Erschienen in Ausgabe: No 51 (5/2010) | Letzte Änderung: 08.07.11 |
von Stefan Groß
Es ist ein leichthändig geschriebenes und dem Leser
wohlgefälliges, kleines Buch, darüber auch ein höchst persönliches, das die
hierzulande gern zur Gartenpäpstin erhobene Ikone der Hortomanie, Gabriella
Pape, nunmehr im Irisiana-Verlag vorgelegt hat. Und Pape weiß, über was sie
redet, wenn sie über Gartenkunst reflektiert, wenn sie von lebendigen Gärten
spricht, wenn sie uns auf die Reise in die Gärten ihrer Kindheit nimmt, wenn
sie vom Garten als hortus conclusus als hortus felix schwärmt, eben von einem
Garten, der auf Ganzheitlichkeit abzielt, von einen Garten, in dem sich
Glückseligkeit ebenso findet wie der liebende Umgang mit der gepflanzten Welt
im Kleinen.
Und so offenbart sie dann auch ein Stück weit
Gartengeschichte jener Art, die in den großen Gartenliteraturen, in den
glanzvollen und pompösen Bildbänden oft zu kurz kommt, da sich diese zumeist
auf die Welt der historischen Anlagen aus Antike, Renaissance, Barockgarten und
englischer Gartenkunst beschränken. Pape ergründet die Gartengeschichte
jenseits der großen Wege und Stilepochen. Für sie ist die Gartenkunst mehr als
ihre Geschichte, sie ist die je individuelle Begegnung mit der Natur, ein Stück
unmittelbaren Glücks, die letztendlich zur Kreativität hinführt, die, wie Pape
immer wieder betont, der deutschen Gartenliebhaberei völlig abhanden gekommen
sei.
So nimmt es nicht wunder, daß sie auch diese heutige
Gartenkunst in Deutschland einer steten Kritik unterzieht, die Tendenzen zur
Musealisierung, zum Biedermeier und letztendlich die unendlich ermüdende
Sehnsucht nach einem perfekten und vor allem unkrautfreiem Rasen, die Monotonie
der Einzirkelung, der Engmaschigkeit und der regulären Steifigkeit kritisiert,
Prinzipien einer falsch verstandenen Artistik, die nicht zuletzt ihre Ursprünge
in der deutschen, und ein wenig tristen, eben melancholischen Wesensnatur
haben. Hier wird mit dem Zirkel hantiert, wird die Welt auf die Regularien
einer Ästhetik des Nützlichen verkürzt, die dem gelebten Idyllenverständnis der
grünen Insel diametral gegenübersteht. Statt dieser spießbürgerlichen Eindimensionalität
plädiert Pape dann auch für eine artifizielle Gartengestaltung, die nicht nur
die Hortomanie in den Mittelpunkt rückt, sondern auch das Experimentieren, die
Leidenschaft gartenkünstlerischer Betätigung, durch die sich der Rhythmus
menschlicher Leidenschaft entfaltet. Dieser leidenschaftliche Umgang mit der
Natur, dies ist es, was schließlich den englischen vom deutschen
Gartenliebhaber unterscheidet, für den die Gestaltung eben nicht Frondienst,
das im „Schweiße deines Angesichts“, nicht Gartenarbeit, ist, sondern worin sich der süße Klang einer großen
Weltharmonie spiegelt, das Universum im Refugium des Gartens abzubilden. Diese
Abbildlichkeit herzustellen, soll aber keineswegs so verstanden werden, als das
die Gartenkunst nur Mimesis sei, die bloß ein historisches Bild immer wieder,
fast unendlich, reproduziert. Im Gegenteil: Rechtverstandene Gartenkunst ist
Poiesis, ist synthetische Kunst, das freie Spiel der Vermögen, die
schöpferische Produktivität der Einbildungskraft, eines Vermögens also, das
zwischen Verstand und Sinnlichkeit schwebt, beide miteinander vermittelnd.
