Erschienen in Ausgabe: No 50 (4/2010) | Letzte Änderung: 20.03.10 |
von Lisz Hirn
Jesus von Nazareth wird wahrscheinlich
um 4 v. Chr. in Bethlehem oder Nazareth geboren. Der Sohn eines Zimmermanns ist
ein jüdischer Wanderprediger. Etwa ab seinem
dreißigsten Lebensjahrtritt er als
Redner und Weisheitslehrer öffentlich in Galiläa und Judäa auf, sammelt Nachfolger bzw. Jüngerund ruft das jüdische Volk angesichts des von
ihm erwarteten Gottesreichs zur
moralischen Umkehr auf. Wenige Jahre später wird er von Römern 30/31 oder 33 n. Chr. gekreuzigt.
Jesus hat keine neue
Religion im Sinn. Er will das veraltete Judentumerneuern, doch aus dem Glauben seiner ersten Anhänger und aus dem Kult
um seine eigene Person entwickelt sich das Christentum. Das Neue Testament verkündet ihn als Jesus Christus, den Messias und Sohn Gottes und ist es die wichtigste Quelle
für seine historische Existenz.. Daneben finden sich einige Angaben zu seiner
Person in den Apokryphen.
In kaum einer anderen Religion kommt
dem Begründer derselben soviel Bedeutung und Ehrerbietung zu wie im
Christentum. Hier ist Jesus Christus nicht nur der weise Lebenslehrer, sondern
auch Messias, Gottessohn und Weltheiland. Er ist der Erlöser aller Menschen,
seine Lehre ist für das gesamte kosmische Geschehen von Bedeutung. Im Laufe der
Verbreitung des Christentums hat sich der Kult um Jesus von Nazareth, auch
Jesus Christus (griech. Christos = Der Gesalbte), als unabdingbar für den
Erfolg des christlichen Glaubens herausgestellt. Die Kreuzritter, die im
Heiligen Land um die Freiheit von Jerusalem kämpfen, die mittelalterlichen
Legenden über junge, edle Rittersmänner, die sich auf die Suche nach dem
Heilgen Gral machen oder die Reliquienmanie stehen als Beispiele für die
intensive Verehrung von Jesus. Wie begann all dies? Wie kam es dazu, dass ein
einfacher, jüdischer Rabbi, die Welt auf den Kopf stellte und ihr ein vollkommen
neues Antlitz gab?
„Jesus erwiderte: Wer
ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen,
die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine
Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester
und Mutter.“
Es gibt viele Diskussionen über die
historische Existenz von Jesus von Nazareth. Was von vielen Experten jedoch
weniger bezweifelt wird, ist, dass sich Jesus um sein dreißigstes Lebensjahr
als Messias verstanden bzw. gehalten hat, also als die Person, die das Leiden
des jüdischen Volkes, das in dieser Zeit unter römischer Vorherrschaft stand,
zu enden. Die Juden sehnten sich nach dieser Erlösungsfigur und einige Männer
erhoben seinerzeit den Anspruch darauf, der erwartete Messias zu sein. Jesus
scheint in seiner Messianität auch von der Masse angenommen worden zu sein,
aber genauso schnell wie der die Achtung der Masse gewonnen hatte, verlor er
sie auch wieder im Angesicht seiner Verurteilung und seiner Kreuzigung. Nach
seinem Opfertod vollzog sich ein paradoxes Phänomen: Die nachhaltigste Wirkung
der Persönlichkeit Jesu zeigt sich nach seinem Tod oder gerade aufgrund seiner
ungerechten Verurteilung und grausamen Hinrichtung. Gab es vorher schon einige
Adepten, die seine Ideen opferbereit weiter tragen wollten, waren es danach
nicht nur mehr, sondern aus ihnen auch überzeugtere Jünger geworden. Den Anstoß
dazu gab dieLegende um die Auferstehung
des Gekreuzigten und Erscheinung des Gottessohnes, die den Nerv der unterdrückten
Massen traf.
„Mag nun das Mysterium der Auferstehung Christi rational erklärt werden
können oder nicht, fest steht jedenfalls, daß es die Geistesgeschichte der
Menschheit aufs tiefste beeinflußt hat. Denn es ist zur Grundlage und zum
Eckpfeiler eines Glaubens geworden, der die ganze Erdhälfte eroberte, […].“
(Helmuth von Glasenapp in „Die fünf Weltreligionen“)
Der Kern der
christlichen Religion ist die bedingungslose Liebe Gottes
gegenüber den Menschen, die schon Jesus predigt. In dieser Liebe, in der sich
Gott offenbart bzw. sich zeigt, findet der Mensch Sicherheit und Geborgenheit
in einer Welt der Übel und des Leidens. Gott wendet
sich der Menschheit, die in Sünde lebt, in Gestalt von Jesus Christus, seinem
eingeborenen Sohn, zu. Dessen Tod am Kreuz wird dabei als Erlösertat Gottes angesehen, mit der die Sünden
der gesamten Menschheit gesühnt werden. Die Sündenvergebung des Einzelnen hängt
aber auch von der Stärke des Glaubens an Gott und Christus ab. Der Glauben
liegt für Christen in den Ereignissen zu Ostern begründet, der Kreuzigung und der anschließenden Auferstehung bzw. Auferweckung von Christus. Auf
diesen Glauben an dieAuferstehung von
Christus gründet sich die christliche Gemeinschaft, also die christliche
Kirche. Dieser ist die Basis der christlichen Religion, die sich zahlenmäßig
als die am weitesten verbreitete Religion durchgesetzt hat.
