Erschienen in Ausgabe: No 59 (1/2011) | Letzte Änderung: 24.03.13 |
von Wolfgang Ockenfels
Der Weg aus staatlicher Bevormundung und bloßer
Mangelverwaltung
„Der deutsche Staat hat zur Stunde das Recht, das Sondereigentum durch
geeignete Zwangsmaßnahmen so weit in Gemeineigentum zu verwandeln, als sein
eigenes Dasein und seine innenpolitische Ordnung mit dieser Wandlung stehen und
fallen.“ Diese Aussage klingt sehr dramatisch nach Staatssozialismus, scheint
sehr aktuell zu sein und würde heute gewiss auf weite Zustimmung stoßen, nicht
nur bei den „Linken“. Allerdings ist der eben zitierte Ausspruch ein Zitat aus
der Schrift „Was nun?“, die Eberhard Welty 1945 in einer extremen Notsituation
verfasste. Nach der Katastrophe des „Dritten Reichs“ hatte der Dominikaner und
Sozialethiker Welty, der sich im Widerstand gegen das Nazi-Regime bewährte, eine
Broschüre veröffentlicht; die zur programmatischen Grundlage der CDU werden
sollte. Allerdings nur bis zum „Ahlener Programm“ von 1947.
Aber schon 1948, mit der Währungsreform und der Aufhebung staatlicher
Preiskontrollen, löste sich die Wirtschaft aus staatlicher Bevormundung und
bloßer Mangelverwaltung. Und mit der 1949 vollzogenen programmatischen Wende zu
den „Düsseldorfer Leitsätzen“ bewies die Adenauer-CDU eine ungeahnte
pragmatische Lernfähigkeit. Ihre Öffnung für wirtschaftsliberale Positionen, wie
sie von der „Freiburger Schule“ der Ordo-Liberalen vorgezeichnet und von Ludwig
Erhard praktiziert wurden, brachte die Partei allerdings in Erklärungsnöte. Wie
ließ sich das neue Konzept der Sozialen Marktwirtschaft mit der Katholischen
Soziallehre vereinbaren? Zunächst ganz einfach: durch die überaus erfolgreiche
Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards. Ihm gaben der Erfolg, die öffentliche
Zustimmung und schließlich auch die CDU-Sozialausschüsse Recht. Die
Erhard-Parole „Wohlstand für alle“ bewahrheitete sich so nachdrücklich, dass
man von einem „Wirtschaftswunder“ sprach – als ob die von Adam Smith
beschworene „unsichtbare Hand“ des Marktes schicksalhaft eingegriffen habe.
Was auf politisch-pragmatischer Ebene gelang, nämlich die Versöhnung zwischen
Marktliberalen und den Anhängern staatlicher Wirtschaftsintervention, bot
freilich ein nachhaltiges Problem für eine widerspruchsfreie Theorie als
schlüssige Antwort auf die klassische Herausforderung: Wie lässt sich
ökonomische Freiheit zugleich begründen, sichern und begrenzen? Wie lässt sich
die Freiheit aller Marktteilnehmer rechtlich integrieren in eine
gesellschaftspolitisch vorzugehende Wettbewerbsordnung und in einen
sozialpolitisch nachgeordneten Ausgleich gerechter Verteilung? Und welche
übergeordnete Rolle kommt dabei dem Staat zu als Hüter des Gemeinwohls, um
dessentwillen er überhaupt existiert? Beschränkt er sich auf eine bloße
Rahmenordnungskompetenz – oder darf er durch Verstaatlichung,
Vergesellschaftung, industriepolitische Planungsvorgaben. Subventionen oder
sonstige Interventionen in wirtschaftliche Belange eingreifen? Und gerät er
dabei nicht in Konflikt mit dem Privateigentumsrecht, das seit Leo XIII. für
Katholiken als Naturrecht gilt, und ebenfalls im Grundgesetz von 1949 in diesem
Sinne verankert wurde, sozial gebunden freilich an die Verpflichtung der
Gemeinwohlverantwortung?
Wertkriterien für das Verhältnis von Staat und Wirtschaft
Schon diese Fragen werfen mehr Probleme auf, als unter den gegebenen Umständen
gelöst werden können. Aus der Perspektive der Katholischen Soziallehre lässt
sich die Frage nach dem „Wie viel“ des Staates, das die Marktwirtschaft heute
braucht, ohnehin nicht in einem quantitativen Sinne beantworten. Es sind
qualitative Bewertungsfragen, die uns heute und künftig bewegen, wenn wir nach
den Wertkriterien fragen, die Staat und Wirtschaft einander verpflichten. Schon
die situationsbedingte Interpretation der katholischen Eigentumslehre durch
Eberhard Welty im Krisenjahr 1945 zielte auf die Behebung eines vorübergehenden
Notstands und war kein Plädoyer für eine systematische Verstaatlichung. Seine
späteren Einlassungen verweisen auf eine mittelständisch geprägte, durch
Privateigentum, Mitbestimmung und staatliche Rahmenordnung geprägte
Wirtschaftsform, die sich als durchaus kompatibel erwies mit dem „Stilgedanken“
der Sozialen Marktwirtschaft.
