Erschienen in Ausgabe: No 52 (6/2010) | Letzte Änderung: 31.05.10 |
Arthur Moeller van den Bruck (23.4.1876-30.5.1925) war ein deutscher Publizist, der dem völkischen Nationalismus in der Weimarer Republik zugeordnet werden kann. Er gehörte zu den führenden Vertretern der „Konservativen Revolution“ in den 1920er Jahren und gilt als „geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus“.
von Michael Lausberg
Die „Konservative Revolution“ und ihre politischen
Vorstellungen
Die geistig-politische Strömung
der deutschen Rechten formierte sich nach dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem
Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918/19 in Abgrenzung zu der als reaktionär
verachteten Monarchie und ihrer Repräsentanten sowie der verhassten Demokratie.[1] Die
wichtigsten Vertreter der „Konservativen Revolution“ waren Arthur Moeller van
den Bruck, Carl Schmitt, Oswald Spengler, Edgar Julius Jung, Hans Freyer,
Othmar Spann, Ernst Niekisch, Ernst Jünger und Hans Zehrer. Den Versprechen der
Französischen Revolution „Liberté, Egalité, Fraternité“ stellten sie die
Hoffnung auf „alte-neue“ Werte entgegen. In seinem Werk „Das Dritte Reich“ führt
Moeller van den Bruck aus:[2] „Der
Konservative Mensch sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist
notwendiger Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist
erhaltenswert? Aber er sucht auch (...) anzuknüpfen, nicht abzubrechen - wie
der revolutionäre Mensch.“ Das Ziel der „Konservativen Revolution“ war nicht
der Erhalt der bestehenden oder die Wiederbelebung einer früheren Ordnung,
sondern der Sturz der Weimarer Republik, um eine neue Ordnung zu schaffen, die
erst dann konserviert werden könne. Moeller van den Bruck sprach davon: „Dinge
zu schaffen, die zu erhalten sich lohnen.“[3]
Im Mittelpunkt ihrer politischen
Ideologie wird das Politische nicht als demokratischer Gestaltungsraum
betrachtet, sondern als ein Raum von schicksalhaftem Wirken höherer Mächte. Die
„Entzauberung der Welt“ (Max Weber) durch die Säkularisierung und
Rationalisierung zerstöre das vermeintlich Schicksalhafte und Tiefe sowie das
Ursprüngliche und das Eigentliche.[4] Die
Ideen der „Konservativen Revolution“ waren in wesentlichen Teilen irrational.
Ihre Vertreter beriefen sich auf angebliche ewig gültige Normen und Ideale als
sinnstiftend für die Gesellschaft. Edgar Julius Jung erläuterte:[5] „Konservative Revolution nennen wir die
Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der
Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre
Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an
Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte
Gesellschaft.“
Deshalb solle der Mensch wieder
von einer höheren Ordnung wie „Volk“ oder „Nation“ in die Pflicht genommen
werden. Nur wenn der Mensch sich einer höheren Idee und einer großen Politik
für „Volk“ und „Nation“ unterwerfe, fände er die eigenen Wurzeln und seinen
angestammten Platz in der Welt.[6] Die
„Konservative Revolution“ lehnte die objektiven Wissenschaften und die
universalistischen Grundlagen der Lebensverhältnisse für alle Menschen ab.
