Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 25.11.09 |
Auf dem SPD-Parteitag wurde viel geredet, nichts gesagt, die Katharsis blieb aus. Neue Ideen gab es nicht. Eine trockene Analyse.
von Bettina Röhl
Wie hältst Du es mit der Linkspartei? Diese Frage, die die SPD notorisch im
Nebel zu verstecken versucht, ist de facto nach allem wohl längst entschieden:
man geht mit der Linken, auch mit alten Stasis und Revolutionsphantasten, wenn
dies je die Voraussetzung dafür sein würde, den Weg ins Kanzleramt frei zu
machen.
Der linke Flügel der SPD, der notorische Besserwisser-Flügel, der sich
moralisch voll überlegen gebende Flügel, hat in Dresden, das darf man getrost
so pauschal sagen, nicht brilliert. Er hat versagt. Er hat gemault. Hartz IV,
nicht gut. Rente mit 67, nicht gut usw. usw. Das kennt man alles.
Ottmar Schreiner forderte wiedermal: Keine Korrekturen im Detail, sondern
Systemwechsel. Solche Phrasen von Parteilinken sind alte Ladenhüter und
verbergen, dass die Parteilinke weder vernünftige Korrekturen im Detail auf
Lager hat noch Konstruktives zu bieten hat, das mit einiger Wahrscheinlichkeit
der Volkswirtschaft insgesamt dient und speziell den Interessen der sozial Schwächeren
zu fördern per Saldo geeignet ist.
Die Partei redet sich ihren neuen Parteivorsitzenden Gabriel schön
und Gabriel redet sich die SPD schön.
Gabriel ist kein herausragender Analytiker. Er ist Populist und ein Sympathie
heischender Schwadroneur. Er weiß seine Körperfülle
positiv-fröhlich-optimistisch einzusetzen. Bei nüchterner Betrachtung liefert
er viel heiße Luft und wenig Substanz.
Gabriels permanenten Plädoyers für mehr Basisdemokratie, für mehr innerparteiliche
Demokratie, klingen gut, aber nützen im Zweifel wenig: eine Partei deren Basis
nicht mehr weiß, wofür sie sich enthusiasmieren soll, (für Nahles? Für
Steinmeier? Für welche Ideen?) ist ein Verein in dem Basisdemokratie
bestenfalls von oben verordnet werden könnte, um es sarkastisch auszudrücken.
Originäre Basisdemokratie, die definitionsgemäß von unten entsteht, ist in der
SPD nicht in Sicht. Da zeigt sich der Populist Gabriel bereits zu Beginn seiner
Arbeit als Parteichef.
Die Basta-Politik von Gerhard Schröder könnte das Beste gewesen sein, was
die SPD in den letzten Jahren zu bieten hatte. Eine Partei, die keine Linie
mehr hat – auch an der Basis nicht – kann auch keine Linie herbei faseln. Sie
kann froh sein, wenn ihr gesagt wird, dies oder das wird gemacht, ob es richtig
ist oder falsch. Besser man tut irgend etwas als gar nichts.
Die Zeiten der Visionen in der SPD scheinen vorbei zu sein. Die Partei ist
matt. Sie schnackelt immer wieder hinter Godesberg zurück und das ist in der
modernen globalisierten Welt Steinzeit. So kann man den sozial Schwachen
definitiv nicht helfen. In Wohlstandszeiten konnte die SPD Verteilungspolitik
betreiben. Das funktioniert in gleicher Weise heutzutage nicht mehr.
Die beste Sozialpolitik haben immer die Kapitalisten gemacht
Auf die alte Frage, Kapital und Arbeit, findet die SPD derzeit keine
brauchbaren Antworten und man hat den Eindruck, ihr fehlen die Köpfe, die etwas
von Kapital und Arbeit verstehen.
