Erschienen in Ausgabe: No 51 (5/2010) | Letzte Änderung: 30.04.10 |
von Michael Lausberg
Richard Hooker (März 1554 – 3 11. 1600)
war ein anglikanischer Priester, der zusammen mit Thomas Cranmer[1] und
Matthew Parker[2] das Denken der
anglikanischen Kirche wesentlich mitbestimmte. In seinem Werk „Of The Laws Of
Ecclesiastical Polity”, wo er sich mit der anglikanischen Kirchenverfassung
auseinandersetzte, breitet er seine Gedanken zur politischen Theorie aus. Zu
seinen Lebzeiten sind davon die Bücher I-IV (1593) und V (1597) erschienen.
Hooker vertritt einen Gesetzesbegriff, der die Natur als göttliche
Schöpfungsordnung und die von den Menschen selbst geschaffenen weltlichen und
geistlichen Ordnungen umfasst.[3]
1) Biographische Notizen
Richard Hooker wurde im Dorf
Heavitree in der Nähe von Exeter geboren. Durch seinen Mentor John Jewel,
Bischof von Salisbury, wurde Hooker eine Ausbildung am Corpus Christi College
in Oxford ermöglicht. Am 14.8.1579 wurde Hooker zum Priester geweiht. Seine
Heirat mit Jean Churchman, deren Familie dem puritanischen Flügel der Church of
England angehörte, führte zu heftigen ideologischen Auseinandersetzungen. Im
Jahre 1584 wurde Hooker zum Rektor von St. Mary’s Drayton Beauchamp in
Buckinghamshire ernannt. In den folgenden Jahren kann es zu öffentlichen Konflikten
in Glaubensfragen zwischen ihm und Walter Travers, einem führenden Puritaner an
der Temple Church in London.
1585 erschien seine Schrift “A Learned Discourse of Justification, Works,
and how the Foundation of Faith is Overthrown”, in der er
seine Doktrin von Gerechtigkeit durch das Schicksal verteidigte. Er
argumentierte, dass diejenigen, die dies nicht akzeptierten, von Gott gerettet
werden konnten. 1595 wurde Hooker Rektor der Gemeinde von St.Mary in
Bishopbourne in Kent, wo er am 3.11.1600 verstarb.
Sein Denken wurde besonders von Thomas von Aquin und anderen
scholastischen Denker geprägt, die er in einer freisinnigen Manier
interpretierte. Robert K. Faulkner schrieb:[4] „He wrote that minor doctrinal issues were
not issues that damned or saved the soul, but rather frameworks surrounding the
moral and religious life of the believer. He argued there were good monarchies
and bad ones, good democracies and bad ones, and good church hierarchies and
bad ones, what mattered was the piety of the people. At the same time, Hooker
argued that authority was commanded by the Bible and by the traditions of the
early church, but authority was something that had to be based on piety and
reason rather than automatic investiture. This was because authority had to be
obeyed even if it were wrong and needed to be remedied by right reason and the Holy
Spirit.”
2) Politische Anthropologie
Hooker wendet
die christliche Anthropologie, vor allem von Thomas von Aquin ins Politische.
Er bestimmt den Rang und die Stellung des Menschen in der Welt, indem er den
Gedanken aufnimmt, dass alles Geschaffene auf seine erste Ursache zurückweist
und sie als Wirkung widerspiegelt.[5] Die
Wesen streben daher auf ihre Weise, indem sie auf ihre Vervollkommnung
hinwirken, hin zur Teilnahme Gottes selbst. Es existiert eine Vielzahl von
Formen der Vollendung, die der Mensch ersehnt und erstrebt. Die erste Stufe ist
eine allgemeine, die Lebenserhaltung. Alle Wesen streben danach, Gott ähnlich
zu sein durch ein Dasein ohne Ende. Da sie dazu als einzelne nicht imstande
sind, versuchen sie durch Fortpflanzung und Nachkommenschaft fortzubestehen.
