Erschienen in Ausgabe: No 48 (2/2010) | Letzte Änderung: 04.02.10 |
von Guido Horst
Heiligkeit
und Sünde: Zwei Begriffe, die nicht ganz aus dem Wortschatz unserer Zeit
verschwunden sind, die aber der Bewohner unserer post-christlichen
Breitengraden nicht mehr so richtig versteht. Benedikt XVI. besucht die Synagoge
Roms, die älteste jüdische Gemeinde außerhalb Palästinas. Und in den
vergangenen Wochen ist gerade mit Blick auf das Schicksal der Juden im Zweiten
Weltkrieg immer wieder die Frage laut geworden, wie Papst und Vatikan nur von
der – jetzt festgestellten – Heiligkeit Eugenio Pacellis sprechen können, des
Mannes, der auf dem Stuhl Petri saß, als um ihn herum die Schrecken des barbarischsten
alle Kriege und des Holocausts tobten.
Die
internationale Forschung, jüdische Historiker eingeschlossen, zeichnet heute
ein wesentlich differenzierteres und positiveres Bild Pius’ XII., als es sich
Rolf Hochhuth für sein Schmähstück „Der Stellvertreter“ erfunden hatte. Aber
darum geht es nicht. Die Feststellung der Heiligkeit ist etwas völlig anderes,
als jemanden für die Verleihung des Friedensnobelpreises auszuwählen. Wobei man
in Stockholm vielleicht doch noch einmal erklären sollte, weswegen man einen
amerikanischen Präsidenten mit dieser Ehrung bedachte, als dieser gerade dabei
war, eine Art Polizeiaktion im fernen Ausland in einen regelrechten Krieg
umzuwandeln.
Heiligkeit
dagegen im Sinne der Kirche hat nichts mit „political correctness“ oder
Gutmenschentum zu tun. Heiligkeit ist etwas Dramatisches. Jesus Christus selber
hat es vorgemacht, denn er hat die erste Heiligsprechung vorgenommen, als er
das „Amen, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ jenem
Verbrecher zusprach, der neben ihm am Kreuze hing und den die Tradition Dimas
nennt – der erste Heilige der Kirche.
Heiligkeit
bedeutet, sich trotz aller Schwächen, trotz aller Irrfahrten der Seele immer
wieder dazu durchzuringen, den Willen Gottes zu erspüren und ihm zuzustimmen.
Historiker
mögen einem Irrtümer bescheinigen. Die Kirche bescheinigt denen, die sie zur
Ehre der Altäre erhebt, dass sie in diesem inneren Kampf aufrichtig waren und letztlich
nicht sich und den Menschen, sondern Gott dienen wollten.
So
wie Johannes Paul II., dessen Seligsprechung sich nun viele für dieses Jahr
erwarten. Aber auch Stolz schwingt mit, wenn die polnischen Landsleute ihren Lolek
bejubeln, der ein ganz großer Papst in einer anderen Zeitenwende war. Als dem
morsch gewordenen Kommunismus im östlichen Europa die Luft ausging, erhielt die
katholische Kirche mit Karol Wojtyla einen Protagonisten der Weltgeschichte.
Doch
mit dem Stolz ist das so eine Sache. Wo der Glanz ist, ist auch das Elend, wo
die Schönheit der Weltkirche aufscheint, zeigt sich auch ihr Drama. Etwa im
vergangenen Dezember. Wieder ein Krisengipfel im Vatikan. Und wieder ging es um
sexuellen Mißbrauch durch Priester, ein schweres Vergehen, dass plötzlich in ganz
bestimmten Regionen der Kirche gehäuft und in besonders eklatanter Weise
auftaucht. Bei seiner Reise durch die Vereinigten Staaten im April 2008 hatte
sich Benedikt XVI. „tief beschämt“ über die Taten pädophiler Priester geäußert,
die etwa in den Erzdiözesen Boston und Los Angeles zu hohen
Entschädigungszahlungen geführt hatten. Nach den Vereinigten Staaten trifft der
Vorwurf der Vertuschung nun die Kirche in Irland und insbesondere die
Erzdiözese Dublin. Der so genannte Murphy-Report hängt an der gesamten Kirche
wie ein Mühlstein – oder wie der Stein um den Hals, mit dem
nach
Jesu Wort jene ins Wasser geworfen werden sollen, die den Kleinsten etwas
zuleide tun. Gar nicht so lange vor dem Fest der Unschuldigen Kinder
verschaffte der Murphy-Report auch im Vatikan letzte Klarheit über die Missbrauchsfälle,
zu denen es in der Erzdiözese Dublin in den Jahren von 1975 bis 2004 gekommen
ist. Entsprechende Vorwürfe
hatten 320 Personen erhoben, ab Mai 2004 kamen jedoch 130 weitere Fälle hinzu.
Der
Papst zitierte irische Bischöfe nach Rom, anschließend veröffentlichte der
Vatikan ein ungewöhnlich scharfes Kommuniqué. Die Worte „traumatisch“, „erschüttert“,
„Verrat der Gelübde“, „Empörung“ und „abscheuliche Verbrechen“ in der Erklärung
zeigen, dass Benedikt XVI. geschäumt haben muss. Heiligkeit ist ein Drama, die
Sünde ist es auch. Viel Unrat gebe es in der Kirche, das hat Papst Benedikt
gleich zu Beginn seines Pontifikats gesagt. Bei allem Glanz, den die großen
Heiligen dem pilgernden Volk Gottes bereiten – die Sünden vieler in der Kirche
sind dann gleich auch wieder eine Mahnung, dass Heil und Erlösung nur in der
Umkehr zu Jesus Christus zu finden sind.
Guido
Horst ist Chefredakteur des Vatikan-Magazins (www.vatikan-magazin.de)
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