„Wie viel“ Staat eine Marktwirtschaft braucht, diese Frage scheint auf eine
situationsabhängige Ermessensfrage hinauszulaufen, die nicht a priori und für
alle Zeiten und Fälle vorentschieden werden kann. Wenn überraschend eine
allgemeine Notsituation eingetreten ist, ruft man traditionell nach dem Staat,
der das Notwendige tun soll. Es ist der plötzliche Notstand, der unerwartete
Ernstfall, der den Staat als Notbremse zu rechtfertigen scheint. An wen soll
man sieh sonst bei einer drohenden Wirtschafts- und Finanzkrise wenden, wenn
nicht an den Staat? An den eigenen Nationalstaat wohlgemerkt, so lange er sich
noch nicht in der Europäischen Union oder in der Globalisierung aufgelöst hat. Der
Satz „Not kennt kein Gebot“ scheint auch zweifelhafte Handlungen des Staates zu
rechtfertigen, die unter turbulenten Bedingungen und enormem Zeitdruck zustande
gekommen sind. In aufgeregt wirren Zeiten fragt kaum einer nach den
Legitimationsgrundlagen von Entscheidungen, die unter gewöhnlich-normalen
Verhältnissen nie getroffen worden wären.
Hier kann die kurzfristige ultima ratio des Staates die langfristige
ökonomische Rationalität vorübergehend ablösen. Freilich bedarf es gewisser
ethischer und rechtlicher Entscheidungskriterien, die der möglichen Willkür
Grenzen setzen. Allgemeine Grenzkriterien werden etwa durch die Eigentumslehre
und das Gemeinwohlprinzip der Katholischen Soziallehre gezogen, die ich hier
voraussetze und die auch verfassungsrechtlich relevant sind. Zunächst jedoch
soll auf die aktuelle Krise Bezug genommen werden, die ein gravierendes
ethisch-rechtliches Problem offenbart, das schon von prominenten Vertretern der
Sozialen Marktwirtschaft, vor allein von Wilhelm Röpke, angesprochen wurde.
Hier geht die Frage nach der machtvollen und rechtschaffenden Rolle des Staates
über in die Frage: „Wie viel“ Moral braucht eine Marktwirtschaft, deren freie
Subjekte sich nicht als Funktionäre des Staates begreifen. Schließlich geht es
um die politisch-ökonomische, also auch staatliche Lösung der uns heute
bewegenden Probleme.
Ordnungspolitik ist mehr als ökonometrische Technik
Wer heute als Sozialethiker eine Bewertung der prekären Lage zwischen
Marktwirtschaft und Staat vornehmen will, weiß nicht, wie sich morgen bereits
diese Lage verändert haben kann. Wer einen prognostischen Blick in die Zukunft
werfen will und sieh dabei auf die Zunft der tonangebenden
Wirtschaftswissenschaftler verlässt, ist bereits verlassen. Ihre Stärke ist die
Obduktion einer Leiche. Aber vorherzusagen, wie der Patient bei völliger
Gesundheit so lange krank sein konnte, bis er verblich, ist nicht Sache einer
Wissenschaft, die vor lauter Funktionalismus., mathematischen Formeln und
ökonometrischen Techniken nicht mehr weiß, was real passiert. Gemeinsam mit der
christlichen Sozialethik sollte die empirische Ökonomik gerade heute einen
Blick „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ werfen. Nämlich auf jene
Ordnungspolitik, die in Deutschland mit der Einnahrung der Sozialen Marktwirtschaft
Einzug hielt und die noch ein Mindestmaß moralischer Verantwortung bei allen
Marktteilnehmern voraussetzte.
Die ganz große Weltwirtschaftskrise scheint einstweilen nur abgewendet werden
zu können, wenn die Regierungen in aller Welt massiv in den Finanzmarkt
eingreifen. Was sie bereits getan haben, und zwar so umgreifend, dass man
partiell von einer Verstaatlichung reden kann. Bestätigt sich jetzt die
altlinke „Stamokap“-Theorie, wonach der Staat als Reparaturwerkstatt des
Kapitalismus zu gelten hat? Nun wird uns nicht nur in Deutschland, sondern
weltweit eine neue Systemdebatte aufgezwungen.
a) Verantwortung der Eigentümer
Hierzulande haben wir bisher aus guten Gründen den Begriff „Kapitalismus“
gemieden. Unser ganzer Stolz war die Soziale Marktwirtschaft. Sie ist sogar
noch in ihrer verstümmelten Form sehr erfolgreich gewesen. Überdies ließ sie
sich gut vereinbaren mit der Eigentumslehre der Katholischen Soziallehre und
dem Subsidiaritätsprinzip. Demnach liegt die Ordnungskraft des Privateigentums
vor allem in der Stimulierung der Leistung und in der Verantwortlichkeit der
Eigentümer. Der Staat sollte sich darauf konzentrieren, einen rechtlichen
Ordnungsrahmen zu schaffen, innerhalb dessen sieh die Initiative der Akteure
verantwortlich zu bewähren hat. Was bleibt aber von dieser freiheitlichen
Ordnung übrig, wenn die Kapitaleigentümer oder deren Manager die Risiken nicht
mehr beherrschen und tragen? Und wenn sie nur Gewinne einstreichen, die
Verluste aber auf den Staat abwälzen wollen?
