Erschienen in Ausgabe: No 54 (8/2010) | Letzte Änderung: 31.07.10 |
von Andreas Artmann
Mit in weniger als 60 Tagen zwei Millionen verkaufter iPads
hat der amerikanische Technologie-Konzern Apple einen Launch geschafft, den
selbst die verwegensten Analysten nicht für möglich gehalten hätten. 67,2
Prozent der im dpa/ots-Medientrendmonitor befragten Journalisten glauben „Zahlreiche
heutige Tageszeitungen werden zukünftig nicht mehr erscheinen“ und 54 Prozent
kreuzten an „Print wird drastisch an Bedeutung verlieren“.
Laut einer Studie von Ears and Eyes im Auftrag
der ING Investment Management Germany erklärten 37 Prozent der befragten
Deutschen, Zeitungen und Bücher künftig nur noch am Bildschirm lesen zu wollen.
„Die Hauptargumente für die elektronische Lektüre sind einfache Handhabung und
Flexibilität.“ Noch führen Männer mit 45 Prozent deutlich vor den 28 Prozent
Frauen als Fans digitalen Lesens.
Madi Solomon, Director of Global Content
Standards, Pearson, über die Financial Times: „In fünf Jahren
wird das gedruckte Produkt nur noch einen marginalen Anteil haben.“
Mobiles Betriebssystem
Welches
Mobil-Betriebssystem wird in Zukunft die Nase vorn haben? Laut den
US-Marktforschern von The NPD rangiert in den USA RIM OS (Blackberry) mit 36
Prozent Marktanteil vor Android mit 28 Prozent (z. B. Motorola, Google) und
Apples OS mit 21Prozent. Der Hype um das iPad und das neue iPhone 4
werden Apple sicher weiter nach vorne bringen, aber auch für Android öffnet das
iPad als First Mover den Markt. Smartphones warten mit einen Marktanteil von
10 Prozent und einem Wachstum von 25 Prozent auf. Die Displays der neuesten
Generation (z. B. iPhone 4 oder Motorola ) erlauben ein sauberes Schriftbild
und hohe Lesbarkeit.
Dr. Thomas Schnieders, Direktor Neue Medien bei Otto:
„Wer zukünftig medial integrierte M-Commerce-Erlebnisse auf Smartphones
anbietet und mobilen Mehrwert für seine Kunden generiert, ist klar im Vorteil.“
Soziale Netze
Werden Medienunternehmen
in Zukunft verstärkt mit sozialen Netzwerken konkurrieren? Geräte wie das iPad
eignen sich hervorragend zur Nutzung dieser Services. Die Nutzungsdauer hier
stieg laut Nielsen um mehr als 100 Prozent verglichen mit den globalen Daten
vom März 2009. Diese Zeit, fehlt den Verlagen für ihre Inhalte.
Zahlen: Facebook und Twitter gewinnen in den USA
69 bzw. 45 Prozent dazu.
Nielsen zu Facebook: „Rund 12 Millionen
Personen, die das Internet im März von zu Hause oder auf der Arbeit nutzten,
besuchten mindestens einmal die Internetcommunity. Das sind knapp 200 Prozent
mehr Besucher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.“
Rangliste in Deutschland laut Nielsen (Mai
2010):
1. Facebook 12
Millionen
2. Stayfriends 7 Millionen
3. Wer-kennt-wen
6,1 Millionen
twitter news
Ist twitter überhaupt
ein soziales Netzwerk? Der twitter-Dienst liegt in der Nielsen-Statistik auf
dem 9. Rang mit 2,3 Millionen Nutzern. Nur 22 Prozent der Nutzer folgen sich
gegenseitig. „Wissenschaftler des koreanischen Forschungszentrums Kaist sehen
Twitter als Nachrichtenmedium und nicht als soziales Netzwerk“, so der Standard
aus Österreich. Laut Kaist wird der Dienst benutzt, um relevante
Informationen zu bekommen und weiterzuleiten.
