Erschienen in Ausgabe: No 56 (10/2010) | Letzte Änderung: 27.09.10 |
von Constantin Graf von Hoensbroech
Versorgung und Entsorgung, Infrastruktur,
Lebensqualität, Energie und Lebensmittel, Mobilität, Wasser und Nahrungsmittel und
vieles andere mehr - in keinem anderen Zusammenhang stellen sich die Aspekte
des alltäglichen Lebensvollzugs derart verdichtet dar wie im Kontext der Stadt.
Dabei werden die Fragen nach der künftigen Ausgestaltung dieser Aspekte immer
drängender und die Antworten immer notwendiger, um die ökonomische, soziale und
ökologische Ausgewogenheit des menschlichen Zusammenlebens - gerade in den
Städten - dauerhaft zu gewährleisten und zu gestalten. Gegenwärtig stellen fast
200 Länder auf der Weltausstellung in Shanghai unter dem Motto „Better City,
better Life“ ihre Ansätze und Vorschläge für die aktuellen und kommenden urbanen
Herausforderungen vor.
Dabei lässt sich die Schau in China durchaus
einreihen in die Jahrtausende alten Überlegungen und Visionen über die ideale
Stadt sowie die darin lebende Gesellschaft. Nicht nur das Modell der
griechischen Polis ist hier zu erwähnen, sondern auch Werke wie „de civitate
Dei“ des heiligen Augustinus (fünftes Jahrhundert) oder etwa der epochale
philosophische Dialog über den Inselstaat „Utopia“, den der Heilige und
Märtyrer Thomas Morus im Jahr 1516 veröffentlichte. Prominente Beispiele aus
der Moderne sind etwa die berühmte Bauhaus-Schule in Dessau, die Errichtung von
Brasilia durch Oscar Niemeyer oder auch Stadtplaner wie der Frankfurter
Architekt Albert Speer, der gegenwärtig in China neue Großstädte konzipiert
sowie einen städtebaulichen Masterplan für die Kölner Innenstadt erarbeitet
hat. Und in zehn Jahren soll im Emirat Abu Dhabi mitten in der Wüste die von
Norman Foster geplante erste emissionsfreie Stadt der Welt, Masdar City, stehen.
„Zu einer der wichtigsten Aufgaben der Stadtplanung
gehört es angesichts von Urbanisierungsdruck und Stadtneugründungen, die
entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit den Menschen in den Städten
langfristig nicht nur die notwendige Versorgungssicherheit, sondern eben auch
Identität und Individualität gegeben werden kann“, erklärt Albert Speer und ergänzt: „Dabei geht es beispielsweise um flexible Räume
oder auch die vitale Mischung verschiedener Funktionen auf engem Raum.“ Nach
Ansicht des Baumeisters sei es aber umso wichtiger, dass diese Aspekte von
weltweiter Relevanz nachhaltig und in konzentrierten Foren wie beispielsweise
der ab Herbst kommenden Jahres stattfindenden Kölner Messeveranstaltung „UrbanTec“
zusammengeführt werden.
Auch Wissenschaft und Forschung sind
herausgefordert und befassen sich teilweise schon seit Langem sehr intensiv mit
sozialgeographischen und urbanen Entwicklungen. Am Energiewirtschaftlichen
Institut (EWI) an der Universität zu Köln beispielsweise werden diese
Fragestellungen und die damit verbundenen Herausforderungen mit erhöhter
Aufmerksamkeit beobachtet - schließlich bietet sich die renommierte Einrichtung
bezüglich der energieökonomischen Aspekte als kompetenter Ansprechpartner an.
Direktor Professor Marc Oliver Bettzüge hofft dabei ebenfalls auf Formate wie
die „UrbanTec“: „Gerne unterstütze ich, dass
die Konferenz ein bedeutsames Zukunftsthema besetzt, das weltweit von wachsender
Bedeutung ist. Auch denke ich, dass Deutschland ein hervorragender Standort
ist, da uns ja weltweit eine führende Kompetenz im Bereich Energie- und
Umwelttechnik zugesprochen wird.“ Nicht nur in Deutschland warten die
Verbraucher mit Spannung auf das neue Energiekonzept der Bundesregierung.
Die herausfordernde These, dass bessere Städte auch
besseres Leben bedeuten, wie es beispielsweise die EXPO 2010 präjudiziert, wird
darüber hinaus noch beim Blick auf die weltweit zu beobachtenden klimatischen
Veränderungen signifikant. Die Zunahme natürlicher Katastrophen wie Dürre oder
Überschwemmungen treiben weitere Millionen Menschen in die Städte: Die
wachsende Urbanisierung verlangt nach belastbaren und tragfähigen Modellen für
die künftige Stadtentwicklung, nach nachhaltigen Konzepten beispielsweise für
die Energiebereitstellung- und Versorgung, nach technischen Innovationen für
die Ver- und Entsorgung. Eine Plattform hierfür wird die neue Technologiemesse
der Koelnmesse ab Herbst 2011 sein.
