Erschienen in Ausgabe: No 45 (11/2009) | Letzte Änderung: 15.10.09 |
von Bettina Röhl
Es
entbehrt einer gewissen Peinlichkeit nicht, dass die Norweger dem am
meisten mit Vorschusslorbeeren überschütteten Politiker der Welt jetzt
auch noch vorab einen Nobelpreis aufs Auge drücken. Hätte der
Nobelpreis nicht zum Beispiel den von Obama gerufenen und dann im Stich
gelassenen Oppositionellen im Iran gebührt?
Obama ist ein extrem monotoner Redner.
Alle Reden hören sich gleich an und alle Reden sind auch irgendwie in
der Substanz ziemlich nah beieinander, aber das alles perfekt und auf
hohem rhetorischen Niveau.
Obama selber hat gesagt, dass er den Friedensnobelpreis nicht
verdient hätte. Ein bisschen fishing for comliments ist sicher dabei,
aber im Prinzip hat er mit dieser Feststellung recht, uneingeschränkt.
Es heißt allgemein Obama hätte viel angerissen, aber politisch
nichts bewegt und noch keine politischen Ergebnisse vorzuweisen, aber
Obama hätte einen neuen politischen Stil (von dem freilich niemand
etwas hat) in die Welt gebracht und neue Töne und neue Atmosphären
geschaffen. Soso, wenn dem wirklich realiter so wäre und sich nur
irgendwelche gefühlten Atmosphären geändert hätten, dann hätte sich in
neun Monaten Amtsinhaberschaft unvermeidlicherweise auch schon mal ein
kleiner Erfolg eingestellt.
Stimmt es, dass Obama noch nichts (Positives) bewegt hat? Vielleicht nicht.
Im Nahostkonflikt hat Obama nichts Positives bewegt, was nicht jeder
andere US-Präsident auch vermocht hätte, aber er hat palästinensische
Hoffnungen geschürt, deren Erfüllung nicht in seiner Hand lag und das
könnte konfliktverschärfend gewirkt haben. Obama irrlichtet gleichsam
mit den schönste Reden durch den Nahost-Konflikt, und das was bisher.
Wenn jemand behaupten würde, dass Obama im Iran nach den dortigen
Präsidentschaftswahlen im Sommer d.J. womöglich Verantwortung für den
Tod von Regimegegnern und Oppositionellen trägt, würde er sich ganz auf
der Linie etwa des Bundespräsidenten Gustav Heinemann bewegen.
Dieserwußte 1956, damals noch nicht Präsident, zum Besten zu geben,
dass der Westen mit seinen Verlockungen und Friedensverheißungen und
Schönrednereien die Ungarn zum Aufstand gegen die russischen Panzer
ermutigt hätte. Der Ungarn-Aufstand wurde bekanntlich blutig
niedergewalzt und der Westen sah zu. Heinemanns falscher Schluss damals
war der, dass der Westen die Schuld an den Opfern russischer
Gewehrkugeln trug. Das war Unsinn und erklärt sich aus der
eigenartigen, wahrscheinlich historisch nicht geklärten Person
Heinemann im Kalten Krieg.
Aber, um zu Obama zurück zu kommen: der hat sicher Hoffnungen im
Iran geweckt. Die Oppositionellen rannten mit seinem Slogan „Change“
und „ Yes, we can“ durch die Straßen und glaubten, der neue
Wunderpräsident würde ihnen helfen: Denkste! Obama half der Opposition
im Iran nicht und spendete nicht einmal Trost. Er ließ seine von ihm
geweckten Anhänger im Iran eiskalt im Stich.
Solche Traumata mutiger Opposition, die im Stich gelassen wurde,
zeitigen Wirkung. So ein Versagen, fast noch mehr des Menschen Obama
als des Politikers, ist ein kontraproduktives Moment für eine
friedliche Weltentwicklung und schädigt Friedens-und
Demokratisierungsprozesse. Man ist gewarnt. Auf Obamas schöne Rede ist
Verlass, auf die Erfüllung der Versprechen nicht.
Der Friedensnobelpreis, der 2002 an Jimmy Carter ging, der mit
seinem Singsang am Ende seiner einstigen Amtszeit schon fast Mitleid
erweckte, zeigt, dass dieser Friedensnobelpreis offenbar gern an
Schönredner vergeben wird, die viel vom Frieden reden, und nicht so
gern an Realpolitiker, die möglicherweise mit dem Image des Bösewichts
behaftet friedensbringende Realpolitik machen.