Sehr einprägsam fasste Ebay-Deutschland-Chef Stephan
Zoll gegenüber der FAZ das Phänomen der sozialen Netzwerke zusammen: „Denn
wer heute Facebook nutzt, wird es auch in zehn Jahren noch tun und spätestens
dann ein relevanter Käufer sein. Wir haben an dieser Stelle keine Zeit zu
verlieren. Der Wandel zum Social Commerce ist grundlegend – und kommt sehr
schnell.“
Der Test
Vor diesem Hintergrund
haben wir das iPad vierzehn Tage getestet. Wir haben Profis wie den
Apple-Pressesprecher Georg Albrecht, Dirk Neubauer von Evolver und den
dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner befragt. Wir haben in Foren geschaut und
nachgehört, wie Laien auf das Gerät reagieren und wie sie es nutzen.
Reaktionen: Weder
Kinder noch alte Menschen hatten Probleme, das Gerät zu verstehen oder zu
bedienen.
Unter Jugendlichen ist es ein großes Thema und wird im Weihnachtsgeschäft
wahrscheinlich Nintendo und ähnlichen Marktanteile abnehmen können. In vielen
Foren wurde die Möglichkeit diskutiert, die Prä-Internet-Generation per iPad an
das Medium heranzuführen. Reaktion der Profis: Der Redakteur der Zukunft wird
ein Regisseur sein, die optische Aufbereitung der Tablett-Inhalte wird den
Erfolg bestimmen. Aus dem Redakteur wird ein Multi-Chanel-Experte mit dem
Schwerpunkt auf der journalistischen Kompetenz.
Die Zeitungen
Wir schauten uns zehn
Titel auf dem iPad an (siehe Tabelle im Anhang). Grundsätzlich gibt es drei
Nutzungsvarianten: EPUB-, PDF- oder Web-basiert. Unter den Web-basierten sind USA-Today
und The New York Times herausragend. Beide haben soziale Netzwerke
erfolgreich integriert. Das ist besonders wichtig, wenn die Reichweiten-Erhöhung
im Mittelpunkt steht. Die Berliner taz geht den Vertriebsweg über den
iBook-Store und erscheint als tägliches eBook. Rein PDF-basierte Zeitungen
funktionieren wohl nur im Boulevardbereich, denn bei großen Textmengen ist hier
dem Textfluss kaum zu folgen. Der TA aus der Schweiz hat Live-TV
erfolgreich in seine App eingebunden. Die Welt bietet vier
Aktualisierungen täglich – läuft allerdings damit Gefahr, mit der eigenen
Website verglichen zu werden.
Das Erfolgsmodell
Viele Zeitungsmodelle
setzen auf Gratisangebote und möchten diese zu einem späteren Zeitpunkt in
Abonnements ummünzen. Die USA Today plante zunächst ihren iPad-Dienst für
90 Tage kostenlos anzubieten. Nach über 580.000 Downloads der Apps (laut
Ganett) und den damit erzielten Reichweiten- und Anzeigengewinnen soll die App
weiterhin kostenfrei angeboten werden. Die erste Phase buchte die Hotelkette
Marriott exklusiv. USA Today Verleger David Hunke gegenüber der
US-Branchendienst AdAge: „Das erzeugt so viele Klicks und wir haben eine
so große Anzeigen-Nachfrage dafür, dass es eine sehr schlechte Geschäftsentscheidung
wäre, gerade jetzt eine Bezahlmauer aufzuziehen.“
Die Mehrzahl der Magazine setzt auf ein
kostenloses Probeexemplar und einen Einzelverkauf der Ausgaben mit der Möglichkeit
von Abonnements.
Die Magazine
Zehn Titel auf dem iPad
(siehe Tabelle). Time Magazine und Wired sind hier die Maßstäbe.
