Erschienen in Ausgabe: No 47 (1/2010) | Letzte Änderung: 23.12.09 |
Das neue "Kölner Domblatt" ist erschienen
von Constantin Graf von Hoensbroech
Als die Nationalsozialisten im März 1936 Truppenteile der Wehrmacht im
bis dato entmilitarisierten Rheinland stationierte und Adolf Hitler damit
erneuet eine Bestimmung des Versailler Friedensvertrags von 1919 revidierte,
war nach Ansicht des damaligen Kölner Domvikar Max Loosen für ,,jedem, der
sehen wollte, klar, daß man auf einen Krieg lossteuerte". Die Konsequenz
für den geistlichen: Er begann über drei Jahre vor Beginn des Zweiten
Weltkriegs mit Planungen zur Sicherung der beweglichen Kunstschätze der Kölner
Kathedrale und gab bereits für eine mögliche Evakuierung von Domschatz und
Dreikönigenschrein die ersten Transportkisten in Auftrag. Wie weitsichtig! So
konnte unmittelbar nach Kriegsbeginn im September 1939 mit der Sicherung
begonnen werden, ab Mitte 1942 mussten zahlreiche Schätze evakuiert werden.
Die Geschichte über die "Kriegsschutzmaßnahmen am Kölner Dom im
Zweiten Weltkrieg" ist einer der Beiträge im neuen Kölner Domblatt, das
dieser Tage in der 74. Folge erschienen ist. Das Titelbild des vom Kölner
Zentral-Dombau-Verein herausgegebenen Bandes- die in Holz eingehüllten Figuren an den Pfeilern im Hochchor sowie
rechts und links gestapelte Sandsäcke an Stelle des Chorgestühls - verweist
bereits auf diesen Text des Historikers Niklas Möring. Spannend zu lesen ist
auch der Streit zwischen dem damaligen Dombaumeister Hans Güldenpfennig und dem
Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Franz Graf Wolff Metternich, über den
ausreichenden Schutz der kostbaren Fenster vor Ort oder eben doch Ausbau.
Metternich, für den der Kölner Dom das "erhabenste Bauwerk des Deutschen
Reiches" darstellte, setzte sich schließlich gegen Güldenpfennig, im Krieg
"der verlässlichste Schützer dieses Domes", durch: Die verschalten
Fenster wurden - aus heutiger Sicht Gott sei Dank - doch ausgebaut und später
in alte Bergwerke und Stollen ausgelagert.
Gleichwohl hat die Kathedrale den Krieg natürlich nicht unbeschadet
überstanden auch wenn manch bekannte Fotografie aus den Nachkriegstagen dies
mit ihrer Ansicht von der völlig zerstörten Innenstadt mit dem scheinbar
unversehrt im Hintergrund aufragenden Kölner Wahrzeichen zu suggerieren
scheint. Bis heute sind die Mitarbeiter der Dombauhütte mit der Beseitigung von
Kriegsschäden befasst. Laut Dombaumeisterin Professor Barbara Schock-Werner
werden Erhaltungsarbeiten an der Nordseite und die Beseitigung unzähliger
Einschusslöcher und Granatsplitter im nächsten Jahr einen Schwerpunkt bilden.
Für das abgelaufene Jahr - es handelt sich um den Berichtszeitraum von
Oktober 2008 bis September 2009 - ist zuvorderst die Fertigstellung des neuen
Zugangsgebäudes für die Turmbesteigung sowie die sich daran anschließende Umgestaltung
der Domgrabung zu nennen. "Nahezu alle Gewerke der Dombauhütte waren daran
beteiligt", so die Dombaumeisterin. Unter den zahlreichen Maßnahmen wie
Sanierungen, Konservierungen, Restaurierungen und Reinigungen im und am Dom
sowie an zahlreichen Objekten ist außerdem der bevorstehende Abschluss von
Arbeiten im Zusammenhang mit dem weithin sichtbaren Hängegerüst am Nordturm zu
erwähnen. Den anstehenden Abbau der Konstruktion verband Schock-Werner mit dem
Hinweis: "Das nächste Gerüst ist schon in Planung und wird nächstes Jahr
je nach Witterung sukzessive aufgebaut."
In bewährter und unterhaltsamer Form reiht das Kölner Domblatt, das
weltweit wohl einzige Periodikum, das regelmäßig über Vergangenes,
Gegenwärtiges und Zukünftiges an einer Kathedralkirche berichtet, Beiträge aus
Geschichte und Forschung, geistlichem Leben und Wissenschaft aneinander. So
veröffentlicht das neue Kölner Domblatt postum einen Vortrag des verstorbenen
renommierten Kunsthistorikers Dietrich Kötzsche über "Fragmente vom Dreikönigenschrein".
Georg Hauser, der Leiter der Domgrabung, hingegen entlarvt die Domlegende, der
gemäß das Herz von Maria von Medici, ehemalige Königin von Frankreich sowie 1642 in Köln gestorben, im Dom begraben sei,
definitiv als das, was sie ist: eine Legende.
Bemerkenswert, "weil in dieser komprimierten Darstellung so noch
nicht nachzulesen", wie ZDV-Präsident Michael H. G. Hoffmann zu Recht
anmerkt, ist auch der Beitrag von Prälat Norbert Feldhoff. Der amtierende
Dompropst widmet sich der Frage "Dombau in Köln - eine kirchliche
Aufgabe?". Ausgehend von der Tatsache, dass die Kölner Dombauhütte vom 19.
Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unter staatlicher Führung
gestanden hat sowie die Feier der Domvollendung im Jahr 1880 eher ein säkularer
Akt des Deutschen Kaiserreichs gewesen ist, bei dem die Kirche eher abseits
stand, geht es bei diesem Aufsatz doch auch um die immer wieder gern
diskutierte bedeutungsschwere Frage, wem der Dom eigentlich gehört. Seine
ebenso profunden wie detailreichen Untersuchungen schließt Feldhoff mit dem
Fazit ab: "Der Versuch, den Dom zu einem Nationaldenkmal zu machen, musste
nicht nur aus politischen Gründen scheitern. Der Dom wurde nach dem
mittelalterlichen Plan vollendet. So entstand eine Kathedrale, eine Bischofskirche,
ein steinerner Schrein über dem goldenen Reliquienschrein mit den Gebeinen der
Hll. Drei Könige. Die Steine, die nach diesem Plan zusammengefügt wurden,
,singen’ auch heute noch das Lob Gottes und sind nicht zum Schweigen zu
bringen."
Kölner Domblatt 2009 -
Jahrbuch des Zentral-Dombau-Vereins, 328 Seiten, 201 Abbildungen, 25,80 Euro,
ISBN 978-3-922442-66-02
Fotos:
- Nach dem Gerüst ist vor dem Gerüst: Das weithin sichtbare Hängegerüst
am Nordturm wird demnächst abgebaut, ein neues Gerüst am selben Turm ist
bereits in Planung.
- Der Abschluss für den neuen Zugang zur Turmbesteigung und zur
Domgrabung war eine der herausragenden Arbeiten im Jahr 2009 am Kölner Dom.
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