Erschienen in Ausgabe: No 57 (11/2010) | Letzte Änderung: 25.10.10 |
von Michael Lausberg
Am
7.10.2010 wurde der Schriftsteller Mario Vargas Llosa mit dem Nobelpreis
für Literatur ausgezeichnet, der am 10.12. 2010 offiziell verliehen wird. Die
Juroren in Stockholm würdigten Vargas Llosa mit der Preisverleihung „für seine
Kartographie der Machtstrukturen und scharfkantigen Bilder individuellen
Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage“.[1] Die
Verleihung des Nobelpreises ist als Auszeichnung für ein Lebenswerk mit 15
Romanen und zahlreichen Artikeln, die vor allem in der spanischen Zeitung „El
País“ erschienen, zu verstehen. Vargas Llosa gilt einer der führenden
lateinamerikanischen Romanciers und Essayisten seiner Zeit.
Leben
Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte Vargas
Llosa in Bolivien, bevor er mitsamt seiner Familie nach Peru auswanderte.[2] Zwei
Jahre seiner Schullaufbahn absolvierte er auf Drängen seines Vaters widerwillig
auf einer Militärschule. Nach dem Schulabschluss nahm er ein Literaturstudium
auf, das er auch erfolgreich beendete. Dank eines Stipendiums promovierte er in
Philosophie und Literatur an der Universität Complutense in Madrid. Erste
Erfolge als Schriftsteller erwarb er sich 1963 mit dem Roman „Die Stadt und die
Hunde“. 1965 heiratete er in Lima seine Cousine Patricia Llosa, die er an der
Pariser Sorbonne kennen gelernt hatte. Nach der Heirat zog er mit seiner Frau
nach Europa, wo er in Paris, London und Barcelona lebte. 1974 kehrte er nach
Peru zurück und wurde im Fernsehen Leiter und Moderator einer politischen
Sendung. In der Studentenzeit schloss er sich der linken Untergrundgruppe
„Cahuide“ an und machte Erfahrungen mit Repressionen der Odria-Diktatur, die
ihn Zeit seines Lebens prägten. Von diesen linken Positionen distanzierte sich
Vargas Llosa ab den 1960er Jahren und entwickelte sich zu einem scharfen Kritiker
Fidel Castros und seines kubanischen Modells.[3] Die
Zerschlagung des Prager Frühlings 1968 durch sowjetische Truppen führte zur
endgültigen Abkehr vom Sozialismus. Seit den1980er Jahren wandte sich Vargas
Llosa immer mehr der Politik zu und vertrat dabei neoliberale Positionen In seiner autobiographischen Schrift „Der Fisch im Wasser – Erinnerungen“
schildert er diese Entwicklung vom Linken zum überzeugten Neoliberalen.[4] Vargas
Llosa bezeichnete sich selbst als liberalen Demokratenund Weltbürger. 1986 kritisierte er die positive
Einschätzung sozialistischer Staaten durch lateinamerikanische Intellektuelle
mit folgenden Worten: „Daß ein
Schriftsteller in dieser Weise den Führer eines Regimes beweihräuchert, in dem
es viele politische Gefangene – darunter mehrere Schriftsteller – gibt, das
eine rigorose intellektuelle Zensur praktiziert, nicht die mindeste Kritik
duldet und Dutzende Intellektuelle ins Exil gezwungen hat, ist etwas, das mich,
wie wir im Spanischen sagen, mit fremder Scham erfüllt.“[5] 1986 zerbrach die Freundschaft zum Schriftstellerkollegen
Gabriel García Márquez wegen dessen Verehrung für Fidel Castro. Als die linksgerichtete
Regierung in Peru unter Alan Garcia Perez 1987 das peruanische Bankenwesen
verstaatlichen wollte, initiierte er eine Protestbewegung dagegen und wurde
somit einer der bekanntesten peruanischen Politiker. 1988 gründete Vargas Llosa
die Partei „Movimiento Libertad“ und übernahm die Präsidentschaftskandidatur
für Liberale und Konservative in der „Demokratischen Front“.[6] Im
Jahre 1990 kandidierte Vargas Llosa für das peruanische Präsidentenamt, verlor
aber in einer Stichwahl gegen den damaligen Außenseiter Alberto Fujimori. Fujimori war Präsident Perus vom 28.