Manko bei Wired: Die Datei ist so groß, dass die UMTS-iPad-Variante empfahl,
auf die nächste WLAN-Verbindung zu warten. Wichtig scheint vielen Anbietern zu
sein, die Videos von Werbekunden einzubinden. Anmeldehürden: Der Spiegel
zum Beispiel möchte wissen, wer den Spiegel liest und zwingt den Nutzer
zur Registrierung. Ein Muster, das alle Verlage wählen, die in ihrer App einen
eigenen Kiosk anbieten. Während Wired im deutschsprachigen iTunes-Store
Bestnoten bekommt, hagelt es in den USA Kritik, das Magazin wird als „PDF mit
einigen Zusatzfunktionen“ wahrgenommen, so Informations-Architekt Mirko Lorenz.
Wired bietet in der Juni-iPad-Variante einen exklusiven Pixar-Kurzfilm,
eine interaktive Marskarte, dazu zwei Video-Bonus Geschichten und größere
Bildgalerien.
Der Kiosk
Apples iBookStore ist
derzeit noch nicht so ausgereift wie iTunes. Der Nutzer muss schon genau
wissen, was er sucht, um fündig zu werden. Ein Problem, das auch die Apps
betrifft. Die Anwendung „Press-Reader“ verschafft dem Kunden den Zugriff auf
hunderte von Titeln im PDF-Format, darunter neben globalen Anbietern auch die Deggendorfer
Zeitung, RP und den Kicker. Die Bild- und Weltgruppe
ist mit einem PDF-Kiosk vertreten. Die Welt-App allerdings schlägt die
PDF-Variante der Welt bei weitem. Wir betrachteten sechs Apps (siehe Tabelle).
Beschränkungen:
In einer globalisierten Welt werden kulturelle Unterschiede zu Hürden. Während
in der USA die Machwerke Hitlers offen gehandelt werden, muss sich in der Bild
das Mädel von der ersten Seite im iTunes-Store bedeckt halten. In Japan
erscheinen Manga-Comics, die in Europa glatt unter Kinderpornografie fallen würden.
Zusammenfassung
Was bringt das iPad?
Zeitungen und Magazine bedürfen begleitender Marketing-Maßnahmen. Das BMW-Magazine
zum Beispiel ist bei iTunes als „BMW-Magazin“ ohne „e“ nicht zu
finden. Die Suchfunktionen hier sind nicht fehlertolerant. Manche Anbieter
rangieren unter News. Hier stellen sich Zeitungen und Magazine der Konkurrenz
von TV-Sendern. Bei einigen Anbietern sind Service- oder Homepages falsch oder
mangelhaft verlinkt. Vieles ist noch mit der heißen Nadel gestrickt. Das iPad
und ähnliche Geräte sind optische Medien. Die Währung im Internet ist
Aufmerksamkeit. Hier liegt Chance und Risiko des iPads, denn die Verlage
konkurrieren mit Netzwerken, TV-, Spiel- und Musikproduzenten um die begrenzten
Zeitfenster der Nutzer.
Analyse
Wofür wird der Kunde der
Zukunft zahlen? Auf jeden Fall für iPads, laut einer Studie der Hamburger
Statista. Zur Markteinführung des iPads ist 2010 ein Absatz für Deutschland von
500.000 Geräten prognostiziert. Entwicklungen wie YouTube und Google zeigen,
man kann Trends nicht durch Hinterherrennen einholen. Für Infotainment und
digitale Unterhaltung wird der Nutzer der Zukunft zahlen. Internet-Inhalte und
Nachrichten werden wohl weiterhin kostenlos bleiben müssen. Gezielte, optisch
ansprechende (Fach-) Informationen können Einnahmen generieren, das lebt die
Stiftung Warentest mit den werbefreien Zeitschriften Test und Finanztest und
den hieraus erstellten Crossmedia-Produkten vor. Die technische Voraussetzung,
um hier erfolgreich zu sein: Eine strikt medienneutrale Datenhaltung mit
crossmedialer Ausrichtung, um alle Vertriebskanäle bedienen zu können. Von den
Verlagen ist Fantasie und Mut zum Risiko gefragt und die genaue Analyse der Kundenwünsche.
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