Liberalismus, Parlamentarismus, Marxismus, Egaliatarismus, und Individualismus
ständen der zu schaffenden homogenen völkischen Nation entgegen und müsse daher
bekämpft werden. Der Sturz der Weimarer Republik konnte ihrer Ansicht nur durch
einen kulturellen Wandel im vorpolitischen Raum erfolgen. Aus diesem Grunde
riefen die „Konservativen Revolutionäre“ Diskussionszirkel und eine Medien in
Leben, um ihre Gedanken einem breiteren bildungsbürgerlichen Publikum
vorzustellen.[7]
Kurt Sontheimer sieht die
Bewegung als „intellektuellen Wegbereiter des Nationalsozialismus“.[8] Zeev
Sternhell setzt die Konservative Revolution und den deutschen Faschismus
gleich:[9] „Die
Konservative Revolution, das war der deutsche Faschismus, gleichzeitig entstand
hier der Nationalsozialismus. Das liegt an der verhängnisvollen Relevanz der
völkischen Definition der Nation.“
Leben und Werk bis 1923
Arthur Moeller van den Bruck
wurde am 23.4.1876 in Solingen geboren.[10] Sein
Vater war königlich-preußischer Baurat, seine Mutter entstammte einer aus
Spanien nach den Niederlanden emigrierten Familie. Dem häufigen Familiennamen
Moeller fügte er den Geburtsnamen seiner Mutter, van den Bruck, an. Er verließ
vorzeitig das Gymnasium in Düsseldorf und siedelte zunächst nach Erfurt, wo er
an der dortigen Universität kunsthistorische Vorlesungen hörte. 1896 siedelte
er nach Berlin über und trat dort mit der Literaturszene (M. Dauthendey, R.
Dehmel, D. v.Liliencron, R. Steiner, F. Wedekind) in Kontakt.1902 verließ Moeller Berlin
und ging nach Paris, um sich dem preußischen Militärdienst zu entziehen. In
Frankreich wendete sich Moeller endgültig der Politik zu. 1907 kam er
freiwillig ins wilhelminische Deutschland zurück und leistete er seinen Dienst
als „Landsturmmann“ und in der „Propagandaabteilung der Obersten Heeresleitung“
ab. Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger.
Bald danach wurde er Mitarbeiter in der Auslandsabteilung der Obersten
Heeresleitung und war in dieser Funktion in der Pressestelle des Auswärtigen
Amtes tätig.
Moeller schien neben diesen
Tätigkeiten noch genügend Zeit für seine publizistischen Ambitionen gefunden
haben. In seinem 1916 erscheinenden Werk „Der preußische Stil“ lobte er
Bismarck, der einen autoritären Staat mit einer außerordentlichen
Führungspersönlichkeit vorgeformt hatte. Preußen sah er als „die größte
kolonisatorische Tat des Deutschtums, wie Deutschland die größte politische Tat
des Preußentums sein wird.“[11]
Diese Abhandlung markierte seine Hinwendung zum Nationalismus. Er sah sich von
nun an als Gegner von Parlamentarismus, Liberalismus und Demokratie.
In seiner Schrift „Das Recht der jungen Völker“, die 1919
veröffentlicht wurde, vertrat er die „nationalen Interessen“ von
Deutschland und Russland als angeblich „junge“ Völker. Er legte damit eine
antiwestliche Staatstheorie vor, in der er „Nationalismus“ und „Sozialismus“
miteinander verknüpfte.[12] Durch
diese Schriften wurde Moeller van den Bruck zu einem der wichtigsten
Theoretiker des „jungkonservativen“ Netzwerkes innerhalb der „Konservativen
Revolution“.
Der von Arthur Moeller van den
Bruck, Hans Roeseler, Max Hildebert Boehm und Heinrich von Gleichen-Rußwurm in
Berlin gegründete „Juni-Klub“ war ein bedeutender Diskussionskreis der
„Jungkonservativen“ in der Weimarer Republik.[13] Der „Juni-Klub“
wurde nach dem Monat der Unterzeichnung des Versailler Vertrages im Juni 1919
benannt. In seinem Buch „Ruf der
Jungen“ spricht Max Hildebert Boehm sogar von einer im Namen enthaltenen
chiffrierten Programmatik. So stehe die Buchstabenfolge für „Juvenum Unio Novum
Imperium“. An den Diskussionsrunden des „Juni-Klubs“ nahmen meist um die
120–150 Mitglieder und geladene Gäste teil. Frauen durften an diesen Veranstaltungen
nicht teilnehmen. Die Mitglieder kamen insbesondere aus Kreisen Intellektueller
und Journalisten, aber auch aus dem Militär, der höheren Beamtenschaft und der
Industrie. Der „Juni-Klub“ stellte einen Diskussionszirkel für die gehobenen
Klassen dar, eine Art Massenpropaganda war nicht erwünscht.