Juli 1990 bis zum 17. November 2000, als er wegen Korruption und Verstoßes
gegen die Menschenrechte durch den Kongress seines Amtes enthoben wurde. Die
Zerschlagung des maoistischen Sendero Luminoso durch Fujimori war mit
zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verbunden, die von Vargas Llosa
angeprangert wurden. Am 7. April 2009 wurde er wegen des Einsatzes von „Todesschwadronen“
zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 20. Juli 2009 wurde Fujimori in einem
weiteren Prozess wegen Korruption zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.[7]
Nach der verlorenen Wahl wandte sich Vargas Llosa enttäuscht
wieder der Literatur zu und wurde Professor für lateinamerikanische Literatur
an mehreren Universitäten in den USA.[8] Seine
schriftstellerische Tätigkeit beschränkte sich auf Essays für die spanische
Tageszeitung El País. Dann siedelte er endgültig nach Madrid über, wo er 1993
die spanische Staatsbürgerschaft erhielt und 1995 Mitglied der Real Academia
Española wurde. In der Folgezeit pendelte er zwischen seinen Wohnsitzen in
Lima, Madrid, London und Paris. 1996 bekam er als Auszeichnung für sein
Lebenswerk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Vargas
Llosa erhielt 2008 den „Freiheitspreis“ der FDP nahen
„Friedrich-Naumann-Stiftung“ wegen seiner Kritik des Linksrucks einiger Staaten
Lateinamerikas.
Literarische
Werke
Die frühen Werke von Vargas Llosa spielen in Peru
und thematisieren die gesellschaftlichen und sozialen Probleme des Landes. Vargas
Llosa kritisierte vor allen undemokratische Erscheinungen und politische
Regime, die die Menschenrechte ächteten. Bedingt durch seine Reisetätigkeit und
den damit verbundene Kosmopolitismus handelten seine späteren Schriften auch
über die Situation in anderen Ländern Lateinamerikas wie Brasilien oder der Dominikanischen
Republik.[9] Seine
Werke umfassen neben dem Roman auch die Genres des Historischen Romans, der Komödie,
Essays, politische Schriften und literaturwissenschaftliche Artikel.
Mit dem Werk „Die Stadt und die Hunde“, wo
er seine eigenen Erfahrungen aus der von ihm besuchten Militärschule verarbeitete,
aus dem Jahre 1963 wurde er einem breiteren Publikum bekannt. Sowohl die
autoritären Machtstrukturen innerhalb der Anstalt als auch der dort weit
verbreitete Machismo wurden von Vargas Llosa angeprangert. Der Tod eines
Schülers wurde als Folge dieser menschenunwürdigen Verhältnisse dargestellt.
Die Tatsache, dass das Buch ein Jahr nach seinem Erscheinen in Lima öffentlich
verbrannt wurde, steigerte das öffentliche Interesse an seiner Person. In seinem
1965 erschienenen komplexen Roman „Das
grüne Haus“ wurden fünf parallel geführte Handlungsstränge, zu einem
Ganzen zusammengeführt. Dabei spielt das Bordell „Grünes Haus“ eine
Schlüsselrolle. Die Kritik an antiegalitären Gesellschaftsstrukturen und
Rassismus spielten eine Schlüsselrolle in dem Roman. Das Buch gewann 1967 den
Literaturpreis „Premio Internacional
de Novela Rómulo Gallegos“. Das 1969 erschienene Werk „Gespräch in der Kathedrale“ berichtet über
die Zustände der peruanischen Gesellschaft und transportiert das Bild einer
korrupten und selbstgefälligen bürgerlichen Klasse. Anhand einer
Diskussion von Santiago Zavala,
des Sohnes eines Ministers, mit Ambrosio,
dem ehemaligen Chauffeur seines Vaters, in der Bar „La catedral“ wurden mehr als 70 persönliche Schicksale über
einen Zeitraum von 14 Jahren beschrieben. Im historischen Roman „Der Krieg am Ende der Welt“, der 1984
erschien, beschreibt Vargas Llosa das Massaker von Canudos in Brasilien.