Vergessen ist die alte Einsicht, dass die Marktwirtschaft zwingend
Privateigentümer voraussetzt, die bei richtigen Entscheidungen vom Markt – also
von den Menschen, die Güter und Dienste am Markt nachfragen und kaufen – (nicht
vom Staat) mit Gewinn belohnt bei falschen mit Verlust bestraft werden. Diese
marktimmanente Sanktion muss als Disziplinierung allzu waghalsiger
Entscheidungen erhalten bleiben. Sonst bleibt nur noch der Staat, der die
„Anreize“ nach Belieben setzt und das politisch gewünschte Verhalten rechtlich erzwingt.
Dann ist es aber aus mit der wirtschaftlichen Freiheit. Und vorbei mit
wirtschaftlicher Effizienz und Prosperität. Politiker zeichnen sich weder durch
tiefere ökonomische Kenntnisse noch durch höhere, den Unternehmern überlegene
Moral aus.
b) Ordnungsdefizite im Wettbewerb
Zu Recht erwartet man von den Politikern, dass sie um des Gemeinwohls willen
einen staatlichen Ordnungsrahmen setzen, der die „Vermachtung der Märkte“ und
die Verzerrung des Wettbewerbs verhindert. Monopole und Kartelle sollten durch
eine Wettbewerbsordnung ausgeschlossen werden, damit sieh die Preise frei und
gerecht nach Angebot und Nachfrage herausbilden können. Durch die freie
Preisbildung werden Knappheiten signalisiert und überwunden. Diese Einsicht
hatte bereits Ludwig Molina SJ im 16. Jahrhundert durch Erfahrung gewonnen.
eine Einsicht übrigens, die später von Walter Eucken, Joseph Heiler und Wilhelm
Weber für die Soziale Marktwirtschaft fruchtbar gemacht wurde. Das
Monopolverbot galt natürlich erst recht für den Staat – und traf deshalb den
Zentralverwaltungssozialismus und den Staatskapitalismus in gleicher Weise.
Die Frage ist, ob sich dieses Problem mit dem Wendejahr 1989, also mit dem
Zusammenbruch des „Realsozialismus“, von alleine erledigt hat –oder ob es seit
dem Kapitalismus-Crash der letzten Monate eine neue Gestalt annehmen kann.
Dieser Crash ruft Erinnerungen wach an die Weltwirtschaftskrise Ende der
zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Holt uns nun die Geschichte wieder ein, als hätte man nichts aus ihr gelernt.
Dieser Geschichte müssen sich gerade jene Marktwirtschaftler stellen, die noch
das Attribut „sozial“ ernst nehmen und es auf internationaler Ebene neu
auszulegen haben. Gibt es weltweit eine neue Akkumulation und Monopolisierung
des Kapitals, sodass der internationale Wettbewerb darunter leidet? Wird der
„Mittelstand“ langsam aufgerieben? Führt die Entkoppelung von Finanz- und
Realwirtschaft nicht zu wüsten Spekulationen und Preisverzerrungen? Wie ist es
mit der Zuordnung von Wissen, Kapital und Arbeit in einer globalen Börsenwelt,
in der das kurzfristige Shareholder-Value-Denken vorherrscht? Werden Politik
und Kultur, soziale und ökologische Regelungen immer mehr durch private
ökonomische Interessen überwuchert? Bilden sich neue Klassen heran innerhalb
und zwischen den Nationalwirtschaften? Drohen demzufolge neue Klassenkonflikte
zwischen den Habenichtsen und den privilegierten Eigentümern von Wissen und
Kapital?
c) Geschichtliche Erfahrungen
Die meisten dieser Fragen wurden bereits vor bald 80 Jahren in der Enzyklika
„Quadragesimo anno“ (1931) aufgeworfen. Sie erschien auf dem Höhepunkt der
damaligen Weltwirtschaftskrise. Papst Pius XI. reagierte damit zunächst auf die
damals „modernen“ staatstotalitären Bewegungen (Kommunismus, Faschismus,
Nationalsozialismus), indem er ihnen das Subsidiaritätsprinzip entgegenhielt,
welches die freie Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Subjekte hervorhob und
die kleineren gesellschaftlichen Einheiten gegenüber jedem
Staatsinterventionismus in Schutz nahm. Damit wurde aber keineswegs zugleich
der individualisierte Kapitalismus gutgeheißen. Denn dieser offenbarte gerade
auf internationaler Ebene die verhängnisvolle Tendenz, Machtmonopole zu bilden,
die Politik zu dominieren und das Finanzkapital über die Produktion zu stellen.
