Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 23.10.10 |
Augenoptik und Ophtalmologie heute
von Sigrid Neef
Wenn ein
Sehtest ansteht, eine neue Brille benötigt wird oder Probleme mit dem Sehen
bzw. mit den Augen auftreten, so stellt sich die Frage: „Wer ist der richtige
Ansprechpartner für gutes Sehen?“
Vielfältige
Qualifikationen berechtigen in Deutschland zu einer Überprüfung der Augen.
Hinter den Berufsabschlüssen stehen jedoch sehr unterschiedliche Kompetenzen
und Tätigkeitsgebiete. Abhängig von den individuellen Wünschen und Bedürfnissen
lohnt es sich deshalb, sich im Vorfeld zu informieren.
Der Beruf des Augenoptikers
ist im deutschsprachigen Raum ein traditioneller Handwerksberuf. Er basiert auf
einer dreijährigen Berufsausbildung mit anschließendem Gesellenabschluss. Diese
duale Ausbildung erfolgt im Augenoptikfachgeschäft und an einer Berufsschule,
in denen theoretische und praktische Kenntnisse zu Sehhilfen vermittelt werden
sowie das Anfertigen von Brillen erlernt wird. Die ausgebildeten
Augenoptiker(-gesellen) sind in Beratung und Verkauf sowie in der Anpassung und
Anfertigung von Sehhilfen tätig.
Die aktuellen Entwicklungen
des Marktes erfordern, zusätzlich zur Ausbildung zum Augenoptiker auch eine
Ausbildung zum Fachverkäufer für Augenoptik anzubieten. Die Inhalte der
Ausbildung sind vor allem auf den Verkauf und kompetente Beratung ausgelegt,
nicht auf die Anfertigung von Sehhilfen. Sowohl Augenoptikergesellen als auch Fachverkäufer
für Augenoptik dürfen nicht eigenständig Überprüfungen der Augen durchführen.
Augenoptikermeister haben
zusätzliche Qualifikationen, so durch eine ein- bis zweijährige Ausbildung an
einer Fachschule, einschließlich einer Meisterprüfung, nach Richtlinien des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (Augenoptikermeisterverordnung vom
29. 8. 2005).
Danach darf der
Augenoptikermeister eine Sehschärfeprüfung sowie eine Refraktions- (Prüfung
eines Auges) und Korrektionsbestimmung (Prüfung der Zusammenarbeit beider
Augen) vornehmen, d.h., die Vermessung der Augen von Kindern und Erwachsenen
zur Bestimmung einer Fehlsichtigkeit. Im Anschluss an die Refraktions- und
Korrektionsbestimmung erfolgt eine Versorgung mit einer Sehhilfe.
Dabei passt der
Augenoptikermeister Brillen, aber auch Kontaktlinsen und vergrößernde Sehhilfen
an. Darüber hinaus berechtigt der Meisterabschluss zur Ausbildertätigkeit im
Handwerksberuf. Damit ist der Augenoptikermeister traditionell und im
Normalfall der Ansprechpartner für eine Augenprüfung als Grundlage für eine
neue Brille oder Kontaktlinsen.
Der Augenarzt (Facharzt für
Augenheilkunde bzw. Ophthalmologe) ist aufgrund seiner universitären und
klinisch-medizinischen Ausbildung Ansprechpartner für Augenerkrankungen. Er
diagnostiziert, ob etwas physiologisch (also normal) oder pathologisch bzw.
krankhaft verändert ist. Für eine ärztliche Diagnostik zur Abklärung
krankhafter Veränderungen am Auge, zur Heilbehandlung und für chirurgische
Eingriffe, ist somit der Augenarzt der richtige Ansprechpartner. Eine Brillen-
oder Kontaktlinsenverordnung kann dabei ein „Nebenprodukt“ sein, denn es ist
nicht zentrale Aufgabe eines Augenarztes, Fehlsichtigkeit zu bestimmen und
optische Korrektion und Versorgung zu verordnen.
