Erschienen in Ausgabe: No 53 (7/2010) | Letzte Änderung: 29.06.10 |
Markus Lüpertz gestaltete für die Kölner Dominikanerkirche Sankt Andreas zwölf Fenster
von Constantin Graf von Hoensbroech
Seit Jahrhunderten ist für Kunst und
Kunstwerke einerseits sowie für Glaube und Theologie andererseits die Dimension
des Lichts von außerordentlicher Bedeutung. Das gilt in herausragender Weise
für die Fenster eines Kirchenraumes, denen sowohl in künstlerischer wie auch in
geistlicher Hinsicht immer schon bei dieser Korrelation von Kunst und Glaube,
Erde und Himmel, Göttlichkeit und Menschlichkeit besondere Aufmerksamkeit
zukommt. Die Art und Weise sowie die Wirkung, wie Licht durch Kirchenfenster
einfällt und gebrochen wird, mehr noch die suggestive Kraft und Inspiration im
Zusammenspiel von Licht, Fenstern und Farben sind bis heute konstitutiv für den
geistlich-geistigen Eindruck eines Kirchenraumes und dessen Wirkung auf das individuelle Glaubensbewusstsein.
In der Kölner Kirche Sankt Andreas ist dieser
Symbiose von Kunst und Glaube am vergangenen Wochenende nun ein neues, Aufsehen
erregendes Beispiel hinzugefügt worden. Erstmals seit den Zerstörungen durch
den Zweiten Weltkrieg ist der vordere Innenraum der berühmten romanischen
Kirche wieder vollständig in farbiges Licht getaucht. Neben den Fenstern aus
dem 19. und 20. Jahrhundert im Hochchor wurden die Chöre rechts und links des
Hochaltars, der sogenannte Machabäer-Chor sowie der Marien-Chor, in den
vergangenen Jahren mit zwölf zwei- und dreibahnigen farbigen Fenstern von
Markus Lüpertz gestaltet. Lüpertz, der als einer der bedeutendsten Künstler der
Gegenwart gilt, hat dabei in ganz eigener Stilsprache ein Bildprogramm
geschaffen, das sich einerseits mit der Leidensgeschichte der vorchristlichen
sieben heiligen Machabäerbrüder und ihrer Mutter Salomone auseinandersetzt und
sich andererseits mit bestimmten theologische Aussagen des Mittelalters
befasst.
Kölns Erzbischof Joachim Kardinal Meisner, der die
Fenster während der vornehmen liturgischen Feier einer Pontifikalsext segnete,
erinnerte in seiner Homilie an die kosmische Dimension eines Kirchengebäudes.
„Alles in und an ihm hat dem zu dienen.“ Dies zeige sich in hervorragender
Weise in den Fenstern, die den Kirchenraum erhellen und ihn entscheidend
prägen. Der Erzbischof erinnerte an in diesem Zusammenhang an die Symbolik des
Lichts, die bereits zu Beginn des biblischen Schöpfungsberichts stehe und so
erst menschliches Leben möglich mache. Licht, Farbe, Dynamik, Energie kündeten
vom himmlischen Jerusalem und machten den Innenraum der Kirche zu einer „Aula
Dei“. Meisner wörtlich: „Ich bin sehr dankbar, dass wir in den Fenstern von
Markus Lüpertz Lichtspender erhalten, die uns vom himmlischen Jerusalem künden
und St. Andreas so noch mehr zu einer Aula Dei wird.“
In der Tat ist Sankt Andreas eine besondere und
geschichtsträchtige Halle Gottes. Die seit 1947 vom Dominikanerorden verwaltete
Kirche besticht durch ihre reiche Bauplastik der rheinischen Spätromanik sowie
durch ihre umfangreiche, vor allem spätgotische Ausstattung. Der wunderbare Bau
im Herzen Kölns und nur einen Steinwurf vom Dom entfernt beherbergt außerdem
die Reliquien der Machabäerbrüder und ihrer Mutter, die mit den Gebeinen der
Heiligen Drei Könige im Mittelalter nach Köln gekommen sind. Außerdem ist in
der Krypta der ehemaligen Herrenstiftskirche der heilige Albertus Magnus
begraben. 1980 betete Papst Johannes Paul II. am Grab des berühmten
