Erschienen in Ausgabe: No 59 (1/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
Der ehemalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel über Wikileaks und seine Auswirkungen auf Politik und Diplomatie, das Internet sowie die FDP.
von Klaus Kinkel
Klaus Kinkel
(74) war unter anderem von 1992 bis 1998 Bundesaußenminister sowie von 1993 bis
1995 Bundesvorsitzender der FDP. Heute ist er Vorsitzender der Deutsche Telekom-Stiftung
in Bonn. Constantin Graf von Hoensbroech sprach mit ihm.
Wie beurteilen
Sie als ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes und Außenminister
den Fall Wikileaks?
Es ist nicht schön, was da passiert ist. Und es ist auch für die USA,
die in Sicherheitsfragen fast neurotisch sind, sehr unangenehm, dass
ausgerechnet ihr solch eine Panne unterläuft. Bei uns wird das aber zu keinen
Verwerfungen führen. Problematisch ist das in asiatischen und islamischen Ländern
oder instabilen Regionen der Welt, weil dort so etwas wie Wikileaks viel
sensibler gesehen wird als bei uns und möglicherweise auch Reaktionen
provoziert.
Wird das spezielle
Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben?
Nein, das glaube ich nicht. Es ist peinlich für die USA, aber nicht von
Langzeitwirkung. Gleichwohl wird es im diplomatischen Verkehr sicher auch
darauf ankommen, an der ein oder anderen Stelle neues Vertrauen aufzubauen,
damit man nicht Gefahr läuft, nur vordergründige Gespräche zu führen.
Inwieweit wird
das globale Netz des Internet generell die Außenpolitik und Diplomatie
beeinflussen?
Die Politiker und Diplomaten werden sich vorsichtiger verhalten. Der
Fall Wikileaks zeigt, dass es Vertrauensprobleme gibt. Und Vertrauen ist nun
einmal der Kernpunkt des politischen Geschäfts. Dieser Kernpunkt ist gestört. Und
generell zeigt das Internet mit seiner riesigen Datenflut, wie wichtig es ist,
sich vertrauensvoll zu begegnen, diskret und verschwiegen zu verhalten. Da
könnte nun eine größere Zurückhaltung im politisch-diplomatischen Verkehr
eintreten, weil die Sorge besteht, dass Gespräche öffentlich werden. Diese riesigen Datenmengen, die Erreichbarkeit
in Sekundenschnelle überall auf der Welt werden ohnehin Ausmaße annehmen, die nur
noch ganz schwer beherrschbar sind. Weder für Staaten, noch für Unternehmen und
schon gar nicht für den Einzelnen. Das ist Segen und Fluch zugleich.
Das klingt
sehr pessimistisch…
Wir müssen uns ganz nüchtern dieser Entwicklung stellen. Die große
Datenflut schafft Transparenz, und das ist in vielen Fällen sehr zu begrüßen
und von Vorteil. Die große Datenflut birgt aber eben auch Gefahren,
beispielsweise eine zunehmende Entpersönlichung, weil die individuellen
Kontakte und der direkte Austausch verloren zu gehen drohen.
Als Liberaler
müsste Ihnen doch eigentlich die große Freiheit im Internet zusagen?
Zum liberalen Gedankengut gehört auch der Wert der Eigenverantwortung.
Der gilt es gerade in bezug auf den Umgang und die Regeln mit dem Internet.
Stichwort
liberales Gedankengut: Steckt der Liberalismus in Deutschland in der Krise?
Anders gefragt: Fühlen Sie sich in der FDP noch beheimatet?
Natürlich. Ja, die FDP hat zurzeit Probleme und sie hat Fehler gemacht,
etwa durch die einseitige Konzentration auf das Steuersenkungsthema. Das ist ja
bekannt, und das weiß auch Guido Westerwelle. Aber es ist nicht in Ordnung, wie
mit dem Parteichef in vielen Medien derzeit umgegangen wird. Er hat sich
überragende Verdienste erworben. Die FDP ist wieder in fast allen Landtagen
vertreten und kam bei der Bundestagswahl auf über 14 Prozent. Sehr stark sein
Verdienst. Ich bin sehr sicher, dass sich die FDP wieder erholen wird. Gerade
bei Themen wie dem Spannungsverhältnis Markt versus staatliche Leitplanken oder
auch in der Bildungspolitik, hat die FDP hervorragende Möglichkeiten, sich zu
positionieren und urliberales Gedankengut - Freiheit, weniger Staat,
Eigenverantwortung - einzubringen.
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