Durch seine vielen
Veröffentlichungen wurde Moeller van den Bruck schnell zur zentralen Figur des „Juni-Klubs“.[14]
Publizistisches Organ war die Wochenzeitschrift „Das Gewissen“. 1922 war Adolf Hitler Gast im „Juni-Klub“,
Moeller van den Bruck äußerte sich jedoch ablehnend über sein fehlendes
intellektuelles Niveau.[15] Der
wohl entscheidende Punkt zur Auflösung des „Juni-Klubs“ war ein
Nervenzusammenbruch Moeller van den Brucks und sein darauf folgender Freitod im
Jahre 1925.
Das Dritte Reich
Im Jahre1923 publizierte Moeller
van den Bruck sein Hauptwerk „Das
Dritte Reich“. Dabei verstand er unter dem „Ersten Reich“ das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“, das
„Zweite Reich“ war das von
Bismarck gegründete deutsche Kaiserreich. Das zukünftige „Dritte Reich“, was er auch als „Endreich“
bezeichnete, gründete auf den „deutschen Nationalismus“:[16] „Der
deutsche Nationalismus ist Streiter für das Endreich. Es ist immer verheißen.
Und es wird niemals erfüllt. Es ist das Vollkommene, das nur im Unvollkommenen
erreicht wird. (…) Es gibt nur Ein Reich, wie es nur eine Kirche gibt. (…) Der
deutsche Nationalismus kämpft für das mögliche Reich. Der deutsche Nationalist
dieser Zeit ist als deutscher Mensch immer noch ein Mystiker, aber als
politischer Mensch ist er Skeptiker geworden. (…) In dieser sinkenden Welt, die
heute die siegreiche ist, sucht er das Deutsche zu retten.“ Der „Reichsgedanke“
ist für Moeller prozesshaft zu verstehen, „im Werdenden, im um uns
Entstehenden“.
Durch Möller van den Bruck fand
der Begriff „Drittes Reich“ Eingang in das Denken der „Konservativen
Revolution“ und die 1920 gegründete NSDAP.
Das „Dritte
Reich“ sollte von einer „sozialaristokratischen Regierung“ geführt werden:[17] „(…)
diese deutsche Führung sollte sich in der dritten Partei sammeln und sollte als
Partei über den Parteien stehen. Nicht in der Konzession an die Mitte konnte
ihre Gestaltung liegen, sondern sie musste von den politischen Rändern her und
ihrer die Mitte zermürbenden Radikalisierung ausgehen, musste wie der
überspringende Funke dort aus dem Hufeisen schlagen, wo sich seine Enden
einander nahebiegen! Diese Führerschicht mit einem konservativ-revolutionären
Sozialismus verbinden hieß eine neue sozialaristokratische Regierung fordern.“
Moeller van den
Bruck forderte die Hinwendung zu einem völkisch nationalen Denken:[18] „Den
Älteren hat man gesagt, daß sie kein Vaterland haben. Die Jüngeren sind schon
soweit, daß sie aufhorchen, wenn man ihnen von einem Vaterland der Väter spricht,
das die Söhne sich erobern müssen, damit es die Enkel besitzen. (…) Es
entspringt körperschaftlichen Gesichtspunkten, die schon eher einer
heimatmäßigen, erd- und volksverwurzelten und irgendwie nationalen
Bindungsempfindung zugänglich machen.“
Sein Werk wurde in Kreisen
rechter Intellektueller in der Weimarer Republik als Pflichtlektüre gelesen; 1931
erschien es bereits in dritter Auflage, was für die damaligen Verhältnisse ein
außerordentlicher publizistischer Erfolg war.
Zentrale politische Aussagen
Moeller van den
Brucks Vorstellungen von einem „deutschen Sozialismus“ leitete sich aus dem
mittelalterlichen Reichsgedanken ab.[19] In
antidemokratischer Manier reduzierte er die politische Entscheidungsgewalt auf
eine kleine Elite, die den „Versailler Schandvertrag“ revidieren sollte. Diese
Gedanken waren in Kreisen der deutschen bildungsbürgerlichen Elite nach dem
Zusammenbruch des Kaiserreiches anschlussfähig.