Die beste Sozialpolitik haben immer die Kapitalisten gemacht, in dem sie
Gewinnmaximierung betrieben haben. Die Kapitalisten haben allerdings notorisch
das Gefühl, dass der Gewinn ihnen alleine gehört. An dieser Stelle ist die
Sozialdemokratie gefragt, die sich aber viel zu sehr mit falschen Ideen und
Eingriffen in das System der Gewinnerzeugung hinein hängt und an der Stelle
etwas für ihre Klientel abzweigen will, also deutlich bevor überhaupt Gewinne
generiert wurden.
Gabriel ist der geile Typ für (dirty) Talkshows, in denen die Leute quer
durcheinander reden und sich darin überbieten wohlfeiles Mainstream-Zeug
abzusondern. In solchen Sendungen steht ein Gabriel wie ein glänzendes
Schweinchen Schlau und macht auf seine Art eine gute und unterhaltsame Figur.
Und er hat sein Ohr am Schnickschnack der Zeit.
Das ist für einen Retter der SPD, und einen solchen braucht die gute alte
Tante jetzt dringend, zu wenig. Natürlich kann Gabriel mit seiner Aufgabe
wachsen. Die Chance soll man ihm lassen. Andrea Nahles wird keine wirkliche
Hilfe sein können und Steinmeier, der immer sein Bestes gibt, eher auch nicht.
Wenn sich die SPD nicht zu einem neuen Godesberg durchringt, sondern
zwischen Links und Konservativ hin und her eiert und jede Gesellschaftsanalyse
unterlässt, werden ihr auch weiterhin ihre Stammwähler die rote Karte zeigen.
Die magnetischen Kräfte, über die die Jusos früher einmal verfügten (unter
ihnen die legendären Vorsitzenden der nun endlich von der politischen Bühne
abgetretenen Heidemarie Wieczorek-Zeul oder deren Nachfolger Gerhard Schröder),
als Linksradikalismen en vogue waren, sind dahin.
Auch die Linkspartei ist ein zweifelhafter Mehrheitsbeschaffer, auch deshalb
weil in der Linkspartei eine solide politische Linie fehlt, die auf Dauer
Wählerstimmen garantieren könnte. Die SPD müsste überhaupt erst einmal
definieren, wer überhaupt ihr neuer Wählertypus sein könnte.
Gabriel bräuchte wahrhaft himmlische Kräfte
Allzu viele SPD-Wähler sind in Wahrheit nur sauer, weil sie finden, dass in
ihrem Portemonnaie nicht genug Geld ist. Dieses Geld kann die SPD allerdings
nicht drucken, sondern es muss erst verdient werden. Andere SPD-Wähler sind
sauer, dass die gute Stimmung der Sieger-Energie und natürlich der
Vollbeschäftigung aus den siebziger Jahren nicht mehr da ist. Wer will schon
einer Loser-Partei auf Dauer sein Herz schenken?
Die Gewerkschaften, immer de facto eine wichtige Säule der SPD, befinden
sich ebenfalls in einer Sinnkrise. Subventionierte Arbeit macht wenig Sinn,
weil die Subventionen zum großen Teil aus den Portemonnaies der
Arbeitnehmerkollegen kommen. In solchen Situationen ist die Solidarität im
Arbeitnehmerlager keine Selbstverständlichkeit. Sie müsste gestiftet, gehegt
und gepflegt werden. Das ist mit dem Vokabular von anno dazumal, das immer noch
gepflegt wird, nicht zu machen.
Gabriel bräuchte wahrhaft himmlische Kräfte, um in einer grundsätzlich
atheistischen Partei, wie der SPD und dem Wunsch- und Hasspartner der
Linkspartei, neue Energien zu erzeugen. Solche himmlischen Kräfte sind bei
Gabriel nicht in Sicht. Er schafft es nicht einmal wirklich Tacheles zu reden.
Man hat den Eindruck, er weiß gar nicht, was er sagen soll.
Vielleicht wäre auch eine schonungslose Analyse der Geschichte der Linken in
der Bundesrepublik nützlich. Dann könnte man die Spreu vom Weizen trennen und
den ideologischen Ballast, der die SPD lähmt, über Bord werfen.
Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl: (www.welt.de)
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