Unumstritten ist, dass die
häufigste Ursache für Sehprobleme eine Fehlsichtigkeit ist, die in der Regel
mit einer Sehhilfe behoben werden kann. Demnach wird in der Mehrzahl der Fälle
häufiger der Augenoptikermeister als der Augenarzt aufgesucht. So lag z.B. der Prozentsatz
an ärztlichen Verordnungen im Jahr 2009 bei 24%. 76% der Verordnungen erfolgten
durch einen Augenoptikermeister.
Zu einem Rückgang von
Augenarztbesuchen für eine Brillenverordnung hat auch die deutsche
Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre beigetragen.
Ebenso haben sich durch
rasante technologische Entwicklungen die diagnostischen, therapeutischen und
chirurgischen Potenziale der Augenärzte, z.B. bei grünem Star (Glaukom), bei
grauem Star (Katarakt), bei Netzhauterkrankungen oder in der Laser-Chirurgie in
den letzten Jahren so stark erweitert, dass diese modernen Schwerpunkte die
Tätigkeitsfelder eines Ophthalmologen dominieren. Würde jeder Patient bei einem
Sehproblem eine vollständige augenärztliche Diagnostik durchführen lassen, wäre
dies ökonomisch nicht verhältnismäßig, individuell oft nicht problemadäquat und
mit erheblichem zeitlichem Aufwand verbunden.
Kann ich also zur Vorsorge
auch zum Augenoptikermeister gehen, bzw. erkennt er bei einer Augenprüfung auch
Augenerkrankungen?
Traditionell sah die
Meisterausbildung eine Prüfung auf Auffälligkeiten und Risikofaktoren für
Augenerkrankungen nicht vor. In den vergangenen Jahren wurden aber zunehmend
mehr Lehrinhalte integriert, die es dem Augenoptikermeister auf Grundlage des
Meisterprüfungsberufsbildes ermöglichen, im Rahmen der Refraktions- und
Korrektionsbestimmung auch auf Sehleistungsminderungen zu prüfen, die nicht mit
einer Sehhilfe behoben werden können.
Damit kann der
Augenoptikermeister ggf. zum Augenarzt verweisen, wenn es sich nicht um einen
„Normalfall“ bei einer Sehhilfenversorgung handelt. Dies ist auch im Berufsbild
für Augenoptikermeister so verankert. Der Augenoptikermeister kann im Rahmen
der Sehhilfenbestimmung bei einer reduzierten Sehleistung z.B. Screeningteste
(Siebteste) durchführen, die ihm ermöglichen, andere, die Sehleistung
mindernde, Beeinträchtigungen aufzudecken und für die Korrektionsbestimmung zu
berücksichtigen.
Die technologische Entwicklung
ist auch an der Augenoptik nicht vorbeigegangen: innovative Messtechniken
erlauben eine genauere Vermessung der Augen. Zunehmend hat sich die Augenoptik
in den vergangenen Jahren vom Handwerk hin zur Gesundheitsdienstleistung
entwickelt. So wurde im deutschsprachigen Raum in den 1970er Jahren mit dem
Hochschulstudium zum Diplomingenieur für Augenoptik (FH) der technologischen
Entwicklung Rechnung getragen und ein adäquater Beruf geschaffen, der auf der
Messtechnik in der angewandten Augenoptik beruht.
Im internationalen Vergleich
ist dies der Optometrist, der sich mit der „Messung“ der „Optik“ beschäftigt
und schon seit den 1920er Jahren an universitären Einrichtungen seine
optometrische Ausbildung genießt. Die Ausbildungsinhalte zum Optometristen sind
international jedoch weniger technisch-optisch, vielmehr optometrisch und
klinisch-medizinisch.
Berufsbild
Optometrist in Deutschland und international:
Für eine europäische
Harmonisierung muss sich Deutschland den europäischen Rahmenbedingungen sowohl
in der Ausbildung (Bologna-Prozess) als auch in der Augenoptik/Optometrie
anpassen. Klinisch-optometrische Inhalte gewinnen zunehmend an Bedeutung,
sowohl in der Ausbildung als auch in der Anwendung.
