, viele davon können wir kaum oder gar nicht beeinflussen. Kein Mensch
ist eine Insel, so selbständig und unabhängig er auch immer sein mag. Er ist
umgeben von Menschen, die wie er Bedürfnisse stillen und Ansprüche stellen
wollen. Eines der Bedürfnisse, welches sich bei nahezu jedem Menschen finden
lässt, ist das Bedürfnis nach Glück, d.h. glücklich zu sein.
Der Wunsch “glücklich zu sein” ist in jeder
Kultur auffindbar, ebenso wie der Wunsch, ideale Ausgangsbedingungenzu schaffen, um Glück erleben zu können. Ob
man nun den hundersten Lottoschein ausfüllt oder sich und andere mit
Glücksbringern beschenkt, dies alles dient doch dem Zweck, mehr oder überhaupt
Glück zu haben. Aber kann man Glück “haben”? Und was bedeutet “Glück”
überhaupt?
Schauen wir uns das Wort “Glück” genauer an;
die sprachliche Analyse ist schließlich eine der Disziplinen der
Philosophie und durch sie wollen wir uns auf die Suche nach “Glück” machen.
Alle diese Hinweise scheinen das Verständnis
von “Glück” eher zu erschweren als zu erleichtern. Versuchen wir also die Herkunft
des Wortes ausfindig zu machen: Etymologisch gesehen
leitet sich das Wort “Glück” wesentlich von dem Verbum “gelingen” ab. Die
menschliche Existenz kann gelingen. Genauso wie dem Künstler sein Werk gelingen
kann, kann dem Menschen sein Leben gelingen. Das klingt durchaus schlüssig,
denn wer könnte abstreiten, dass man glücklich ist, wenn einem etwas im Leben
gelingt. Dieses Gelingen ist nicht selbstverständlich. Daher leuchtet es ein,
dass wir alles versuchen, um es zu fördern und oftmals bereit sind, einen hohen
Preis dafür zu zahlen. Doch wenn auch beinahe alles käuflich ist, ist es
unmöglich das Erlebnis von Glück zu kaufen oder gar die Sicherheit, dass einem
etwas gelingt. Glück kann man nicht kaufen.
Das ist eine alte Volksweisheit. Wieso versuchen wir es trotzdem immer wieder
und um nahezu jeden Preis?
An dieser Stelle ist interessant, warum so
viele Menschen die Hoffnung auf Glücksgefühle mit der Anschaffung von
materiellen Dingen verbinden. Der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm
hat unter anderem die Unterscheidung zwischen einer Habens- und einer
Seinshaltung des Menschen hervorgehoben. Seiner Meinung nach entspringt die
Dominanz der Habenshaltung aus dem kollektiven Wertebewusstsein der westlichen
Lebenskultur. In einer solchen Kultur wird auch der Wert eines Menschen durch
seinen Besitz bestimmt und auf das folgende formelhafte Vorurteil gebracht: Je
mehr einer hat, desto mehr und bedeutender muss er wohl sein. Daraus folgt
wiederum, dass je mehr einer hat, desto mehr kann dieser Mensch auch seine
verschiedensten Bedürfnisse befriedigen. Diese Möglichkeit zur Befriedigung
macht ihn wiederum glücklich - oder doch nicht?
Glück erlebt man in und durch den gegenwärtigen
Moment. Man kann sich an vergangenes Glück erinnern und auf zukünftiges Glück
hoffen, doch nur die Gegenwart macht die Erfahrung von Glück möglich. Um die
Erfahrung von Glück machen zu können, ist Bewusstsein nötig und dieses ist das Einzige, durch das man Einfluss auf
“sein” Glück nehmen kann. Indem man nämlich bewusst im “Hier und Jetzt” lebt,
d.h. sein Bewusstsein auf den gegenwärtigen Augenblick richtet, schafft man
erst die innere Ausgangsbedingung, um Glück überhaupt erleben zu können.
Wer einmal die idealen “inneren”
Bedingungen geschaffen hat, d.h. das Bewusstsein für den aktuellen Moment und
über denen eigenen Wunsch, glücklich zu leben, ist freilich noch immer den
äußeren Bedingungen, d.h. seiner Umwelt, ausgesetzt und von äußeren Umständen
beeinflusst. Nun kann man berechtigterweise fragen, ob man Glück tatsächlich
unabhängig von äußeren Lebensumständen und -bedingungen empfinden kann. Reicht
es aus, die rechte innere Einstellung zu kultivieren?
Mit der Antwort auf diese Frage haben sich
philosophische Schulen aller Jahrhunderte und Kulturen beschäftigt und sie haben
versucht, befriedigende und (für den Einzelnen) nützliche Antworten zu geben.
Maßgeschneiderte Antworten gibt es jedoch nicht, zumindest einige Philosophen
versuchen die Menschen zur Selbstreflexion anzuregen, also zum Nachdenken über
die eigene Lebenssituation, die eigene Einstellung zum Leben und zu sich
selbst.
Das
Glück, welches jedoch die meisten Philosophien behandeln und zu fördern
versuchen, ist nicht das kurzfristige Glücksempfinden, sondern das langfristige
“Lebensglück”. Um zu erreichen, dass das eigene Leben glückt, so stimmen sie
überein, muss der Mensch an sich und seiner Existenz arbeiten.
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