Erschienen in Ausgabe: No 49 (3/2010) | Letzte Änderung: 26.02.10 |
von Guido Horst
In Rom ist ein Buch erschienen. „Warum er heilig ist“ lautet
der Titel. Noch liegt es nur auf Italienisch vor. Es geht um den großen Papst
aus Polen. Sein Leben und seine Sendung, dargestellt von dem Priester Slawomir Oder,
der für den Seligsprechungsprozess von Johannes Paul II. die gewaltige
„positio“ zusammen gestellt hat.
Diese „positio“ hält alle Zeugnisse fest, die Wegbegleiter, Mitarbeiter
und enge Vertraute über Karol Wojtyla im Zuge des Seligsprechungsverfahrens
abgelegt haben. Für den schnellen Leser hat Slawomir Oder manche kleinen
Geheimnisse und bisher unbekannte Details aus dem Lebens Johannes Pauls II.
nochmals in Form eines Büchleins bekannt gemacht. So auch die Tatsache, dass
der polnische Papst nicht nur ein großer Mystiker, sondern auch ein asketischer
Büßer war, der streng gefastet und sich gegeißelt hat. Igitt! Selbst im Vatikan
war es einigen peinlich, dass diese Unappetitlichkeit nun ans Tageslicht kam.
Ein einfacher Ledergürtel war es, den sich Papst Wojtyla auf den Rücken
klatschen ließ.
Selbst in der Sommerfrische, in Castel Gandolfo, hatte er ihn
stets dabei. Hatte die Welt nicht einen ganz anderen Papst im Sinn? War papa
Wojtyla nicht der, der in seinen guten Jahren Bahnen durch das Schwimmbad zog?
In der katholischen Kirche bricht in diesen Tagen das große
Fasten aus. Nicht um den Winterspeck zu verbrennen oder etwas für die
Cholesterin-Werte zu tun, sondern um das Leiden Jesu Christi vor Tod und Auferstehung
auch mit dem eigenen Körper zu begleiten. Fasten – oder auch die
Selbstgeißelung, wie sie für viele große Heilige belegt und überliefert ist –
nimmt den Körper in die Zucht. Schon wieder ein Wort, das heute nicht mehr
üblich ist. Wenn Zucht und Ordnung nur das Ziel haben sollen, Menschen zu
dressieren, um sie von irgendwelchen Idioten in idiotische Kriege schicken zu
können, mag solche Zurückhaltung auch mehr als angebracht sein. Doch darum geht
es nicht, wenn die Kirche von Zucht und Ordnung spricht. Sich vom Leiden
unseres Herrn anrühren zu lassen und es im eigenen Fleisch ein wenig
mitzuempfinden, ist nur ein Beleg dafür, dass der Weg der Nachfolge Christi
nicht eine Sache des reinen Geistes, sondern auch des Körpers ist. Der
letztlich in der Auferstehung mündet – auch der des Leibes. Doch dazu mehr im
nächsten Heft, wenn es Ostern zu feiern gilt.
Jetzt ist Fastenzeit, direkt nach Karneval, wobei beides so
richtig katholisch ist. Ist es nicht merkwürdig, dass die Narren aus den
Straßen Roms verschwanden, als die Päpste die Macht über die Stadt an den italienischen
Staat abgeben mussten? Ein abgehobenes Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit kann
man dem „homo catholicus“ bestimmt nicht nachsagen – im Feiern wie im Fasten,
in der ausgelassenen Fröhlichkeit wie im Bemühen um Zucht und Ordnung.
Inkarnation, Fleischwerdung, ist das zentrale Stichwort der christlichen
Offenbarung. Und es ist nur eine logische Konsequenz, dass die Menschwerdung
Gottes auch den Leib des Menschen erreicht. Die Erlösung der Menschheit ist im
Fleische Jesu Christi geschehen, nicht
im Kopf religiöser Genies. Kein Wunder also, dass sie Spuren
an den Körpern derer hinterlässt, die diesem Jesus auch noch zweitausend Jahre
später nachfolgen wollen. Es ist nicht schicklich, über Askese, Zucht oder gar
Geißelungen und – noch schlimmer! – Stigmatisierungen zu reden, doch die
Geschichte der Kirche ist voll davon, bis in unsere Tage. Auch ohne den großen Johannes
Paul II. Vielleicht wird ihn sein Nachfolger, unser jetziger Papst, noch in
diesem Jahr seligsprechen. Doch längst schon ist auch Benedikt XVI. zum Zeichen
dafür geworden, dass man Gott nicht dienen kann, ohne dass der auch den Körper
in Anspruch nimmt. Tag für Tag absolviert der bald 83-Jährige ein
Arbeitsprogramm, von dem sich der Durchschnittsbürger spätestens bei Erreichen
des Rentenalters für immer verabschiedet. Audienzen, stets wechselnde Gäste,
die Vorbereitung von Ansprachen, hin und wieder eine Reise. Ohne die geringste
Aussicht auf den „Ruhestand“. Auch Benedikt XVI. ist ein Vorbild an Zucht und
Ordnung. Man kennt den Anblick: Kerzengerade sitzt der deutsche Papst auf seinem
Stuhl. Manchmal sieht er dort etwas verloren aus, denn die Sessel, die Benedikt
XVI. bei Ansprachen im Vatikan oder auf Reisen erwarten, sind in der Regel
leicht überdimensioniert. Ruhig und konzentriert schaut er drein, bis ihm sein
Sekretär die Manuskriptblätter reicht. Alles Theatralische ist ihm fremd, wenn er
dann sofort zu lesen beginnt. Fasten und das Üben der Zucht hat etwas Reines –
wenn man es nicht für sich selbst, sondern für einen Anderen tut.
www.vatican-magazin.de
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.