Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 01.02.11 |
von Albrecht Hey
Wie muß man sich
den Alltag auf dem Schulschiff der Bundeswehr, der Gorch Fock, vorstellen? Wie
lange ist die Besatzung am Stück auf See?
Die Offiziersanwärter, die vor ihrem Dienst bereits ein Jahr
in der Marine gedient haben, sind ein viertel Jahr zur Ausbildung auf dem Schulschiff.
Jeder Offizier der Marine hat seine Karriere auf der „Gorch Fock“ begonnen, die
seit 1958 im Dienst der Bundeswehr fährt. Die „Gorch Fock“ ist das einzige
unbewaffnete Kriegsschiff und konnte aus diesem Grund während des Kalten
Krieges Häfen anlaufen, in die kein westliches Militärschiff Einfahrt erhalten
hätte. So lag die „Gorch Fock“ inmitten des Kalten Krieges bereits in
Petersburg vor Anker.
Sind die Sachsen
und Thüringer insgeheim ein Seefahrervolk? Rein statistisch gesehen kommen
viele Soldaten aus dem mitteldeutschen Raum?
Ob die Mitteldeutschen ein Seefahrervolk sind, mag
dahingestellt bleiben, aber daß die meisten Rekruten in der Marine mittlerweile
aus Sachsen kommen, ist eine Tatsache. Davor waren es vorwiegend Soldaten aus
Bayern.
Was sehen Sie als
wichtigste Aufgabe an, daß das Leben an Bord funktioniert; muß man ein
Teamplayer sein?
Da die Rekruten quasi kaum Privatsphäre haben, währendem die
Offiziersanwärter eigene Kabinen haben, müssen sie auf alle Fälle, um des
gemeinschaftlichen Friedens willen, Teamplayer sein, ohne gegenseitige Achtung
und Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Kameraden geht gar nichts.
Als Seelsorger
haben Sie lange auf der „Deutschland (A 59)“ gearbeitet, was waren Ihre
Impressionen? Seefahrerromantik oder harte Rekrutenausbildung? Die Besatzung
der „Deutschland“ (Schulschiff Klasse 440) zählte immerhin 30 Offiziere, 30
Portepee-Unteroffiziere, 90 Unteroffiziere, 180 Mannschaftsdienstgrade, 120 Offizieranwärter,
6 Zivilangestellte
Die Seefahrerromantik ist eine pure Illusion, der
Schiffsalltag ist genau strukturiert und verlangt von der gesamten Mannschaft
ein Höchstmaß an Disziplin; eine Ausbildung auf einem Schillschiff ist und bleibt
eine harte Zeit. Während dieser Zeit müssen die Offiziersanwärter sämtliche
Positionen im Schiff durchlaufen, um später, bei der Befehlsausübung, alle
Prozesse, die sich am und unter Deck abspielen, genau zu kennen. Nur wenn der
spätere Kapitän genau weiß, wie die Maschine funktioniert, vermag er die dort
ablaufenden Prozesse zu kalkulieren und diese bei seinen Befehlen zu
berücksichtigen.
Wie wurde zu Ihrer
aktiven Zeit als katholischer Militärseelsorger das religiöse Angebot
wahrgenommen?
Die Besatzung ist, wie im wirklichen Leben auch, ein Spiegel
der Gesellschaft. Und in Zeiten der Säkularisation sind es zunehmend immer mehr
Soldaten, die nicht in den Gottesdienst kommen. Zu meiner Zeit auf der
„Deutschland“ zelebrierten wir, der evangelische Pfarrer und ich, Meßfeiern am
Wochenende, ein Wochenende eine katholische Meßfeier, ein Wochenende einen
evangelischen Gottesdienst.
Was sind die
konkreten Aufgaben eines Militärseelsorgers, wie viele Personen üben bundesweit
dieses Amt aus?
Neben den pastoralen Aufgaben zählt die persönliche
Betreuung des militärischen Personals zu den vordergründigen Aufgaben eines
Militärpfarrers. Der Pfarrer trägt die Uniform der Bundeswehr, ißt in der Messe
und ist dem Kapitän ratschlagend und beratend zu Seite. Der Pfarrer hat so,
gegenüber dem medizinischen Personal beispielweise, eine Ausnahmestellung an
Bord.
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