Als politischer
Gegner dieses völkischen Nationalismus wurden die Ideen der Französischen
Revolution, der demokratische Parlamentarismus, der Liberalismus und der
aufkommende Marxismus gesehen. Weiß stellte fest:[20]
„Moeller und sein Umfeld verstanden sich als Revolutionäre für einen völkischen
Nationalismus. Sie entwickelten den Gedanken einer spezifisch deutschen
Staatsform, die eine Synthese aus moderner Industriegesellschaft und
aristokratischem Obrigkeitsstaat darstellte. Im Mittelpunkt seines Denkens
stand das ‚kommende Reich’ und die Zerstörung der Weimarer Republik.“
Moeller van den
Brucks Werke enthalten rassistische Überzeugungen, die jedoch keinen zentralen
Stellenwert einnehmen.[21] Die
Rezeption der rassistischen Ideen Gobineaus innerhalb des Wagner-Kreises fand
seine Zustimmung. In seinen Briefen an Richard Dehmel, der in der Zeit vor dem
Ersten Weltkrieg als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker galt, im
Jahre 1906 gab es Ansätze einer Auseinandersetzung mit modernen Rassentheorien.
1907 unterzeichnete Moeller van den Bruck den Gründungsaufruf des völkischen
„Werdandi-Bundes“[22], der
sich auf die nordische Schicksalsgöttin Werdandi bezog, gemeinsam mit Houston
Stewart Chamberlain und dem deutschen Herausgeber Gobineaus, Ludwig Schemann.
In seiner ablehnenden Haltung zu Karl Marx und seinem kommunistischen
Gesellschaftsbild zeigte sich ein rigider Antisemitismus:[23]
„Aber prophezeien darf nur, wer zu diesen Teilhaftigen gehört und mit dem
Wachstum der Dinge, die werden wollen, mit den Menschen, in denen es sich
vollzieht, blutlich und geistig eines ist. Marx gehörte nicht zu den Teilhaftigen.
Er war als Jude ein Fremder in Europa.“
Moeller van den
Brucks politische Vorstellungen wurden stark vom deutschen Idealismus und den
philosophischen Schriften Friedrich Nietzsches sowie von den imperialistischen
Zielen des Antisemiten Paul de Lagarde geprägt.[24]
Seine mystischen Neigungen wurden von dem russischen Schriftsteller Dmitri
Mereschkowski befördert.[25] In
seinem Ost-West-Dualismus lehnte Mereschkowski die sich im Westen vollzogene
Aufklärung ab und schwärmte für einen „Osten“ unter Bezug auf das Alte
Testament und mystische Traditionen der ägyptischen Antike. In seinem Werk „Der
Anmarsch des Pöbels“ sprach er sich gegen anarchistische und sozialistische
Tendenzen im zaristischen Russland aus.[26] Mereschkowskis
Nominierung für den Literatur-Nobelpreis soll an seiner öffentlich bekundeten
Unterstützung für Adolf Hitler gescheitert sein. Ein weiterer geistiger Mentor
für Moeller van den Bruck war Dostojewskij. Er stellte fest:[27]
„Dostojewski, erkennen wir, ist der Dichter dieses ganzen Zeitalters. Er ist
der Dichter der Weltrevolution, die über die Erde kam. Er hat sich bereits mit
den Problemen auseinandergesetzt, die zu den Krisen führten, welche wir
erlebten und noch erleben.“
Seine Begeisterung für wichtige
Figuren der russischen Literatur wie Dostojewskij oder Meneschkowski führte dazu, dass Moeller van
den Bruck eine Ausrichtung Deutschlands hin zur Sowjetunion hin forderte.[28]
Dabei ist auszuschließen, dass er in irgendeiner Weise mit der
bolschewistischen Revolution sympathisierte. Diesen Ansatz der Anlehnung an
Osteuropa übernahm der Nationalsozialist und spätere Gründer der rechten DSU in
der BRD, Otto Strasser. Auch der
nationalrevolutionäre Publizist und PolitikerErnst Niekisch
stand dieser Idee nicht ablehnend gegenüber.