Ronald Reagan, dem linken Mainstream ein balkengroßer Dorn im Auge
hat, nachdem Jimmy Carter fast alle politischen Handlungsspielräume der
USA durch Realmachtverzicht und Abrüstung verspielt hatte, gezeigt, was
die mächtigste, kapitalistische Demokratie in kürzester Zeit zustande
bringen kann und den latent aggressiven Ostblock, verkürzt gesagt, in
Grund und Boden gerüstet und damit in die Knie gezwungen.
Die Beendigung des Kalten Krieges haben nicht Willy Brandt und Jimmy
Carter geliefert und auch nicht Egon Bahr, der seine Rolle selber
wahrscheinlich für global und genial erachtet, sondern viel mehr und
viel eher der ausgemachte Bösewicht Ronald Reagan. Wer diese These
vertritt, hat in der Tat viele historische Tatsachen auf seiner Seite.
Die Frage muss hier gar nicht entschieden werden, aber sie stellt sich.
Will man in Oslo Politik machen?
Wenn das Nobelkomitee in Oslo in Wahrheit selber gar keinen Preis
verleihen möchte, sondern selber Politik machen möchte, dann sollte man
das in Oslo frank und frei bekennen.
Wenn man Obama mit dem Nobelpreis motivieren will, ihm Glanz
verleihen, ihm Visionen einhauchen will und missionarische Kraft, dann
mussen die Osloersagen, wir wollten Obama aufpeppeln undaufmotzen
undüber seine Person wohl auch ein bisschen ins Rad der Weltgeschichte
eingreifen undwir verleihen denPreis in Zukunft nicht mehr
fürLeistung, sondern fürschöne Worte.
Ein bisschen missraten ist diese Preisvergabe schon. Die Kritik an
der Preisverleihung für Obama, der von den meisten Staats-und
Regierungschefs artig Gratulationen entgegen zu nehmen hat, kontert das
Obama-Lager mit dem Kalauer: besser mit Preisen überhäuft, als mit
Schuhen beworfen werden. Damit spielen sie auf die Schlappen-Attacke
auf George W.Bush im Irak an, die weltweit einige Nachahmer fand.
Und ein bisschen Diskriminierung schwingt in dem Preis auch mit,
nämlich, dass Obama den Preis eben nicht für seine Leistung, sondern
wesentlich für die Tatsache bekommt, dass er der erste "schwarze"
Präsidentsei, also für seine Hautfarbe. Und das wäre diskriminierend,
weildies zu wenigwäre.
Zu Recht vermuten viele, dass Obama, zumal in der amerikanischen
Innenpolitik, wo er ohnehin schon einen Abstieg hinzunehmen hatte,
dessen Ende nicht abzusehen ist, durch diesen Nobelpreis eher belastet
wird. Obama hat Hoffnung bei seinen Wählern geweckt, die er nicht
erfüllen kann. Das ist viel weniger sein Verschulden, als dass es viel
mehr der Naivität seiner Wähler geschuldet ist.
Dass die Hoffnungen durch den Nobelpreis noch größer würden, wie
etwa CDU-Mann von Klaeden meint, und viele andere meinen, ist nicht
ersichtlich. Die Obamania war schon vor Amtsantritt am oberen Ende der
Fahnenstange angekommen. Da ist gar keine Steigerung, auch keine durch
einen Nobelpreis mehr drin. Aber ein Nobelpreis, der ohne realen Grund
verliehen wird, macht sichtbar, dass da viel heiße Luft umgewälzt wird
und so etwas hinterlässt zweifelsfrei einen faden Nachgeschmack.
Warum haben die Norweger den Preis nicht den Demonstranten im Iran gegeben?
Vielleicht hätten die Norweger lieber den Demonstranten im Iran, die
von Obama zumindest in ihrem Tun beflügelt und wie gesagt, im Stich
gelassen wurden, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.Oderwäre
dies dem Komitee vielleicht zu heiß gewesen? Dies hätte aber vielleicht
wirklicheine friedensfördernde Wirkung entfaltet und diemutige
iranische Oppositiongewürdigt.
Man erinnert sich an die Zeiten, als ein Carl von Ossietzky, während
der Herrschaft der Nazis, den Friedensnobelpreis bekam, während er im
KZ saß. Und der seinen Preis vor allem für seinen Mut den Nazis zu
widerstehen bekommen hat.
Und Obama selber hat die Möglichkeit verpasst seinen Preis
spontanden iranischen Oppositionellen zu widmen,das hätte wirklich
etwas bewegt.
Wenn Obama in Oslo antreten wird, um den Preis entgegen zu nehmen, wird er sicher wieder eine schöne Rede halten.
Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl (www.welt.de)
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