„Urban Tec: Smart Technologies for better cities“
ist diese exportorientierte Leistungsschau der deutschen und europäischen
Industrie überschrieben. In den drei Feldern „Ausstellung“, „Kongress“ sowie „Demonstrationsfeld“
geht es dann um die Darstellung von Technologien und Entwicklungen, die das
Leben in bestehenden, wachsenden und neu zur errichtenden Ballungsgebieten,
Großstädten und Megacities verbessern sollen. Ihr habt die Städte, wir das
Wissen - so lässt sich möglicherweise in verknappter Form das Konzept dieser Messeveranstaltung
zusammenfassen, mit der sich die Koelnmesse insbesondere auch an Planer,
Unternehmen vor Ort sowie politische und administrative Entscheidungsträger aus
führenden Industriestaaten und Schwellenländern wendet, in denen der
Urbanisierungsdruck immer größer wird.
Die Koelnmesse erhofft sich natürlich auch deshalb
einen Erfolg für diese neue Schau, weil ihr die Thematik der aktuellen
Weltausstellung bereits im Vorfeld ein prominentes internationales Forum schafft.
Eigentlich sind die Themen des Messemarktes ausgereizt, der Wettbewerb- zumal in Deutschland, weltweit nach wie vor
als Messestandort führend - besteht oftmals vor allem darin, sich die ökonomisch
bedeutenden Messeveranstaltungen gegenseitig abzuwerben. Dabei liegt es
eigentlich auf der Hand, das existenzielle Thema der urbanen Herausforderungen
sowie die Suche nach der „Stadt im Gleichgewicht“ (Motto des deutschen
Pavillons in Shanghai) in ein Messeformat zu kleiden., wie allein schon einige
Zahlen unterstreichen: Lebten Anfang des 19. Jahrhunderts noch etwa 97 Prozent
der Menschen auf dem land, so sind es heute mehr als die Hälfte, die in Städten
sind. Tendenz steigend. Experten rechnen mit einer Zunahme der Stadtbevölkerung
um 25 Prozent bis zum Jahr 2050. Laut Vereinten Nationen leben dann Dreiviertel
der Weltbevölkerung, in absoluten Zahlen: etwa 6,7 Milliarden Menschen, in
Städten oder Megacities. Der Zug in die Stadt wird auch daran deutlich, dass
gegenwärtig pro Woche rund eine Million Menschen in afrikanische oder
asiatische Großstädte abwandern. Allein in China mit so vielen gewaltigen
Städten neben denen sich deutsche Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München
wie deren Vororte ausnehmen, werden in den kommenden Jahren rund 350 Millionen
Menschen in Städte abwandern, die teilweise noch gebaut werden müssen.
Dass es bei der Herausforderung der Verstädterung neben
so wichtigen Fragen wie möglicher innerstädtischer Anbaustrategien für die
Landwirtschaft oder effizienter Systeme für die Kanalisation auch noch andere
herausragende Aspekte gibt, macht der renommierte Sozialwissenschaftler
Wolfgang Ockenfels deutlich. „Die weltweite Urbanisierung zieht Probleme nach
sich, die nicht allein technisch zu lösen sind. Es entstehen auch hierzulande
immer neue Konfliktfelder der sozialen, kulturellen und religiösen Art. Der
Zusammenprall der Kulturen findet in den wachsenden Großstädten statt“, so der
Dominikanerpater. Ockenfels, Lehrstuhlinhaber für
Christliche Gesellschaftswissenschaften an der Universität Trier, , unterstreicht
in diesem Zusammenhang daher die große Herausforderung, der sich aus seiner
Sicht die christlichen Kirchen immer deutlicher werden stellen müssen: „Was wir
dringend brauchen ist eine humane Kultur der Solidarität, besonders mit den
Hilfsbedürftigen. Nötig ist aber auch die Bereitschaft der Immigranten, sich an
die allgemeine Rechtsordnung zu halten und die Mehrheitskultur zu respektieren.
Die Stadt ist kein rechtsfreier Raum, und wir sollten die Entstehung von Slums
und religiösen Ghettos rechtzeitig verhindern. Hierin liegt eine wichtige
Integrationsaufgabe der christlichen Kirchen.“
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