Wirkungsgeschichte
nach 1945
Armin Mohler,
selbst ein Vertreter der „Konservativen
Revolution“ und Vordenker der Neuen Rechten, wies in seinem Werk „Die konservative Revolution in Deutschland
1918 bis 1932“[29]
aus dem Jahre 1950 wieder auf den fast in Vergessenheit geratenen Moeller van
den Bruck hin. Viele Vertreter der Neuen Rechten beziehen sich auf Gedanken und
Strategien der Konservativen Revolution. So schrieb der
Verfassungsschutzexperte Armin Pfahl-Traughber:[30] „Die
neue Rechte bezieht sich unmittelbar auf die Theoretiker der Konservativen
Revolution und kann daher als ihr geistiger Erbe in der Gegenwart bezeichnet
werden.“
Das nationalistische
und revanchistische „Ostpreußenblatt“ würdigte Moeller van den Bruck im Jahr
2000 in zwei Artikeln. Entgegen der wissenschaftlichen Forschung wurde darin
festgestellt:[31] „In Moeller einen
Wegbereiter des Nationalsozialismus sehen zu wollen, wäre eine völlige
Verkennung des Sachverhalts.“ Moeller van den Brucks antidemokratische
Vorstellungen seien sogar eine Option für die Gegenwart:[32] „Die
politischen Ereignisse und die daraus folgende weltanschauliche Konditionierung
haben uns den Blick für die Gedanken Moellers heute verstellt. Dabei bieten
seine Ansichten gerade für uns in unserer gegenwärtigen Situation Perspektiven,
die bedenkenswert und sogar richtungweisend sind.“
Die rechte
Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“ bezieht sich in ihrem Selbstverständnis auf
die Ideen der Konservativen Revolution und damit auch auf Moeller van den
Bruck. Die Zeitschrift wurde mehrfach in verschiedenen Verfassungsschutzberichten
erwähnt. Einer der Gründe für diese Einordnung war, dass seit 1992/93 eine
häufige positive Bezugnahme führender Autoren der Jungen Freiheit auf
antidemokratische Autoren der „Konservativen Revolution“ beobachtet wurde.
Helmut Kellershohn sah die
Redakteure der Jungen Freiheit 1994 als „Exponenten einer breiten Strömung im
Übergangsfeld zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus“. 2007
konstatierte er, die Junge Freiheit versuche durch Themenwahl und
Themenbeschreibung bisher als „konservativ“ geltende politische Positionen
allmählich in Richtung eines „völkischen Nationalismus“ zu verschieben und
diesen als konservative Normalität auszugeben.[33]Armin Pfahl-Traughber beschreibt die
Junge Freiheit seit 1999 als Bestandteil der Neuen Rechten, die er als
intellektuellen, heterogenen Teil der extremen Rechten einordnet. Sie strebe
eine „Erosion der Abgrenzung“ zwischen demokratisch-konservativen,
rechtsradikalen und rechtsextremen Positionen an, die rechtsextreme Positionen
aufwerte, sie bekannter mache und so objektiv dazu beitrage, „Konzeptionen
einer populistischen Stimmungsdemokratie mit einem starken Mann an der Spitze
durchzusetzen“.[34]
Seit 1993 führte
die Junge Freiheit jährlich ein mehrtägiges Seminar durch, welches sie als
„Sommeruniversität“ bezeichnete. In den Jahren 1993 und 1994 fanden diese in
Zusammenarbeit mit der Burschenschaft Danubia München, der Freiheitlichen
Studenteninitiative Innsbruck und dem Edgar-Jung-Institut statt und sollten als
„Kristallisationspunkt“ der Lesekreise und der Zusammenführung der
„Lesekreisleiter“ dienen. In ihrer Selbstdarstellung lehnten sie sich bewusst
an die antidemokratische Strömung des historischen Juni-Klubs von Moeller van
den Bruck und seiner „jungkonservativen“ Freunde an:[35] „Nach
dem Vorbild des Politischen Kollegs der zwanziger Jahre bieten Repräsentanten
verschiedener konservativer Richtungen Material für künftige Führungskräfte in
Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.“
1993 warb die
Junge Freiheit Abonnenten mit dem Slogan „Jedes Abo eine konservative
Revolution“.