Oswald von Nell-Breuning war beauftragt worden, einen Entwurf für die Enzyklika
zu erarbeiten. 1928 war er mit seiner Dissertation „Grundzüge der Börsenmoral“
hervorgetreten, in der er sich gegen wilde, auf kurzfristigen Gewinn abzielende
Spekulationen an der Börse wandte, ohne freilich die Börse als den „Markt der
Märkte“ abzulehnen. In der gegenwärtigen Diskussion tun den shareholder-value
könnte sich der Beitrag Nell-Breunings nachträglich als sehr fruchtbar
erweisen. Überdies dürfte der Gegenstand „seiner“ Diagnose in „Quadragesimo
anno“, nämlich ein „finanzkapitalistischer Internationalismus oder
Imperialismus des internationalen Finanzkapitals“ (Nr. 109), nicht allzu weit
von den negativen Phänomenen entfernt sein, die heute mit dem Problem der
„Globalisierung“ verbunden sind, etwa im Bereich der Finanzmärkte und der
Währungsspekulationen. Nell-Breuning konnte freilich noch nicht den Fortschritt
der Informationstechnik erahnen, durch den die Finanzwelt immer „virtueller“ und
die Finanzzirkulation immer schneller geworden ist.
Mit diesem „Kapitalismus“ sprach Plus „eine wider alles Recht angemaßte
gesellschaftliche Herrschaftsstellung des Eigentums“ an (Q A Nr. 114). „In der
Tat“, so der Papst, „kommt ja eine solche Herrschaftsstellung von Rechts wegen
gar nicht dem Eigentum zu, sondern der öffentlichen Gewalt. ... Mit vollem
Recht kann man ja dafür eintreten, bestimmte Arten von Gütern der öffentlichen
Hand vorzubehalten, weil die mit ihnen verknüpfte übergroße Macht ohne Gefährdung
des öffentlichen Wohls Privathänden nicht überantwortet bleiben kann.“ Dieser
Satz lässt sieh freilich nicht als Plädoyer für eine generelle Verstaatlichung
der Banken deuten. Denn verstaatlichte Banken können ja erst recht eine
„gesellschaftliche Herrschaftsstellung“ ausüben. die ihnen nicht zukommt. Dass
aber private Großbanken der Integration in eine rechtliche Wettbewerbsordnung
bedürfen, scheint heute besonders evident zu sein. Im übrigen aber hielt Plus
XI. fest „Der Gegensatz zwischen sozialistischer und christlicher
Gesellschaftsauffassung ist unüberbrückbar“ (Q A Nr. 117).
Der Markt entbindet nicht nur Kräfte der Selbstheilung, sondern auch der
Selbstzerstörung. Zur Abwehr destruktiver Potenzen entwickelten die
ordoliberalen Vordenker Institutionen und Instrumente, mit denen sich Kartelle
und Monopole wirksam bekämpfen ließen. Ein erweiterter Ordnungsrahmen wird die
gesamte Weltwirtschaft umfassen und dabei besonders die Finanzwirtschaft
ergreifen müssen. Denn der „Marktmechanismus“ – ein antiquierter und
irreführender Ausdruck – funktioniert nicht wie eine Maschine. Erst recht
verhalten sich Menschen, die sich im Wettbewerb auf dem Markt begegnen, nicht
wie Automaten. Als freie Subjekte bleiben sie letztlich unberechenbar. Aber
ohne moralische Regeln, die für alle gelten, erreichen sie kein gegenseitiges
Vertrauen. Eine für alle geltende Moral lässt sieh nur von Gott her denken,
also religiös begründen. Und vieles spricht für die Annahme, dass ohne
persönliche Moral auch das freiheitlichste System auf Dauer zerfällt.
d) Moral und Recht
Um der verantwortlichen Freiheit der Wirtschaftssubjekte willen pochen wir
jetzt verstärk/ auf die Moral der einzelnen. Als Moral noch religiös verankert
war, trug sie erheblich zur Disziplinierung der Willkür und zur Sinnerfüllung
der Freiheit bei. Jetzt, da sie ihre christliche Bodenhaftung weitgehend
verloren hat, wird sie oft selber zur Willkür. Immerhin beklagt man nun den
Verlust von moralischen Werten. Vertrauen und Glaubwürdigkeit werden
allenthalben beschworen, vor allem von jenen, die diese Ressourcen leichtsinnig
verspielt haben. Die Zehn Gebote werden wieder entdeckt, die Tugenden neu
gefordert.
Aufregender als Tugenden sind freilich die abschreckenden Laster, die sich auch
besser verfilmen lassen. Als Laster, die zur Hypotheken- und Finanzkrise
beigetragen haben, wurden von den Medien hervorgehoben: Gier, Maßlosigkeit,
Anmaßung, Eitelkeit etc. Vor ähnlich klingenden Lastern haben uns schon die
frühchristlichen Theologen gewarnt, ohne die Rettung der Marktwirtschaft in den
Blick zu nehmen. Die gegenwärtige Krise moralisierend vor allem auf das Laster
der „Gier' zurückzuführen, dürfte allerdings zu kurz greifen. Dazu müsste man
schon den Unterschied zwischen „Gier“ und „berechtigtem Eigeninteresse“ deutlich
machen. Der Unterschied dürfte in den meisten Fällen darauf hinauslaufen, dass
man die „Gier“ anderen unterstellt, während man selber nur seine legitimen
Eigeninteressen wahrzunehmen vorgibt.