Dort war Ende des 19 Jahrhunderts eine sektenähnliche Gemeinschaft entstanden,
die von Staat und Kirche bekämpft wurde. Das brasilianische Militär löste diese
Gemeinschaft auf und ermordete dabei 30.000 Menschen.
Der Roman „Das Fest des Ziegenbocks“, handelte
von der Trujillo-Diktatur und seinen menschenverachtenden Praktiken in der
benachbarten Dominikanischen Republik. Den Ziegenbock stellte der Diktator
Rafael Leónidas Trujillo dar, der die Dominikanische Republik bis zu seinem
Attentatstod 1961 autokratisch führte. Im März 1930 putschte Trujillo mit
Unterstützung amerikanischer Truppen gegen Präsident Horacio Vásquez und ließ
sich nach einer Übergangszeit selbst zum Präsidenten wählen.[10] Mit
Hilfe seiner eigenen Partei„Partido
Dominicano“ verbot er alle anderen politischen Gruppierungen,
unterdrückte sämtliche demokratischen Strukturen, unterband jede Opposition und
freie Meinungsäußerung und ließ Gegner mit brutaler Härte verfolgen und
umbringen. Vargas Llosa stellte eindrucksvoll den grotesken Versuch Trujillos
dar, seine eigene Haut mit weißem Puder und Schminke aufzuhellen, um seine
dunkle haitianische Herkunft zu verschleiern. Wegen ihrer schwarzen Hautfarbe
ließ Trujillo im Jahre 1937 ca. 25.000 Zuckerrohrarbeiter aus Haiti ermorden. Vargas
Llosa geht auch kritisch auf die guten Verbindungen von Trujillo zu den USA und
der katholischen Kirche ein, die nichts gegen seine Willkürherrschaft
unternahmen.[11]
Literatur
- Köllmann, S.: Literatur und Politik – Mario Vargas Llosa,
Bern 1996
- Schiffer, K.: Trujillo-Diktator
der Dominikanischen Republik, Hamburg 1994
- Strosetzki, C.: Kleine
Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im 20. Jahrhundert, München 1994
- www.boersenverein.de/de/64645de/96671?pid=111696
- www.n-tv.de/politik/Fujimori-muss-hinter-gitter-article662192.html
www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/literaturnobelpreis_geht_an_mario_vargas_llosa_1.7881487.html
- www.spiegel.de/thema/mario_vargas_llosa/
[1]
www.spiegel.de/thema/mario_vargas_llosa/
[2] Köllmann, S.: Literatur und Politik – Mario Vargas Llosa,
Bern 1996, S: 12ff
[3] Strosetzki, C.: Kleine
Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im 20. Jahrhundert, München 1994,
S. 179
[4] Ebd., S. 180
[5] Zitiert aus Köllmann, Literatur und Politik – Mario Vargas Llosa,
a.a.O., S. 56
[6]
www.spiegel.de/thema/mario_vargas_llosa/
[7]
www.n-tv.de/politik/Fujimori-muss-hinter-gitter-article662192.html
[8]
www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/literaturnobelpreis_geht_an_mario_vargas_llosa_1.7881487.html
[9] www.boersenverein.de/de/64645de/96671?pid=111696
[10] Schiffer, K.:
Trujillo-Diktator der Dominikanischen Republik, Hamburg 1994, S. 14
[11] Strosetzki, Kleine
Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im 20. Jahrhundert, a.a.O., S.
183
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