Die Ausbildung
in der Optometrie erfolgt international an Universitäten in Bachelor- und
Masterstudiengängen oder OD-Studiengängen (Doctor of Optometry). In Deutschland
ist es seit 2005 an fünf Hochschulen möglich, ein 3 ½-jähriges Studium zum
Bachelor of Science (B.Sc.) und ggf. anschließendes 1 ½-jähriges Studium zum
Master of Science (M.Sc.) zu absolvieren.
Der Bachelor of
Science ist der erste berufsqualifizierende Hochschulabschluss für
Augenoptik/Optometrie. Mit diesem
Abschluss ist der Absolvent in der Lage, auf wissenschaftlichem Niveau Fehlsichtigkeiten
zu erkennen, zu bestimmen und zu korrigieren (Refraktions- und
Korrektionsbestimmung). Darüber hinaus beinhaltet seine Tätigkeit die
Versorgung mit Sehhilfen, die Abgrenzung von Augenkrankheiten und die
Wiederherstellung normaler Zustände des visuellen Systems. Zusätzliches Wissen
besitzt er in angrenzenden Gebieten, zum Beispiel der Lichttechnik, dem
Arbeitsschutz, der Technischen Optik und der Betriebswirtschaft, woraus sich
weitere Einsatzgebiete über die Optometrie hinaus ergeben.
In Anlehnung an die
aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene basiert die Ausbildung in der
Optometrie heute auf einer fundierten Hochschulausbildung mit
klinisch-optometrischen Ausbildungsinhalten. Die wichtigste Kompetenz eines
Hochschulabsolventen ist eine qualifizierte und verantwortungsvolle
Befundung bei einer optometrischen Untersuchung und eine Entscheidung über
„auffällig“ oder „nicht auffällig“, um eine sichere Empfehlung für eine
Sehhilfenversorgung durch einen Augenoptiker, eine optometrischen Versorgung
oder Überweisung an einen Arzt geben zu können. Dafür ist Wissen in den
Bereichen Anatomie und Physiologie, Pathologie und Pharmakologie sowie in
Techniken zur Anwendung von Geräten und Untersuchungsmethoden erforderlich.
Darüber hinaus ist klinisch-optometrische Erfahrung notwendig, die zum einen
durch fallbezogenes Lernen ermöglicht wird und zum anderen durch die
optometrische Untersuchung an Patienten bereits während des Studiums.
Die optometrische
Untersuchung beinhaltet verschiedene Teste sowie Mess-, Prüf- und
Untersuchungsmethoden, um funktionsbeeinträchtigende Auffälligkeiten des
visuellen Systems und Risikofaktoren für häufige Augenerkrankungen zur
Gesundheitsvorsorge und Früherkennung aufzudecken. International basiert das
Berufsbild des Optometristen auf einer Hochschulausbildung. In Anlehnung an das
Konzept der Optometrie ist nach der Satzung des World Councils of Optometrie
das Berufsbild des Optometristen wie folgt
definiert:
Optometristen erbringen
Gesundheitsdienstleistungen rund um das Auge und das visuelle System. Die
Gesundheitsdienstleistungen beinhalten die Refraktions- und
Korrektionsbestimmung, die Sehhilfenanpassung und -abgabe, die Abgrenzung von
Augenkrankheiten und die Wiederherstellung normaler Zustände des visuellen
Systems.
International ist der
Optometrist der „Primary Eye Care Provider“, d.h. er ist der primäre
Dienstleister für den Gesundheitsstatus des Auges und des visuellen Systems.
Das Berufsbild des Optometristen basiert international auf einer Hochschulausbildung
mit einem praktischen Jahr, in dem optometrische Untersuchungen unter Aufsicht
eines Optometristen durchgeführt werden. Erst danach kann sich der
Hochschulabsolvent als Optometrist registrieren lassen (à engl.: residency) und damit selbstständig in der Praxis tätig sein.