Die nächste Stufe des Guten, die jedes Wesen erstrebt, ist die Ähnlichkeit mit
Gott zu erlangen durch die Beständigkeit der Leistung, die zu seiner Gattung
gehört.
Der Mensch,
der in der Vollendung seiner Natur geschaffen ist zum Gleichnis seines
Schöpfers, ähnelt ihm in der Art seines Schaffens. Er ist nicht an die
Notwendigkeit gebunden wie die Naturkräfte, sondern seine Handlungen sind
gefüllt von Wissen und Freiheit. Der Mensch hat die Macht, die Dinge, die er
tut, ungetan zu lassen. Im Willen des Menschen liegt seiner Natur nach die
Freiheit, die ihn befähigt, etwas anzunehmen oder zurückzuweisen.
Hooker
bestimmt damit die Stellung des Menschen, dass der Mensch geschaffen ist zum
Bild und Gleichnis Gottes.[6] Er
interpretiert diese Aussage nach dem Prinzip der Analogie, so dass sich der
Rang des Menschen vor allem Geschaffenen neben ihm abzeichnet. Die Lehre vom
Menschen, die Hooker entwickelt, ergibt als Konsequenz eine Wertung des
Menschen. Der Mensch ist nicht nur das vornehmste Geschöpf in der Welt, sondern
wahrhaft eine Welt in sich.
3) Gemeinsinn als Endziel des
Politischen
Hooker nennt
als Ziel der politischen Ordnung wie Aristoteles und Thomas von Aquin das
Gesamtwohl (common good). Er erwähnt auch die gegenseitige Ergänzung im
Zusammenleben vieler Menschen wie vor allem auch den Schutz gegen Gefahr durch
eine Gesamtordnung. Dabei weist er auf das Zusammenwirken von natürlicher
Neigung und Lebensordnungen für das Entstehen von Gesellschaftsordnungen hin.
Hooker macht
den Gedanken der geistigen Ebenbildlichkeit Gottes und die daraus hervorgehende
Würde des Menschen zur Norm des Politischen. Er nennt die Würde des Menschen
selbst als die erste Ursache, die zum Entstehen politischer Ordnungen geführt
hat. Dieser Zusammenschluss lässt den Menschen erst zu der Art von
Lebensführung gelangen, die er seiner Natur nach sich ersehnt:[7] „Die
Gesetze der Natur, die wir bisher erwähnt haben, binden die Menschen unbedingt,
eben weil sie Menschen sind, auch wenn die keine ständige Gemeinschaft, noch
irgend eine feierliche Vereinbarung darüber, was man tun darf und was nicht.
Doch da wir als einzelne nicht imstande sind, uns auszustatten mit einem
ausreichenden Vorrat von Dingen, wie sie nötig sind zu einem Leben, wie unsere
Natur es verlangt, ein Leben angemessen der Würde des Menschen; so sind wir, um
diese Mängel und Unvollkommenheiten auszugleichen, die uns anhaften, wenn wir
einzeln und allein jeder für sich leben, von der Natur dazu gedrängt,
Verbindung und Gemeinschaft mit anderen zu suchen.“
Kommt es
jedoch zum Zusammenleben der Menschen in einer politischen Ordnung, so ist die
Errichtung einer Herrschaft nicht zu umgehen. Ohne Herrschaft würde die
Verderbnis der menschlichen Natur sich weiter ausbreiten:[8] „Um
all die gegenseitigen Kränkungen, Ungerechtigkeiten abzuwenden, gab es keinen
anderen Weg, als eine Ordnung zu schaffen und eine Übereinkunft miteinander,
indem man eine Art gemeinsamer Leitung einrichtete und indem man sich selbst
ihr unterordnete. (…) Setzt man jedoch die Verderbtheit unserer Natur voraus,
so können wir nicht leugnen, daß das Gesetz der Natur jetzt mit Notwendigkeit
irgendeine Art von Regierung fordert. So daß also der Gedanke, die Dinge in den
Urzustand zurückzuführen und ausdrücklich alle Art von politischer Ordnung in
der Welt beseitigen zu wollen, offenkundig heißt, die Welt in Unordnung
stürzen.“
Hooker zieht
daraus die Konsequenz, dass zwar das Gesetz der Natur irgendeine Form von
Gesellschaftsordnung verlangt, aber die Natur die Wahl der freien Entscheidung
lässt. Wenn einer bestimmten Regierungsform zugestimmt wurde, so geschah dies
nicht aufgrund des Nachdenkens über die Regierungsform, sondern im Vertrauen
auf die Weisheit derer, denen die Herrschaft anvertraut wurde. Er lehnt ausdrücklich
die Ansicht ab, dass es eine Art von natürlichem Recht zur Herrschaft aufgrund
von Adel, Weisheit und Tugend wie eine Veranlagung zur Knechtschaft gäbe.
