Erschienen in Ausgabe: No 57 (11/2010) | Letzte Änderung: 21.11.13 |
Miriam Meckel: Briefe an mein Leben: Erfahrungen mit einem Burnout, Rowohlt Verlag
von Dörte Fehling
„Wir können uns einen Lebensweg als eine Leiter vorstellen, deren Stufen man
Schritt für Schritt erklimmt. Manchmal bricht eine Sprosse ein, manchmal muß
man länger auf einer Stufe pausieren und manchmal klettert man einfach wieder
runter, weil es oben gar nicht so schön ist.“
Daß Schicksalsschläge auch mit einkalkuliert werden müssen auf der
Karriereleiter, steht schon auf der
Homepage der Professorin Dr. Miriam Meckel, dem letzten prominenten
Burnoutopfer, die ihre Erfahrungen in dem Buch „Briefe an mein Leben“, erschienen beim Rowohlt Verlag, niedergeschrieben
hat. Dort findet sich ausführlich und perfekt strukturiert eine wahre Informationsflut
zur Person der Autorin, sogar
persönliche Präferenzen vom Lieblingsgedicht bis hin zum Lieblingsgeräusch
finden unter der Rubrik „Pipifax“ den Weg in die Öffentlichkeit! Persönliche
Vermarktung auf höchstem Niveau oder vielleicht soll besonders unter diesem
Link die perfektionistisch anmutende Karriere der Professorin für Cooperate communication,
geschäftsführenden Direktorin am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement
der Universität St. Gallen in der Schweiz und Beraterin für
Kommunikationsmanagement und Public Affairs, ein Hauch von menschlicher
Schwäche angedeutet werden. Zumindest wird dem/der Leser/in sofort klar, daß
selbst der körperliche Zusammenbruch im Jahre 2008 nicht „ungenutzt“ bleiben
kann, sondern Anlaß zur
Verschriftlichung in 2009 und medienwirksamen Veröffentlichung in 2010 darstellen
muß. Der Rowohlt Verlag brachte am 12. März 2010 das 224 seitenstarke Buch
heraus, in dem Prof. Meckel schildert,
wie sie den Zusammenbruch erlebt und verarbeitet hat. Perfekt vermarktet wurde
dies bereits in der Programmvorschau des Verlages, wo von einer Läuterungsgeschichte
die Rede ist, von Offenheit einer aufs Reden und Kommunizieren spezialisierten
Person, von ihrem eigenen Verstummen und ihren persönlichen Erfahrungen mit
einem Burnout.
Fakt ist, Miriam Meckel hat ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben, in
dem sie scheinbar sehr persönlich ihre eigenen Geschichte erzählt und diese
gemäß der Prämisse „dem Glück der Unerreichbarkeit“ an die breite Öffentlichkeit
weiterreicht, denn die eigentliche Geschichte
der Miriam Meckel ist eine von Erfolg, Ehrgeiz und endlosen Aktivitäten; sie ist überall in der Welt als Moderatorin,
Vortragende und Dozentin gefragt. Sie ist solange unterwegs bis ihr der völlige Gesundheitscrash
die Gelegenheit bietet, einzuhalten und
ihr Leben zu überdenken. In einer Klinik im Allgäu stellt sie sich einem
vorbestimmten und strengen internen Tagesablauf. Der an Öffentlichkeit
gewöhnten Powerfrau wird zur Einstimmung
auf die kommenden Wochen mit Therapien aller Art ein Wochenende des Alleinseins
verordnet, ohne Kontakt mit anderen Menschen, ohne Kommunikationsmittel
jeglicher Art! Die erzwungene Stille soll einen Rückzug auf die eigene Person
provozieren, gekoppelt mit völlig neuen Wahrnehmungen, die der rastlosen Powerfrau offensichtlich am
Anfang gehörig zu schaffen machen. Die Situation entpuppt sich als eine Art Lebens-
und Sinnkrise für die Autorin und ein Sammelsurium unverarbeiteter
Lebenserfahrungen unterschiedlichster Couleur wird aus der professionell
verborgenen Tiefe geholt, gemäß einer totalen Rückbesinnung auf die verstörte
Psyche, die bis dato vom makellos funktionierenden Köper verdeckt worden waren.
In ihrem Buch beschreibt Miriam Meckel also
einen ganz normalen Alltag in einer psychosomatischen Klinik, in der therapeutische Ansätze verschiedenster Art dazu herausfordern sollen, inne zuhalten,
das bisherige Leben zu überdenken und sich neue Perspektiven für die Zukunft
vorzustellen. Ihre Niederschrift gleicht eher Tagebuchaufzeichnungen – gespickt
mit persönlichen Eindrücken. Aber schon während des Lesens nimmt man Miriam
Meckel die Einsicht auf Änderung nicht ab. Der Bericht mag eine Art Befreiung
für sie bedeuten, aber muß die Öffentlichkeit davon wissen? Die Autorin
entwirft ein eindeutiges Bild von sich selbst gemäß den Richtlinien einer
optimalen Publicity und von Anfang an hat der Leser den Eindruck, daß das
perfekte Image nach wie vor nicht beschädigt werden darf. Frau Meckel, die auch
schon vor ihrem Zusammenbruch morgens nach dem Aufstehen klassische Musik hörte,
ist belesen, sieht angeblich nie fern, ernährt sich gesund, treibt Sport,
bevorzugt natürlich "guten Wein" und "guten Tee".Sie bleibt auch während ihrer sogenannten
Therapie bisweilen „mäklig“ und in eigenartiger Distanz zu den anderen
Mitpatienten. Bleibt zu hoffen, daß Frau Meckel ihre Erfahrungen mit „einem
Burnout“ insgeheim doch zur Läuterung verholfen haben. Zumindest wäre es eine
bittere Enttäuschung für den ein oder anderen empathischen Rezipienten, wenn es
sich doch nur um eine gelungene PR Aktion handeln würde.
Fazit: Mangels besonderer schriftstellerischen und belletristischen
Qualitäten der Verfasserin, die zumindest den Verdacht der Selbstvermarktung
unter dem Deckmantel eines persönlichen Schicksals kaschieren sollten, erscheint das Buch etwas
überteuert und es entsteht der Eindruck, daß der sich Absatz des Buches aus
der Prominenz der Verfasserin begründet.
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