Dass im Spielkasino kein Heil, kein gerechter Gewinn, erst recht kein
dauerhafter „Wohlstand für alle“ zu erwerben ist, diese alte Einsicht ist seit
der grandiosen Spekulationspleite mit substanzlosen Derivaten und windigen
Zertifikaten erneut bestätigt worden.
Vielleicht sollten die Ökonomen künftig weniger von „Spielregeln“ und von
„Spielzügen“ reden. Als ob es sich bei der Marktwirtschaft um ein Spiel
handele. Die Analogie trifft schon deshalb nicht zu, weil der Staat inzwischen
nicht nur die Regeln vorgibt und als Schiedsrichter durchsetzt, sondern selber
mitspielt, sogar als global player. Allerdings gibt es auf weltwirtschaftlicher
Ebene keine Schieds- und Linienrichter, die unfaires Verhalten zurückpfeifen
oder mit Platzverweis belegen können. Einen Weltstaat, der rote oder gelbe
Karten ziehen könnte, gibt es nicht - und sollte es wohl auch nicht geben. Aber
internationale Vereinbarungen, die den wirtschaftlichen Handel und Wandel
rechtlich regeln, sind dringend erforderlich. Wenn die Akteure nicht von
selber, aus Überzeugung und in Freiheit moralisch handeln, bleibt oft nichts
Anderes übrig, als mit rechtlich zwingenden Verboten und Kontrollen zu
operieren. Wer das Vertrauen ruiniert hat, muss mit Kontrollen rechnen. Wer
alles aufs Spiel gesetzt hat, sollte sich nicht auf Kosten anderer sanieren.
Die Katholische Soziallehre hat die Würde, das Recht der Arbeit hervorgehoben,
indem sie die Arbeitnehmer auch als Kapitaleigner ernst nahm. Sie ist es auch,
die zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft beitragen kann, und zwar
international. Auf dem Spiel steht unsere Wirtschaftsordnung vor allem deshalb,
weil sie in den Sog der globalen Spieler und Deregulierer geraten ist. Dem
Idealtyp des global player entspricht ein moralfremder Kapitalismus, der mit
Sozialer Marktwirtschaft im ursprünglichen Sinne nichts mehr zu tun hat.
Die Katholische Soziallehre war übrigens nie eine reine Sozialstrukturenethik.
Die päpstlichen Enzykliken haben die naturrechtlichen Sozialprinzipien, die den
allgemeinen staatlichen Ordnungsrahmen ausrichten sollen, immer mit moralischen
Werten und Tugenden verknüpft, die das Handeln der einzelnen Subjekte
orientieren. Leitbilder wie die vom „ehrbaren Kaufmann“, vom
„vertrauenswürdigen Bankier“, Begriffe wie „Anstand“ und „moralische
Glaubwürdigkeit“ zeichneten auch die Soziale Marktwirtschaft aus und gehörten
zu ihrem Erfolgsrezept.
Wer daran anknüpfen will, möge sich die großen Vermittler in Erinnerung rufen,
die tragfähige Brücken gebaut haben zwischen der kirchlichen Soziallehre und
der Sozialen Marktwirtschaft. Dazu zählen katholischerseits vor allem Joseph
Höffner, Wilhelm Weber und Anton Rauscher. Auf Seiten der Sozialen
Marktwirtschaft wären zu nennen Walter Eucken, Alfred Müller-Annack und vor
allem Wilhelm Röpke.
Soziale Marktwirtschaft als schöpferische Synthese - Wilhelm Röpkes Antwort
Dass es doch noch zu einer Konvergenz, zu einer weitreichenden Synthese
zwischen katholischer Sozialethik und wirtschaftsliberalen Ideen kommen konnte,
ist nicht zuletzt den Bemühungen Röpkes zu verdanken, wenngleich es einige Zeit
brauchte, bis seine Ideen bei den meisten Vertretern katholischer Sozialethik
Anklang fanden.
Hinter dem Begriff „Soziale Marktwirtschaft“, von Müller-Armass 1946 geprägt,
stand das Anliegen einer Vermittlung zwischen einer freien und sozial
verpflichteten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Diese Synthese wurde auch
als „dritter Weg“ zwischen Kapitalismus und Kollektivismus gesucht, so bereits
von Röpke 1942. Lange zuvor hatte sich die Katholische Soziallehre und ihre
Bewegung (vor allem in Deutschland) auf die Suche nach einem „dritten Weg“
gemacht - und diesen über Bischof von Ketteler auch weltkirchlich zur Geltung
gebracht, und zwar in der Enzyklika „Rerum novarum“ von 1891, in der Papst Leo
XIII. Privateigentum und Marktwirtschaft akzeptierte, auch die Koalitionsfreiheit
als Naturrecht begtindete und die sozialpolitische Verantwortung des Staates
forderte. Hier ereignete sich der Brückenschlag zu wirtschaftsliberalen Ideen
vor allem über den Eigentumsbegriff, den Leo MW in Anlehnung an John Locke
formulierte, freilich eingebettet in die Gemeinwohlvorstellung von Thomas von
Aquin.