Hooker erkennt lediglich als Ursprung der Herrschaft die Übereinstimmung der
Menschen oder die außerordendliche Beauftragung durch Gott selbst, dem die
ganze Welt unterworfen ist, an. An vielen Stellen betont er, dass die
Entstehung der Herrschaft und die Entscheidung über die Regierungsform auf der
Zustimmung der Regierten beruhen:[9]
„Daher sind das keine Gesetze, die nicht öffentliche Billigung dazu gemacht
hat. Ihre Billigung geben nicht nur die, welche ihre Zustimmung persönlich
erklären durch Stimmzeichen oder durch einen Akt, sondern auch, wenn es andere
in ihrem Namen tun mit einem Recht, das zumindest ursprünglich von ihnen
abgeleitet ist. Wie auch in Parlamenten, Räten und ähnlichen Versammlungen
unsere Zustimmung vorliegt, auch wenn wir selbst nicht anwesend sind, durch
Vertreter, die in unserem Namen sprechen. Und es ist kein Zweifel, daß das, was
wir durch andere tun, als unsere Tat gilt und uns nicht weniger wirksam bindet,
als wenn wir selbst es als Person getan hätten. In vielen Fällen wird die
Zustimmung gegeben, ohne daß, die es tun, sich darüber im klaren sind, weil die
Art ihrer Zustimmung nicht augenfällig ist.“
Hooker nennt
schließlich das entscheidende Kennzeichen, das eine rechtmäßige, aus der
Zustimmung der Regierten hervorgehende Herrschaft in sich trägt:[10] „Bis
man aus der Erfahrung heraus die Sache als für alle Teile sehr unzuträglich
fand, weil die Einrichtung, die man zuerst für ein Heilmittel gehalten hatte,
die Wunde, die sie heilen sollte, tatsächlich verschlimmerte. Man sah, daß
unter eines Menschen Willen leben die Ursache wurde, für das Elend aller
Menschen. Das drängte sie dazu, sich Gesetzen zu unterwerfen, unter denen alle
Menschen ihre Pflichten im voraus kennen und auch die Strafen, die auf ihre
Übertretung stehen.“
Er wendet auf
die Gesetzgebung das politische Prinzip an, das die Rechtmäßigkeit der
Herrschaft begründet:[11]
„Gesetze haben ihre zwingende Kraft nicht aus der Beschaffenheit derer, die sie
verordnen, sondern aus jener Macht, die ihnen die Gesetzeskraft gibt. Was zuvor
gesagt wurde über die Herrschaft, muß hier angewandt werden auf die
Gesetzgebung. Gott hat diese Macht über alles; und durch das Gesetz der Natur,
dem er alles unterworfen hat, liegt die rechtmäßige Macht, Gesetze zu geben, um
ganze politische Gesellschaften von Menschen zu regieren, recht eigentlich bei
diesen selbständigen Gesellschaften. Will also ein Herrscher oder Machthaber,
welcher Art auch immer auf Erden, diese Macht aus sich heraus ausüben, ohne daß
er sie unmittelbar und persönlich von Gott erhalten hat, oder sie durch
Vollmacht ableitet zuerst aus der Zustimmung der Personen, denen er die Gesetze
auferlegt, dann ist das nicht besser als reine Gewaltherrschaft.“
Richard
Hooker ist nicht als Gegner der Monarchie zu verstehen.[12] Für
ihn ist eine Monarchie durchaus legitim, wenn die Dynastie ohne Widerspruch zur
Herrschaft gekommen ist. Er versteht ihr unangefochtenes Bestehen als
gewohnheitsrechtliche, stillschweigende Zustimmung.