So sehr das Kreative und das Experimentelle letztendlich für
die eigentliche Dimension der Gartengestaltung stehen, ist sind diese doch
keineswegs ihr Ursprung. „Gartenkultur“, wie Pape sie versteht, ist in erster
Linie Kultivierung, letztendlich eine Kultivierung der Pflanzen selbst. Die
Gartenkunst entspringt also nicht dem Moment des Idealischen, dem Genie und der
Philosophie, sondern ganz pragmatisch und empirisch gedacht, dem Wissen über
die Pflanzen. „Die Gartenkultur ging den später so bewunderten Parks und Gärten
voraus – und nicht umgekehrt. Gärten waren das Ergebnis einer ultimativen
Steigerung der Kultivierung der Pflanzen, sie waren die Errungenschaft aus dem
wohl seit Jahrhunderten beobachteten, angesammelten, niedergeschriebenen
Wissens. So ist die Gartenkultur nicht die Summe vieler schöner Entwürfe und
Ausführungen von Gärten, Gartenkultur ist vielmehr der schier unendliche und
immer wieder erneuerte Wissenskanon über die Pflanzen und ihre
Lebensbedingungen, den sich der Mensch zu eigen macht, um im Einklang mit der
Natur, aber auch im Widerstreit gegen die Natur seine eigenen Vorstellungen,
Wünsche, Bedürfnisse und Emotionen durchzusetzen“ (S. 14)
Im alten Streit zwischen Wirkungs- und Gehaltsästhetik, wie
er beispielsweise von Goethe und Schiller gegen den englischen Empirismus geführt
wurde, nimmt Pape eindeutig Position für ein wirkungsästhetisches Paradigma,
das zudem noch Metamorphose und Botanik berücksichtigt, einer Herangehensweise,
wie sie auch und insbesondere dem älteren Goethe zur Herzensangelegenheit
wurde, dem die Botanik letztendlich der einzige Zugang zur Gartenkunst werden
sollte, nachdem er ihre Spielereien und Vernünfteleien kritisierte. Und wie
einst Schiller in seinem Aufsatz im „Gartenkalender“ und Hirschfeld in seiner
„Theorie der Gartenkunst“ sucht auch Pape nach einem typisch deutschen Garten,
nicht nur um die hierzulande außer Mode gekommene Gartenkunst wieder neu zu
polieren, sondern um auf eine große Tradition zu verweisen, die in Deutschland
durch Karl Foerster und seinem weitergedachtem Senkgarten in Potsdam Bornim in
Vergessenheit geraten ist. Dieser Garten steht dann auch für das geheimnisvolle
Wechselspiel zwischen Extravertiertem und Introvertiertem, in einer Spannung,
die den Betrachter unweigerlich in seinen Bann zieht, eben weil sich hier
unterschiedliche Blickperspektiven und Effekte, der „Blick von Oben“ und der
Überraschungseffekt, variierend einstellen. Und wie ihr großes Vorbild Foerster
plädiert auch Pape dafür, daß kein „Gartenfortschritt ohne Wagnis“ sich
einstelle“, und: „Wer mit seinem Garten schon zufrieden ist, verdient ihn nicht“.
Auch dann führt sie die Linie Foersters weiter, weil Gärten auch für sie Szenarien
sind, inszenierte Bühnenstaffagen, ähnlich wie sie sich einst in den Bildern
von Jean-Antoine
Watteau und seiner Fêtes galantes dem Publikum präsentierten.
Kurzum: Pape führt mit ihrer „Philosophie lebendiger Gärten“
die alte Tradition der beliebten Gartenliteratur fort; auch sie verzichtet auf
komplizierte, philosophierende Passagen, was die Lesbarkeit deutlich erhöht.
Ihrem Anspruch, jenseits von spießbürgerlichem, kleinbürgerlichem und grauem
Gartenalltag, ein neues Bild der Gartenkunst, eine neue Vermessung dieses
Kosmos im Kleinen, gegenüberzustellen, ist ihr gelungen, wenngleich man
nachhaltig daran festzuhalten gewillt ist, daß Gartenkunst doch mehr ist, als
die von Pape definierte „Gartenkultur“.
Gabriella Pape, Meine Philosophie lebendiger
Gärten, unter
Mitarbeit von Dr. Harro Schweizer, Irisiana Verlag, München 2010, ISBN:
978-3-424-15033-9, Preis: 16,95 Euro.
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