Mit Götz Briefs war Röpke der Meinung, dass der Liberalismus als Weltanschauung
am Ende sei. Beim „wirtschaftlichen“ Liberalismus ginge es nur um den
Anwendungsfall liberaler Ideen (nicht Ideologien) auf den wirtschaftlichen
Handlungsbereich. Ein Indiz dafür, dass die wirtschaftsliberale Sache weithin
als entideologisiert galt, sind auch die Bedenken Röpkes und anderer
Ordo-Liberaler gegen den missverständlich-schwammigen Begriff des „Neoliberalismus“,
der gegenwärtig eine polemische, völlig unreflektierte Renaissance erfährt.
Röpke gehört nicht zu den Liberalen des Laissez-faire, erst recht nicht zu den
Anhängern der kontinentalen Aufklärung (Voltaire, Rousseau) mit ihrem
konstruktivistischen, zentralistischen Denken. Auch lehnte er eine scharfe
Trennung von Recht und Moral, von Politik und Wirtschaft ab. An vielen Stellen
zeigt sich seine Nähe zur englisch-amerikanischen Aufklärungstradition (John
Locke, Adam Smith), besonders stark aber orientiert er sich an einem Humanismus
im Gefolge des christlich-abendländischen Menschen- und Ordnungsbildes.
a) Moralische und rechtliche Ordnung der Wirtschaft
Aus dem Blickwinkel seines personalen Menschenbildes spricht Röpke von einer
„wechselseitigen Abhängigkeit der Individuen“. Das Bekenntnis Röpkes zum Wesen
des Menschen als soziales, an Gott gebundenes Wesen, geht in seiner Konsequenz
so weit, als „moralische Grundlage“ für eine Marktwirtschaftsordnung die Zehn
Gebote anzusehen. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, wie weit
die moralische Ordnung auch in die (erzwingbare) staatliche Rechtsordnung
einfließen sollte. Wenn auch spätestens seit Thomas von Aquin feststeht und von
Röpke bestätigt wird, dass nicht alles, was moralisch geboten ist, auch
zugleich zum staatlichen Recht gehört. so ist doch bemerkenswert, dass bei
Röpke der grundsätzliche naturrechtliche Zusammenhang von Moral und Recht
gewahrt bleibt und dem Rechtspositivismus eine Absage erteilt wird.
Infolge des Primats des Überwirtschaftlichen kann es, wie Röpke feststellt,
auch keine absolute Autonomie des Wirtschaftlichen geben, – höchstens, wie das
Konzilsdokument „Gaudium et spes“ meinte, eine „relative“ Autonomie. Denn das
Wirtschaftsleben sei nur ein Teil des größeren und umfassenderen Ganzen der
Gesellschaft, deren Wesen durchaus geistiger Art sei. Das Wirtschaftliche wird
von einem „metaökonomischen Rahmen“ gehalten, dein Elemente des Politischen,
Sozialen, Rechtlichen, Moralischen und Religiösen angehören.
b) Konkretisierungen der Werte und freiheitliche Institutionen
Wie können diese Werte und Ziele, so abstrakt sie auch erscheinen, in die
Wirklichkeit übersetzt werden? Röpke verlangt von der Marktwirtschaft die
„Erfüllung überwirtschaftlicher Ideale“. Die Frage nach den Mitteln, dies zu
erreichen, stellt sich bei Röpke als die „große Frage“ heraus: Wie können Wert
und Würde des Menschen, die Unantastbarkeit seiner Person, wie können Freiheit
und Gerechtigkeit unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft gewahrt
werden, ohne dass zugleich der materielle Fortschritt gehemmt oder zum
Stillstand gebracht wird? Diese Frage sei die gleiche, wie sie auch von der
Enzyklika „Mater et Magistra“ (1961) gestellt worden sei. Johannes XXIII. sei
es nicht weniger klar als den sogenannten „Neoliberalen“, dass die rechte
Antwort auf diese Frage zweierlei umfassen müsse: die entschiedene Absage an
den Sozialismus – und den „offenen Blick auf die Ansatzpunkte einer
Neugestaltung der Marktwirtschaft, welche Würde und Wert des Menschen, Freiheit
und Gerechtigkeit, Person und Familie gegen die unleugbaren Gefahren der
modernen Industriegesellschaft schützt“.