Er begreift
das Verhältnis von Herrschenden und Beherrschten als ein Rechtsverhältnis, wie
es der Vertrag darstellt. Daraus folgert er, dass der Vertrag nicht kündbar ist
ohne Rechtsgrund. Damit bleibt für ihn der Gedanke an einen gewaltsamen
Umsturz, der aus den Wünschen des Volkes kommt, grundsätzlich außer Betracht.
4) Fazit
Die
Unterwerfung der Regierung und der Regierten unter das gemeinsame Gesetz
verwirklicht einerseits das Prinzip, nach dem das Gemeinwohl das Kennzeichen
einer rechtmäßigen Regierung ist. Sie eröffnet zugleich als nicht aufzuhebende
Bedingung der rechtmäßigen Herrschaft den Weg, die der Würde des Menschen
entsprechende Freiheit des Denkens und Handelns in der politischen Ordnung zu
verwirklichen. Hookers Denken beeinflusste sowohl die weitere Entwicklung des
Anglikanismus als auch spätere Staatsphilosophen wie John Locke. Locke zitierte Hooker mehrmals in
seinem Werk “The Second
Treatise of Civil Government”.[13]
5) Literatur
- Faulkner, R. K.: Richard Hooker and the Politics
of a Christian England, London
1981
- Franklin, B. (Hrsg.): Hooker, Richard, Works (Three volumes), London 1970
- Hansen, R.: John Locke, Hamburg 1980
- http://www.exeter-cathedral.org.uk/Clergy/Hooker.html
- Krause, D.:
Englische Geschichte, München 1992
- Livingstone, E.A/Cross, F.L. (Hrsg.): The Oxford Dictionary of the Christian Church, Oxford 1997, S. 789
- Munz, P.: The Place of Hooker in the History of
Thought, Berlin
1971
[1] Thomas Cranmer
(2.7.1489-21.3.1556) war in der Zeit von 1533 bis 1556 Erzbischof von
Canterbury. Im Jahre 1547 brachte Cranmer das Buch „Book of Common Prayer“
heraus, das bis zum heutigen Tage in der anglikanischen Kirche eine große
Bedeutung hat.
[2] Matthew Parker
(6.8.1504-17.5.1575) war einer der Nachfolger Cranmers auf dem Posten des
Erzbischofs von Canterbury (1559-1575). Während seiner Amtszeit kam es zu
Auseinandersetzungen in kirchenpolitischen Fragen mit kalvinistischen
Reformatoren.
[3]Livingstone, E.A/Cross, F.L.
(Hrsg.): The Oxford Dictionary of the Christian
Church, Oxford
1997, S. 789
[4] Faulkner, R. K., Richard Hooker and the Politics of a
Christian England, London
1981, S. 75
[5] http://www.exeter-cathedral.org.uk/Clergy/Hooker.html
[6]Munz, P. The Place of Hooker in
the History of Thought, Berlin
1971
[7]Franklin, B. (Hrsg.): Hooker,
Richard, Works (Three volumes), London
1970, S. 102f
[8] Ebd., S. 105
[9] Ebd., S. 106
[10] Ebd., S. 244
[11] Ebd., S. 246
[12] Krause, D.: Englische
Geschichte, München 1992, S. 253
[13] Hansen, R.: John Locke, Hamburg 1980, S. 25
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