Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 30.09.10 |
von Dezernat für Kultur Leipzig
Der Nachlass von Kunz Nierade (1901-1976), nach dessen Entwürfen u a. die Leipziger
Oper errichtet wurde und der maßgeblich am Bau der Deutschen Hochschule für
Körperkultur und Sport (DHfK) mitwirkte, befindet sich seit heute (30.
September) im Stadtarchiv Leipzig. Im Auftrag der Familieübergab Stephan
Nierade, ein Sohn des Architekten, die Unterlagen an Hauptamtsleiter Dr.
Christian Aegerter, zu dessen Amt das Stadtarchiv gehört. Dieser dankte der
Familie Nierade herzlich für ihre Schenkung, mit der die Unterlagen der
Nachwelt langfristig gesichert werden.
Der Nachlass besteht aus schriftlichen Aufzeichnungen zur beruflichen Tätigkeit
Kunz Nierades sowie aus rund tausend Plänen und Entwürfen zu verschiedenen
Bauprojekten, Materialsammlungen, Fotos, Diapositiven, künstlerischen Studien
und Zeichnungen. Zeitlich erstreckt er sich von 1923 bis 1976. Für die
Leipziger Architektur- und Stadtgeschichte ist er aus mehreren Gründen von
hoher Bedeutung. Zum einen sind kaum Nachlässe von Privatarchitekten in Leipzig
überliefert, so dass sich deren Schaffen und das private Bauen allgemein nur
sehr schwer nachvollziehen lassen. Hier verspricht der Nachlass weiteren
Aufschluss. Zudem stand zwischen 1945 und 1989 das kollektive Planen und
Entwerfen im Vordergrund, so dass der Einzelne hinter der Gesamtleistung
zurücktrat und in der Öffentlichkeit nur das Gesamtergebnis wahrgenommen wurde.
Der Nachlass macht es möglich, Kunz Nierade konkrete Entwürfe zuzuschreiben
sowie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten festzustellen. Da zu einigen
Projekten verschiedene Skizzen und Entwürfe vorhanden sind, können die
Entstehungsstufen bis zum Endergebnis nachvollzogen werden. Dies ist bei den
kommunalen Bauprojekten oftmals nicht möglich, da häufig nur die realisierten
Entwürfe überliefert sind. Die im Nachlass befindlichen Unterlagen zur DHfK und
zur Leipziger Oper ergänzen die kommunale Überlieferung, die zum großen Teil
auf dem Schriftverkehr zwischen den zentralen Behörden und Einrichtungen und
den Abteilungen der Stadtverwaltung beruht. Auf der anderen Seite dokumentieren
sie die architektonische Leistung Kunz Nierades.
Die Unterlagen sind grob vorsortiert und werden nun vom
Stadtarchiv erschlossen, wobei jedes einzelne Stück mit seinen Merkmalen in
eine Datenbank aufgenommen und beschrieben wird. Parallel dazu erfolgen Recherchen
zur Biografie und zum Werk. Die Ergebnisse werden in einem Findbuch
zusammengestellt, das nach Abschluss der Arbeiten im Lesesaal einsehbar sein
wird. Der Nachlass wird somit öffentlich zugänglich und für Interessierte und
Wissenschaftler gleichermaßen nutzbar.
Zur Biographie Kunz Nierades
Kunz Nierade wurde am 7. November 1901 in Wohlau/Schlesien geboren. Seine Kindheit
verbrachte er in Waldenburg/Schlesien. Nach dem Besuch des Humanistischen
Gymnasiums im schlesischen Waldenburg und einer Maurerlehre studierte er an der
Staatlichen Gewerbeakademie Chemnitz. Ab 1931 bekleidete er eine Stelle im
Hochbauamt der Stadt Leipzig, bevor er dann ab 1933 als freischaffender
Architekt wirkte. Sein erster großer Auftrag war die Organisation und
Projektierung der vorstädtischen Kleinsiedlung Portitz. Von 1941 bis 1944
wirkte er im von deutschen Truppen besetzten polnischen Gebiet für Behörden und
private Auftraggeber. Ende 1944 kehrte er mit seiner Familie nach Leipzig
zurück und wurde Einsatzleiter für die bauliche Instandsetzung der
luftkriegsgeschädigten Bauten des zivilen Sektors. Die Verantwortung für die
Erfassung und Projektierung der zerstörten Gebäude behielt er bis 1947.
In den ersten Nachkriegsjahren übernahm Nierade vor allem kleinere Projekte.
Auch beteiligte er sich erfolgreich an vielen Wettbewerben. So erhielt sein
Entwurf für die Gestaltung der Grabstätte Johann Sebastian Bachs in der
Thomaskirche 1948 den ersten Preis und wurde zwei Jahre später realisiert. 1950
wurde er in die von Hanns Hopp (1890-1970) geleitete Meisterwerkstatt II des
Instituts für Städtebau und Hochbau in Berlin aufgenommen. Gemeinsam mit Hopp
beteiligte er sich am Wettbewerb für die Deutsche Hochschule für Körperkultur
und Sport (DHfK) in Leipzig. Beide gewannen den ersten Preis, und die DHfK
wurde unter ihrer Leitung in mehreren Bauabschnitten bis 1958 realisiert, wobei
Kunz Nierade ab 1954 die Arbeiten vor Ort leitete und überwachte.
1954 erhielten er und der Theaterbauspezialist Kurt Hemmerling (1898-1978) den
Auftrag zur Erarbeitung eines Vorprojekts für die Leipziger Oper, das in
überarbeiteter Form zwischen 1956 und 1960 umgesetzt wurde. Am 8. Oktober 1960
wurde die Oper als erster Theaterneubau der DDR mit einem Festakt eingeweiht
und am 9. Oktober mit der Aufführung von Richard Wagners „Meistersingern“
eröffnet.
1960 zog Kunz Nierade nach Berlin. Zu seinen Berliner Projekten gehörten das Ministerium
für Auswärtige Angelegenheiten am damaligen Marx-Engels-Platz und der Umbau der
Komischen Oper 1964 bis 1966. Für den Aufbau des Potsdamer Stadtzentrums
übernahm er 1967 die städtebauliche und architektonische Beratung des
Oberbürgermeisters. Am 2. Dezember 1976verstarb er.
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