Erschienen in Ausgabe: No 53 (7/2010) | Letzte Änderung: 05.09.11 |
von Otto Löw
Robert
Schumann und seine spätere Frau Clara Wieck mussten lange auf ihre
Hochzeit warten:
sein kommender Schwiegervater verweigerte nicht nur die Erlaubnis dazu,
sondern
er strengte zudem einen langwierigen Prozess gegen die jungen Leute an,
um die Eheschließung
zu verhindern, wobei er nicht davor zurückschreckte, Schumann der
Trunksucht zu
bezichtigen. Nun hatte der erfahrene Klavierpädagoge allerdings seine
Tochter
schon in jungen Jahren zu einer hervorragenden Virtuosin ausgebildet, in
der
Hoffnung, nun aus seinen Bemühungen auch entsprechende wirtschaftliche
Ergebnisse zu erhalten. So manche Auszeichnung war ihr bereits zuteil
geworden,
und bei Robert Schumann bezweifelte er zudem, ob dieser mit seinem
Einkommen
eine Familie ernähren könne. Ganz ohne Ehrungen war zwar auch dieser bis
dahin
nicht geblieben, Ehrenmitgliedschaften in Musikgesellschaften konnte er
sehr
wohl aufweisen, was aber zählte vor dem Gericht?
Clara
Schumann hatte in Jena bereits 1836 in den Rosensälen gastiert. Das
bedeutete nicht
nur, sich beizeiten einen Termin für den Konzertsaal zu besorgen und die
hinzu
gehörige Werbung zu machen, auch eine Clara Wieck musste bei der Polizei
um
eine Erlaubnis für die Veranstaltung nachfragen. Allerdings nahm ihr der
Konzertdiener Götze die Lauferei dafür ab. In dem Programm sucht man
allerdings
vergebens nach einer Komposition von Robert Schumann. Obwohl die
Musikerin noch
Jahrzehnte als Pianistin gefeiert wurde, ist sie nur einmal noch, in der
Nähe
ihres Hochzeitstages 1840, zu einem Konzert nach Jena gekommen.
Robert
Schumann war als Herausgeber der Neuen Zeitschrift für Musik längst mit
dem Diakon
der heutigen Friedenskirche in Jena, Dr. Gustav Adolph Keferstein,
bekannt geworden,
der auch für diese Zeitung ab und zu Artikel schrieb. Nun fragte der
Musiker
bei ihm an, was für Voraussetzungen Ihr eine Promotion in Jena
erforderlich
seien. Er bot auch an. eine Arbeit über Shakespeare und die Musik zu
schreiben.
Aber schließlich landeten in Jena drei bereits veröffentlichte Artikel
über
Chopin und dessen Klavierkonzerte, über ein Denkmal für Beethoven und
ein
mehrteiliger über Hector Berlioz und dessen Phantastische Symphonie,
dazu so
etwas, was man heute polizeiliche Führungszeugnisse nennt und einiges
andere.
Von dem Einreichen des Antrages beim Dekan der Philosophischen Fakultät
bis zum
Absenden der Urkunde mit einer lobenswerten Einschätzung der bisherigen
Leistungen des Musikers sowohl in kompositorischer als auch
musikschriftstellerische Weise, verging nicht mehr als eine Woche, und
bald
konnte dieser erfreut seiner gerade auswärts gastierenden Braut melden,
dass er
nun in Jena Doktor der Philosophie geworden sei. Sogar die Reise nach
Jena
blieb ihm erspart. Es ist den Gerichtsakten nicht im Einzelnen zu
entnehmen,
aber den beiden jungen Menschen wurde entgegen dem Ansinnen des
Brautvaters die
Hochzeitserlaubnis erteilt, so dass sie bald in dem Dorf Schönefeld bei
Leipzig
getraut werden konnten.
Etwas
war allerdings rar solch eine Promotion erforderlich: man musste sich
einig sein
im Senat. Als später Richard Wagner für eine Ehrung vorgeschlagen wurde,
scheiterte alles an der Uneinigkeit.
Nun
waren zum Zeitpunkt von Schumanns Bewerbung die Begebenheiten auch
günstig. Die
Universität wurde von dem Prorektor Ferdinand
Gotthelf Hand (1786-1851) geleitet, Rektor war der jeweilige Herzog
bzw.
Großherzog in Weimar. Hand, von Beruf Professor für griechische Sprache
und
Literatur, hatte auch musikwissenschaftliche Vorlesungen gehalten und
mit
lobenswerter Sorgfalt die Akademischen Konzerte begleitet, seine
akkuraten
Abrechnungen sind noch erhalten: Was das für eine Leistung war, bekam
man in
Jena bald zu spüren. Ferdinand Hand begleitete für längere Zeit die
Prinzessinnen an den Zarenhof, und als er zurückkam, lagen die Konzerte
danieder.