Universalgelehrten aus dem Mittelalter. Es ist eine Kirche, in der die
verschiedenen Epochen ihre deutlichen Spuren hinterlassen haben
In diesen Kirchenraum hat Lüpertz nun seine
Fenster gesetzt – und die Spur des 21. Jahrhunderts eingewoben. Die Gestaltung
der Fenster lädt die Besucher ein, besser: fordert sie geradezu heraus, sich
mit neben der oberflächlichen Betrachtung mit der spirituellen Tiefe des
Bildprogramms zu befassen. „Schöpfung“ und Erlösung“ lauten die wesentlichen
Themen. Im Machabäer-Chor greift der tiefgläubige Künstler das Martyrium der
Machabäer auf und stellt es in Parallelität zur Leidensgeschichte Jesu. In
einem Fenster erscheinen die Schnittwunden wie Rosenblüten – die Verheißung der
Erlösung ist dem Leid eingestaltet. Im Marien-Chor setzt sich Lüpertz mit
Lehrsätzen des heiligen Albert auseinander, die zu einer christlichen
Lebensführung aufrufen. Gerade weil die Betrachter so in einen Beziehung zum
Himmel gesetzt werden, kommt diesem Zyklus, wie Kardinal Meisner betonte,
höchste pastorale Bedeutung zu. „Lüpertz zeigt durch seine Fenster die Welt
Gottes und lässt uns die Ewigkeit berühren.“
Und Lüpertz selbst?
Der 69-Jährige Maler und Bildhauer nannte es einen der schönsten und
beglückendsten Momente für einen Künstler, mit dem Licht zu malen“. Für den in
jungen Jahren zum Katholizismus konvertierten Künstler ist es - wie eigentlich
nach seiner Meinung für jeden Künstler - ein Höhepunkt, in einer Kirche
arbeiten zu dürfen. Die Kirche sei ein kunstbewahrender Ort, der die Tradition
bewahrt. Hier müssten Entscheidungen getroffen werden, die dauerhaft Bestand
hätten, Kunst ließe sich in einer Kirche nicht wie in einem Museum einfach um-
oder abhängen. „Natürlich sind meine Fenster zeitgenössische Kunst, aber sie
sind entstanden in der Auseinandersetzung mit und in der Erfahrung von
Tradition.“ In dieser Tradition wolle er seinen eigenen Beitrag leisten. Dazu
gehört eben auch das Verständnis, dass das Kunstwerk eines Künstlers in der
Kirche eben auch als Gebet zu verstehen sei. „Verstehen Sie meine Fenster in
dieser Tradition.“
Traditionell ist auch die Fertigung der Fenster in
Bleiverglasung. Die Kosten des Projekts - Lüpertz selbst verzichtet auf
eine finanzielle Honorierung - gibt der Förderverein Romanische Kirchen Köln
mit rund einer Million Euro an. Finanziert wurde es durch Spenden. Der seit 29
Jahren bestehende Verein ist damit erstmals in seiner bisherigen Geschichte als
Projektträger aufgetreten. Vereinsvorsitzender Helmut Haumann erinnerte an die
verschiedenen Etappen der Realisierung. Entscheidend für die endgültige
Projektierung unter dem Titel „Kirchenfenster für die Ewigkeit“ sei gewesen,
dass ein vor etwa vier Jahren ein von Lüpertz erstelltes Musterfenster bei
seiner Präsentation große Begeisterung und Zustimmung ausgelöst habe. „Nun
haben wir tatsächlich Kirchenfenster für die Ewigkeit, zur Ehre Gottes und zur
Freude der Menschen.“
Pater Christoph Wekenborg, Rector ecclesiae der
Dominikanerkirche Sankt Andreas, ist überzeugt davon, dass die Schönheit des
Kirchenraums durch die neuen Fenster noch mehr an Anziehungskraft gewonnen hat.
Gleichwohl betont er: „St. Andreas ist aber kein musealer Ort, sondern eine
Stätte gelebten Glaubens.“ In diesem Sinne laden die Kirchenfenster zu Fenster
ein zu Rekreation, Meditation, Inspiration. Ob das „heilige Köln um ein
Heiligtum reicher geworden ist“, wie Kardinal Meisner dieses bedeutende
Kunstwerk adelte, bleibt indes abzuwarten.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.