Literatur
- Breuer, S.:
Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993
- Cremet,
J./Krebs, F./Speit, A.: Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger
der „Neuen Rechten“- Ein Zwischenbericht, Hamburg/Münster 1999
- Das Ostpreußenblatt/Landsmannschaft
Ostpreußen e.V. vom 27.5.2000
- Das
Ostpreußenblatt/Landsmannschaft Ostpreußen e.V. vom 3.6.2000
- Jung, E.J.:
Deutschland und die konservative Revolution, Berlin 1932
- Kellershohn,
H.: Volk, Staat und Nation, in:
Braun, S, Voigt, U. (Hrsg.): Die
Wochenzeitung ‚Junge Freiheit’, Wiesbaden 2007
- Lehnert,
H./Wessel, E.: Nihilismus der Menschenfreundlichkeit. Thomas Manns „Wandlung“
und sein Essay Goethe und Tolstoi, Frankfurt/M. 1991
- Maaß, S.:
Kämpfer um ein drittes Reich. Arthur Moeller van den Bruck und sein Kreis, Kiel
2010
- Mereschkowski,
D.: Der Anmarsch des Pöbels, München/Leipzig 1907
- Mohler, A.: Die konservative Revolution in Deutschland
1918 bis 1932, 6.Auflage, Graz 2005
- Parr, R.: Der „Werdandi-Bund“, in: Handbuch zur
„Völkischen Bewegung“ 1871-1918., München 1996
- Petzold, J.:
Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer
Republik, Köln 1978
- Petzinna, B.: Erziehung zum Deutschen Lebensstil. Ursprung
und Entwicklung des jungkonservativen „Ring“-Kreises 1918–1933, Berlin
2000
-
Pfahl-Traughber, A.: Konservative Revolution und Neue Rechte.
Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat,
Opladen 1998
-
Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus
in der Bundesrepublik, 3. Auflage, München2001
- Ranger, T.:
Geistesgeschichte der Weimarer Republik, München 1992
- Schwarz, H.
(Hrsg.): Arthur Moeller van den Bruck: Der preußische Stil, 3. Auflage, Breslau
1931
- Schwarz, H.
(Hrsg.) Arthur Moeller van den Bruck: Rechenschaft über Rußland, Berlin 1933
- Schwierskott,
H.-J.: Arthur Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der
Weimarer Republik, Göttingen 1962
- Sontheimer,
K.: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 1962
- Stern, F.: Kulturpessimismus als politische Gefahr.
Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Stuttgart 2005
- Weiß, V.:
Thomas Mann, Dmitri Meneschkowski und Arthur Moeller van den Bruck im Kampf
gegen „den Westen“, in: Kauffmann, H./Kellershohn, H./Paul, J. (Hrsg.):
Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analyse rechter Ideologie, Münster
2005, S. 90-122
[1] Cremet, J./Krebs, F./Speit, A.: Jenseits des
Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“-Ein Zwischenbericht,
Hamburg/Münster 1999, S. 22f
[2] Zitiert nach Breuer, S.:
Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993, S, 14
[3] Zitiert nach Ebd.
[4] Cremet/Krebs/Speit,
Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“-Ein
Zwischenbericht, a.a.O., S. 23
[5] Jung,
E.J.: Deutschland und die konservative Revolution, Berlin 1932, S. 380
[6] Cremet/Krebs/Speit,
Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“-Ein
Zwischenbericht, a.a.O., S. 23
[7] Petzold, J.: Wegbereiter des deutschen Faschismus.
Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1978, S. 273f
[8] Sontheimer, K.: Antidemokratisches Denken in der
Weimarer Republik, München 1962, S. 279ff
[9]
Zitiert aus Ranger, T.: Geistesgeschichte der Weimarer Republik, München 1992,
S. 67
[10] Maaß, S.: Kämpfer um ein drittes Reich. Arthur
Moeller van den Bruck und sein Kreis, Kiel 2010 , S. 12ff
[11] Schwarz, H. (Hrsg.): Arthur Moeller van den Bruck:
Der preußische Stil, 3. Auflage, Breslau 1931
[12] Breuer, Anatomie der Konservativen Revolution, a.a.O.,
S. 79
[13] Petzinna, B.: Erziehung zum Deutschen Lebensstil. Ursprung
und Entwicklung des jungkonservativen „Ring“-Kreises 1918–1933, Berlin
2000, S: 16
[14] Weiß, V.: Thomas Mann, Dmitri Meneschkowski und
Arthur Moeller van den Bruck im Kampf gegen „den Westen“, in: Kauffmann,
H./Kellershohn, H./Paul, J. (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt
– Analyse rechter Ideologie, Münster 2005, S. 90-122, hier S. 90
[15] Petzinna, Erziehung zum Deutschen Lebensstil. Ursprung
und Entwicklung des jungkonservativen „Ring“-Kreises 1918–1933, a.a.O.,
S. 79
[16] Schwarz, Arthur Moeller van den Bruck: Das Dritte
Reich, a.a.O., S. 244f
[17] Ebd., S. 13
[18] Ebd., S. 125
[19] Schwierskott, H.-J.:
Arthur Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der
Weimarer Republik, Göttingen 1962, S. 182ff
[20] Weiß, V.: Thomas Mann, Dmitri Meneschkowski und
Arthur Moeller van den Bruck im Kampf gegen „den Westen“, in: Kauffmann,
H./Kellershohn, H./Paul, J. (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt
– Analyse rechter Ideologie, Münster 2005, S. 90-122, hier S. 107
[21] Ebd., S. 91
[22] In dem Aufruf hieß es: „Nur dann vermag die todkranke deutsche Kunst
zu gesunden, wenn die harte Germanenfaust aus völkischen Empfindungswuchten
mythisch-mächtige Walkürenwolken gestaltet und aus düsterem deutschem Gestein
Rolandstatuen edlerer Begrifflichkeiten ahnungsvoll und sagenfreudig erzeugt.“
Zitiert aus Parr, R.: Der
„Werdandi-Bund“, in: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871-1918.,
München 1996.,S. 316-327, hier S. 322
[23] Schwarz, Arthur Moeller
van den Bruck: Das Dritte Reich, a.a.O., S. 38
[24] Weiß, Thomas Mann, Dmitri
Meneschkowski und Arthur Moeller van den Bruck im Kampf gegen „den Westen“, in:
Kauffmann/Kellershohn/Paul, Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analyse
rechter Ideologie, a.a.O., S. 98
[25] Lehnert, H./Wessel, E.: Nihilismus der
Menschenfreundlichkeit. Thomas Manns „Wandlung“ und sein Essay Goethe und
Tolstoi, Frankfurt/M. 1991, S. 61
[26] Mereschkowski, D.: Der
Anmarsch des Pöbels, München/Leipzig 1907
[27] Schwarz, H. (Hrsg.) Arthur Moeller van den Bruck:
Rechenschaft über Rußland, Berlin 1933, S. 45
[28] Weiß, Thomas Mann, Dmitri
Meneschkowski und Arthur Moeller van den Bruck im Kampf gegen „den Westen“, in:
Kauffmann/Kellershohn/Paul, Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt –
Analyse rechter Ideologie, a.a.O., S. 104
[29] Mohler, A.: Die konservative Revolution in Deutschland
1918 bis 1932, 6.Auflage, Graz 2005
[30] Pfahl-Traughber, A.:
Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen
den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998, S.13
[31] Das
Ostpreußenblatt/Landsmannschaft Ostpreußen e.V. vom 27.5.2000
[32] Das
Ostpreußenblatt/Landsmannschaft Ostpreußen e.V. vom 3.6.2000
[33] Kellershohn, H.: Volk, Staat und Nation, in: Braun, S, Voigt, U. (Hrsg.): Die Wochenzeitung 'Junge Freiheit' ,
Wiesbaden 2007, S. 120f
[34] Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, 3. Auflage, München 2001, S. 46f
[35] Zitiert aus: Stern, F.: Kulturpessimismus als politische Gefahr.
Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Stuttgart 2005, S. 164
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