Die meisten Marktwirtschaftler befürworten aus Gründen der Freiheit
Ordnungsprinzipien der „Koordination“ und der „spontanen Ordnung“ und sind
skeptisch gegenüber „Subordination“ und „Organisation“. Als freiheitssicherndes
Kompetenzverteilungsprinzip wird von Röpke das Subsidiaritätsprinzip
hervorgehoben und gegen staatlichen Zentralismus und wirtschaftliche Monopole
kritisch zur Geltung gebracht, ganz im Sinne der von Röpke hochgeschätzten
Enzyklika „Quadragesirno anno“.
Röpke fasst den Begriff der „Freiheit“ als einen moralischen Begriff
allerhöchster Ordnung auf. Freiheit ist aber ohne moralische Bindungen
unmöglich. Unter Freiheit kann nicht ein beliebiges Tun-und-Lassen-Können, eine
Loslösung von allen Bindungen und Schranken verstanden werden. Gerade für die
„wirtschaftliche Freiheit“, in der der Appetit des Einzelnen besonders
entfesselt sei, gälte, dass eine Freiheit ohne Normen, Regeln und moralische
Selbstdisziplin der Einzelnen „die furchtbarste Unfreiheit für alle diejenigen,
die dabei zertrampelt und versklavt werden“, bedeute.
Freie Privatinitiative und Privateigentum sind zwei notwendige „Säulen einer
christlich-humanen Ordnung der Gesellschaft und Wirtschaft“, meint Röpke in
Übereinstimmung mit der Katholischen Soziallehre. Sie sind aber eben auch an
bestimmte Tugendhaltungen gebunden, die, wenn nicht vorhanden, durch zwingende
Rechtsordnungen kaum ersetzbar sind. Als höhere ethische Werte, die der
politischen und wirtschaftlichen Freiheit vorgegeben sind und damit das „Wozu“
der Freiheit sinngebend ausfüllen, anerkennt Röpke „Gerechtigkeit.
Verantwortung für das Ganze, Wohlwollen und Sympathie“. — Werte, die ihm „wichtiger
sind als alle wirtschaftlichen Gesetze und nationalökonomischen Prinzipien“.
Als Wertvermittlungsinstanzen werden „Familie, Kirche, echte Gemeinschaften und
Überlieferung“ genannt.
Überdies kann eine wirtschaftliche Integration nach Röpke nicht ohne ein
Minimum an Vertrauen, Verlässlichkeit Vertragstreue, Achtung,
Rechtschaffenheit, Fairness, Berufsehre, Ehrlichkeit bestehen. Diese
Gewissensnormen des Sittengesetzes hängen in ihrer Realisierung jedoch stark
von der Selbstdisziplin der Einzelnen ab und bedürfen daher, wie er meint,
einer notwendigen Ergänzung: Zur Eindämmung des Privatinteresses sind, neben
dem Sittengesetz, ein funktionsfähiger Wettbewerb und die Gruppendisziplin
einer (auch staatlichen) Rechtsordnung notwendig. „Auch die wirtschaftliche
Freiheit kann keinen Bestand haben wenn nicht irgendwo eine Bremse des
ungezügelten Willens und Appetits eingebaut ist. Je weniger diese Bremse an
Innern des Menschen selber wirkt, tau so mehr muss sie ihnen von außen angelegt
werden“. Röpke deutet hier das Dilemma an, dass ein wachsender Mangel an
persönlicher Moral, die in freier Selbstdisziplin praktiziert wird, durch
zunehmende staatlich-erzwingbare Regulierungen kaum kompensierbar ist, weil
diese wiederum die Freiheitsspielräume – und damit das Bewährungsfeld für
moralische Initiativen immer weiter einengen.
c) Gemeinwohlfunktion des Staates
Nach Röpke muss der freie Wettbewerb, mit dem die Marktwirtschaft steht und
fällt, auf jeden Fall gegen eine doppelte „Entartung“ geschützt werden: gegen
das Monopol und gegen zügellosen, verzerrten Wettbewerb. Kein
Harmonieoptimismus, keine „unsichtbare Hand“, die alles von alleine regelt,
kann nach Röpke den Staat ersetzen. Ausdrücklich bejaht Röpke den auch in der
Enzyklika „Mater et Magistra“ vertretenen Standpunkt der Katholischen
Soziallehre, dass der Gebrauch des Eigentums nur innerhalb der Schranken des
Gemeinwohls Legitim sei. An anderer Stelle konzediert er, dass es Fälle gäbe,
wo das Gemeinwohl gegen den Markt und seine Maßstäbe auszuspielen ist – und wo
ein höherer Rang für das bonum commune in Anspruch genommen werden muss. Dies
ist immer noch aktuell hinsichtlich einer angemaßten politischen „Herrschaft
der Verbände“ – und heute besonders in Hinsicht auf die wild gewordenen
Finanzmärkte.
Allerdings ist es für Röpke wie mir uns eine schwierige Frage, inwieweit es
sich bei den Begriffen „Gemeinwohl“ und soziale Gerechtigkeit“ um einigermaßen
eindeutige Begriffe, um klare Richtungsanzeiger handelte. Es geht hierbei in
der Tat um entscheidende inhaltliche Interpretation-, Ermessens- und
Abwägungsfragen, deren Beantwortung nicht monopolisiert werden kann, sondern
einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs überantwortet sind.