Hand war ein Förderer des Chorwesens, was auch ihm mit
Ehrenmitgliedschaft
gedankt wurde. Seine zweibändige „Ästhetik der Tonkunst“ war vor wenigen
Jahren
noch Gegenstand einer Dissertation.
Im
Senat saß damals zudem Christian Einst
Gottlieb Reinhold (1795-1855), Dekan der philosophischen Fakultät,
ein
Enkel des Dichters Wieland. Bei Reinhold hatte auch der Diakon
Keferstein einst
promoviert, der mit ihm befreundet war.
Hinzu
kamen der Philosoph Karl Friedrich
Bachmann (1786-1855), der Senior der Fakultät und Professor der
Eloquentia Heinrich Karl Abraham Eichstädt
(1772-1848), der Philologe Karl Wilhelm
Göttling (1793-1869) und der Agrarwissenschaftler Friedrich
Gottlob Schulze (1795-1860). Bekannt sind vor allem durch
ihren Einfluss auf die Studentenbewegung und das Burschenschaftswesen Jakob Friedrich Fries (1773-1843) und Heinrich
Luden (1778-1847). Am Ende der
Liste steht der Name Johann Wolfgang Döbereiner
(1780-1949), der eigentlich gar keinen rechten Schulunterricht genossen
haue
und das Wohlwollen sowohl des Herzogs als auch Goethes genoss. Er hätte
zumindest mit seiner weittragenden Erfindung, der Katalyse, die heute
manchen
chemischen Industriezweig beherrscht, einiges verdienen können, allein
er war
der Meinung, dass Forschungsergebnisse wie die seinen der Allgemeinheit
zum
Nutzen zu sein hätten. Das „Platinfeuerzeug“ war vor einiger Zeit sogar
als
Souvenir zu haben. Döbereiner hat viel mehr auf die Beine gestellt, so
entdeckte er, dass bei der Oxydation von Zucker oder Weinsäure
Ameisensäure
entsteht. Und für das heutige Periodensystem der Elemente entwickelte er
die Triadenregel
als Vorstufe.
Im
Tagebuch von Robert Schumann findet man eine Eintragung, dass er von
einer
Geldanlage einiges abgehoben hat, eben zur Begleichung der
Promotionsgelder in
Jena. Diese wurden, außer für den Druck der Urkunden und die
Postgebühren an
die Unterzeichneten aufgeteilt und stellten einen nicht unwesentlichen
Teil
ihrer Einnahmen dar, was übrigens zur Folge hatte, dass man nicht
sonderlich lange
diese Ämter bekleiden, allerdings später nochmals gewählt werden konnte.
Selbst
in neuen Ausgaben von Büchern über Robert Schumann von namhaften Autoren
findet
man auch heute noch nicht selten die Behauptung, dass es sich um eine
Ehrenpromotion
gehandelt habe. Derlei ist durchaus ebenso lange längst zurückgewiesen
worden,
aber anscheinend unausrottbar. Es wäre schon etwas eigentümlich gewesen,
wenn
für eine Ehrenpromotion Gebühren fällig geworden wären, aber Schumann
hat
solche bezahlt. Abgesehen davon ist der Text der Urkunde eindeutig. Die
späteren Musikerehrungen der Universität zu Jena machten die
Auserwählten
allerdings wirklich zu Ehrendoktoren, angefangen von Giacomo Meyerbeer,
dessen
Musik zur Zeit der Auszeichnung in Jena allerdings längst mehrfach im
Konzertprogramm zu finden war, bis zu Wilhelm Stade, Hans von Bülow und
manchen
anderen, schließlich 1908 an den vergleichsweise jungen Max Reger, der
dafür im
ersten Weltkrieg bis zu seinem Tod kostenlos die Akademischen Konzerte
am Leben
erhalten hat, als Pianist mitwirkte und sich nicht zu schade dazu war,
vorher
an der Kasse zu sitzen. Bei einer dieser Veranstaltungen in den
Rosensälen hat
er mit seinein Freund. dem Gewandhauscellisten Julius Klengel die Stücke
im
Volkston von Robert Schumann gespielt, aber vorher hatte Reger schon mit
dem
Böhmischen Quartett Schumanns Klavierquintett Es-Dur op. 44 ans 6.
Februar 1911
in den Rosensälen dargeboten.
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