Die klinisch-optometrische
Ausbildung ermöglicht dem Optometristen, der erste Ansprechpartner für gutes
Sehen und Augenerkrankungen zu sein, gewissermaßen der „Gatekeeper“ für das
Sehen. Dieser wird regelmäßig bzw. bei Problemen der Augen betreffend
aufgesucht, so dass der Optometrist den Gesundheitsstatus der Augen untersucht.
Er entscheidet zusammen mit dem Patienten über die weitere Versorgung, z.B.
mittels Sehhilfen durch einen Optiker (international: optician), behandelt selbst
mit professionellem optometrischem Vision Training oder überweist ggf. zu einem
Ophthalmologen.
Der Berufstand der
Augenoptik in Deutschland ist zurzeit auf dem Weg von einem
handwerksorientierten zu einem akademischen Beruf. Gerade in den letzten Jahren
hat sich das Berufsbild immer weiter vom Handwerk in Richtung eines
dienstleistenden Gesundheitsberufes gewandelt. Es stellt sich die Frage einer
Neupositionierung der Augenoptik bzw. Optometrie in Deutschland.
In der
derzeitigen Situation befindet sich Deutschland in „BOX 3“ der internationalen
Klassifizierung der optometrischen Tätigkeit. D.h., nach berufspolitischen
Vorgaben sind der Verkauf, die Refraktions- und Korrektionsbestimmung und die
Verordnung von Sehhilfen erlaubt, sowie optometrische Mess- und Prüfmethoden.
Deutschsprachige Länder wie Österreich und die Schweiz haben in der
Hochschulausbildung die zusätzlichen Inhalte der „BOX 4“ bereits integriert und
teilweise für die berufliche Praxis legalisiert. In den Niederlanden sind diese
seit zehn Jahren sowohl in der Hochschulausbildung als auch in der Praxis
erfolgreich realisiert.
Der Berufsverband (ZVA) in
Deutschland hat sich in Anlehnung an internationale Standards eine Höher- bzw.
Neupositionierung der Augenoptik zum Ziel gesetzt. Die Grundlage dafür bietet
eine Hochschulausbildung. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen der Absolventen
nieder. Aktuell hat die Mehrzahl der Absolventen einen Hochschulabschluss
(3:2).
Derzeit wurde für
Berufspraktiker eine Qualifizierung zum Optometristen
(Hwk) geschaffen (Rechtsvorschrift vom 12. 1. 2010 durch das Sächsische
Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit). Diese
ist für Augenoptikermeister konzipiert, die nicht über eine Hochschulausbildung
mit klinisch-optometrischen bzw. medizinischen Inhalten verfügen, um damit
beruflichen Praktikern eine Möglichkeit eines „Updates“ zu geben.
Die
Fortbildungsmaßnahme ist berufsbegleitend und stark komprimiert, so dass sie
nicht mit einem Hochschulabschluss vergleichbar ist. Diese Qualifizierung ist
ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Hochschulabschluss im Bereich
Augenoptik/Optometrie, um kompetent, verantwortungsvoll und marktgerecht als
„Primary Eye Care Provider“ tätig zu sein.
Zusammenfassung:
Die
Qualifikationen in Deutschland, die zur Überprüfung der Augen berechtigen, sind
vielfältig. Da sich hinter den Abschlüssen jedoch bestimmte Kompetenzen und
Tätigkeitsgebiete verbergen, sollte in Abhängigkeit des vorliegenden Problems
(z.B. Fachberatung, Sehschärfeprüfung, Screening, Gesundheitsvorsorge, Verdacht
auf Augenerkrankung) der jeweilige Spezialist ausgewählt werden. Zudem ist
sicher auch die Qualität der jeweiligen Tätigkeit, die Erfahrung und das
Verantwortungsbewusstsein entscheidend und nicht zuletzt die technische Ausstattung
des Betriebes, des Geschäftes oder der Praxis.
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