Was ist zu tun?
1. Zunächst zur Finanzkrise: In der Hoffnung auf Gewinn müssen Banken und
andere Unternehmungen Risiken eingehen. Je mehr man riskiert, desto höher kann
der Gewinn sein, aber auch der Verlust. Natürlich neigt jeder dazu, den Gewinn
zu privatisieren und den Verlust zu sozialisieren. Diese Rechnung kann jedoch
nicht aufgehen. Wer ein Risiko eingeht, muss es auch tragen und Für die
Verluste haften. Wegen der großen Bedeutung und Verantwortung der Banken für
das Geld- und Kreditwesen hat der Staat die ordnungspolitische Aufgabe,
wirksame Regeln zur Risikoabschätzung und -haftung aufzustellen sowie für
Transparenz zu sorgen. Aber wie das Beispiel der Landesbanken zeigt, würde eine
Verstaatlichung der Banken das Problem eher noch verschärfen. Von Politikern
und Staatsbeamten darf man bei der Vergabe von Krediten keine ökonomische Kompetenz
erwarten.
2. Die Folgen der gegenwärtigen Rettungspolitik werfen ihre Schatten voraus.
Die staatlichen Subventionen laufen auf nationale Protektion hinaus, sie wirken
sich schädlich für eine europäische und globale Wirtschaftsordnung aus. Für die
wachsenden Staatsausgaben die Steuern zu erhöhen, vermindert die Chancen der
Bürger, eigenverantwortlich Daseinsvorsorge zu treffen. Steuererhöhungen sind
überdies unpopulär, lieber wälzt man die Lasten auf künftige Generationen ab.
Die zunehmende Verschuldung des Staates minimiert jedoch seine
Handlungsspielräume, weshalb er bereit zu sein scheint, die Gefahren der
Inflation in Kaut' zu nehmen, durch die sich der Staat entschulden kann. Die
Inflation läuft jedoch auf eine ungerechte Enteignung der Bürger hinaus. Schon
Joseph Höffner hat warnend darauf hingewiesen, dass Schulden durchaus etwas mit
moralischer Schuld zu tun haben können.
3. Erschwerend hinzu kommen weitere Aufgaben, die das Eingreifen des Staates
erforderlich machen, zugleich aber seine finanziellen Möglichkeiten
überfordern. Zur Abwendung des „Klimawandels“ werden die Ausgaben irr den
Umweltschutz erheblich ansteigen. Und die Kosten, die uns die demographische
Entwicklung noch auflasten wird, werden von den Sozialversicherungen kaum noch
getragen werden können. Schon jetzt sind diese Institutionen, die einmal als
Selbstverwaltungskörperschaften subsidiär konzipiert waren, so stark unter die
staatliche Vormundschaft geraten, dass man mit ihrer völligen Verstaatlichung
rechnen muss.
4. In Zeiten schwindenden Wachstums verschärfen sich die Verteilungskämpfe.
Manche warnen schon vor „sozialen Unruhen“ oder drohen sogar damit. Die
Erwartungen an die Problemlösungskompetenz des Staates steigen in dem Maße, wie
die Selbstregulierungskräfte des Marktes nachlassen. Werden die Erwartungen an
den Staat nicht erfüllt, wird das „Staatsversagen“ zum großen Thema. Somit
könnte auch die Demokratie in eine Legitimationskrise geraten. Um so dringender
erscheint eine neue Bewährung der Sozialen Marktwirtschaft einschließlich einer
Sozialpartnerschaft, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften nach
verantwortlichen Lösungen suchen.
Literaturhinweise
Ludwig Erhard: Wohlstand für alle. Düsseldorf 1957 (Neuauflage Köln 2009).
Alfred Müller-Armack: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft. Hamburg 1946.
Wolfgang Ockenfels: Wilhelm Röpke als christlicher Wirtschaftsethiker. In:
ORDO, Band 50, Stuttgart 1999, 53 - 59 (Dort finden sich die Quellen zu den
Röpke-Zitaten).
Ders.: Katholische Kirche und Soziale Marktwirtschaft. Unterschiede und
Übergänge. In: Die Neue Ordnung 46 (1992), 184 - 196.
Wilhelm Röpke: Jenseits von Angebot wird Nachfrage. Bern, Stuttgart (5. Aufl.)
1979.
Eberhard Welty: Was nun? Grundsätze und Hinweise zur Neuordnung im deutschen
Lebensraum. Brühl o. J. [1945]
Zur Person des Verfassers
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Ockenfels OP lehrt Christliche Sozialwissenschaft an der
Theologischen Fakultät Trier und leitet das „Institut für
Gesellschaftswissenschaften Walberberg“ in Bonn.
C-Vermerk: „Kirche und Gesellschaft“, Herausgegeben von der Katholischen
Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach, Nr. 361, J.P. Bachem
Verlag, GmbH, Köln 2009, S. 3-16.
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