Was ist ein „Christ“?
Als Christ wird eine Person bezeichnet, die sich zu Jesus Christus und
seinen Lehren und Leitsätzen bekennt. Christen glauben an die Gottessohnschaft
von Jesus Christus, an die Vergebung aller Sünden, möglich gemacht durch den
Kreuztod von Jesus Christus und an die Auferstehung nach dem Tod inklusive
ewiges Leben.
Die ersten Christen waren Juden, die
sich zum Glauben an Jesus Christus bekannten. Sie identifizierten Jesus mit den
von den jüdischen Propheten verheißenen Messias (latinisiert Christus), auf dessen Kommen
die Juden noch immer warten. Die Christen übernahmen aus der jüdischen
Tradition sämtliche alttestamentarische Schriften, so wie auch viele
grundsätzliche Lehren. Das ist nicht weiter verwunderlich, da Jesus selbst ein
jüdischer Gelehrter, ein Rabbi, war. Besonders
bekannt ist noch heute Jesus´ Bergpredigt, welche den Beginn von Jesus´
öffentlichen Wirken eingeleitet haben soll:
Die Seligpreisungen
3 Jesus sagte: Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen
gehört das Himmelreich.
4 Selig die Trauernden; / denn sie werden getröstet
werden.
5 Selig, die keine Gewalt anwenden; / denn sie werden das
Land erben.
6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; /
denn sie werden satt werden.
7 Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen
finden.
8 Selig, die ein reines Herz haben; / denn sie werden Gott
schauen.
9 Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Söhne
Gottes genannt werden.
10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
/ denn ihnen gehört das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und
verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
12 Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß
sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
Von der Liebe zu den Feinden
43 Ihr
habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und
deinen Feind hassen.
44 Ich
aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
45
damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne
aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür
erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?
47 Und
wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht
auch die Heiden?
48 Ihr
sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.
(Das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5, Die
Bergpredigt: Die Rede von der wahren Gerechtigkeit)
Abgesehen von den Lehren
des Alten Testaments und Jesus´ Lehrsätzen, übernahmen die Christen von den
Juden auch die Art der Gottesverehrung oder besser gesagt: sie führten diese
reformiert fort. Wie unterscheidet sich nun das christliche vom jüdischen
Gottesbild? Christen und Juden verehren den gleichen Gott. Generell sehen die meisten Christen
Gott als einen dreifaltigen Gott an: Den Vater, den Sohn (Christus) und den Heiligen Geist, die
zusammen eine Einheit, die Trinität, bilden. Das Christentum basiert auf dem
Glauben, dass Jesus von Nazareth der Christus ist, sowie auf den Lehren Jesu
und dem Glauben an seine Auferstehung nach seiner Kreuzigung. Jesus´ weise
Lehren wurden im ersten Jahrhundert der (nach Jesus Christus benannten)
christlichen Zeitrechnung von Urchristen entscheidend entwickelt und
ausgearbeitet. Vor allem Kirchenväter wie der Hl. Augustinus haben wesentlichen
Einfluss auf die Entwicklung der christlichen Kirche ausgeübt und ihr Erfolg
beschert. Die Juden haben Jesus keineswegs als Messias anerkannt, für sie ist
Jesus nur einer von vielen weisen Männer, wenn nicht sogar ein falscher
Prophet, allerdings ein Prophet mit außerordentlichem Charisma wie es seine
Beschreibung in den Evangelien wiedergibt.
Nur durch dieses überlieferte
Charisma ist zu erklären, dass Jesus über die Zeiten populär geblieben ist. Unzählige
Kunstwerke im Laufe der Jahrhunderte und auch neuere Kunstprojekte wie das
Musical „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber und zahlreiche neue
Sekten und christliche Glaubensrichtungen, sowie die New-Age Philosophy und
Esoterik zeugen davon bzw. sind von Elementen des christlichen Glaubens und der
Legende von Jesus Christus durchtränkt. Und wer nicht den Lehrsätzen der
„Kirche“ glauben will, der kann dennoch seine Bewunderung für Jesus zum
Ausdruck bringen, indem er dessen Symbole trägt - frei nach dem Motto: Man muss nicht Christ
sein, um Jesus zu achten.
„Jesus sprach: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie
ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr meßt
und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge
deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
Bedauerlicherweise haben die Jahrhunderte
gezeigt, dass seine Nachfolger bei weitem nicht die gepredigt Toleranz und
Einsicht hervorgebracht haben. Von Glasenapp, ein großer Kenner der Religionen
und religiösen Weltanschauungen, bringt es in seinem Buch Die fünf Weltreligionen auf den Punkt: „Es ist für das Christentum
aller Zeiten charakteristisch geblieben, daß sich bei ihm mit einer friedlichen
und mitleidigen Gesinnung und werktätiger Nächstenliebe eine fanatische
Kampfstimmung gegen Andersgläubige verbindet, […].“
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