Erschienen in Ausgabe: No. 25 (2/2006) | Letzte Änderung: 27.01.09 |
Immergleiche britische Komödie wenigstens ohne Happy End
von Anja Schachtschabel
David Nicholls: Ewig Zweiter. Kein&Aber 2006, 283 S., 19,90 Euro, ISBN: 3-036-95153-9.
Stephen McQueen ist die zweite Besetzung für
das Stück „Verrückt, verworfen und gefährlich“
über Lord Byron am Hyperion Theatre in London. Er hat kurz einen
Auftritt als Geist, darf aber ansonsten nur darauf hoffen, dass der
Star des Stückes, Josh Harper, ausfällt, damit Steve einmal
die Titelrolle spielen kann und ihm der Durchbruch als erfolgreicher
Schauspieler gelingt. Auch außerhalb des beruflichen
Lebens spielt McQueen nur die zweite Geige: seine Ex-Frau ist wieder
verheiratet und erwartet ein Kind, flirtet aber weiter mit ihm; die
obligatorische siebenjährige gemeinsame Tochter entfremdet sich
vom Vater, und sogar seine eigene Wohnung wirkt wie eine Parallelwelt
ohne Kühlschrank.
Damit reiht sich das Buch ein in die
Reihe der gewohnten englischen Literaturimporte, die mit ihrem
anfangs hoffnungslosen, aber für Kenner aussichtsreichen Setting
eines Mittelklasse-Antihelden alle gut eingerichteten Leser und
Filmfreunde da abholt, wo sie es sich mit Chips und Erdnüssen
bei Nick Hornby und Richard Curtis gemütlich gemacht haben. Mit
„Ewig Zweiter“ hat der Verlag einen Titel gewählt,
der auch alle Scheiternden und wirklich Zu-kurz-gekommenen anspricht,
dabei besonders alle scheitenden Kunstschaffenden, die glauben, hier
vielleicht noch was lernen zu können.
Die Rollen, die der dreißigjährige
Stephen McQueen bisher gespielt hat, waren entweder Leichen oder ein
singenden Eichhörnchen, das sogar ein Verkaufsschlager wurde.
Seine Ex-Frau bezeichnet das als Scheitern. Sie selbst war früher
auch Schauspielerin, hat aber schnell den Schritt ins lukrativere
Investmentbanking getan und drängt Steve dazu, das auch zu tun.
Ihrem messbaren Erfolg, sie hat ein Haus, eine intakte Ehe und
überlegt, das Kind auf eine Privatschule zu schicken, steht
Steves Versagen als Schauspieler klassisch antipodisch gegenüber.
Er hält an seinem Traum fest und an der idealistischen
Einstellung, man müsse das tun, was man am besten könne und
hinter dem man steht. Seine Lebendigkeit gegenüber dem
Establishment – übrigens auch einer Schauspielerkarriere –
, gezwungenermaßen seine Unangepasstheit wendet sich mehr und
mehr in eine Farce je älter er wird und je absehbarer er mit
diesem Weg keinen Eintritt in eine ökonomisch gesicherte
Daseinsweise findet.
Das Thema des Scheiterns wird daher
in diesem Roman verwässert zu einer Aufforderung, den richtigen
Absprung zu finden, sich den Wirklichkeiten zu stellen, die Jugend
hinter sich zu lassen, erwachsen und vernünftig zu werden. Aus
diesem Grund kann es kein Happy End geben, Happy Endings sind
gefühlhafte utopische Erfüllungen, nicht das
Sich-zusammenreißen und Kompromisse-machen, das den
Zweitligisten zusteht. Steve behält also seine Lebendigkeit
zum Preis des voraussichtlich weiterführenden Scheiterns, und
der Roman bleibt wenigstens in dieser Hinsicht integer.
Ansonsten kommt man beim Lesen
schnell in den Text der typischen englischen Komödie:
Verwirrung und Lügen, die
deutlich einer Komödienschreiberfeder entstammen; Liebe,
Verwicklung, Enttäuschung und die obligatorische Tochter,
sich dem Haupthelden entfremdet. Steve gerät in den Dunstkreis
von Josh befreundet, verliebt sich in Joshs Frau Nora mit
zugehörigem Eklat, hat mehrere Alkoholaussetzer und spielt
schließlich Lord Byron vor einem Publikum von 7 Personen.
Erzählt wird das alles etwas tapsig, ungefährlich, fast süß
geschrieben im Stil von „…in letzter Sekunde fällt
dem Held ein auf dem Fünfmeterbrett ein, dass er nicht schwimmen
kann.“ Es ist fluffig und schnell lesbar, dabei durchaus
unterhaltend, aber flache Unterhaltung.
Die Entwicklungen sind vorhersehbar.
Man weiß, er kriegt seinen großen Auftritt, aber wenn der
Titel des Buches wahrhaftig sein will, dann muss er scheitern, also
scheitert er. Man weiß, Nora tritt noch mal auf, eventuell
fliehen sie zusammen. Und es ist so: Nora erwartet ihn am Ende in
seiner Wohnung und eventuell fliehen sie zusammen.
Man erkennt an Nicholls Stil den
Drehbuchautor, der sein „Drehbücher erfolgreich schreiben“
Handbuch brav gelesen hat, auch an der Konstruktion der schemenhaften
und eindimensionalen Charaktere: Der Held, ein trotz allem
gutaussehender 30er, der was kann und der Bildung hat, aber leider
nicht zum Zuge kommt, weil er viel zu brav ist und nie die richtige
Chance hatte; der erfolgreiche Überschauspieler, der immer ein
bisschen an Johnny Weismüller als Tarzan erinnert, nie zu
spät kommt, immer gesund ist, umschwärmt, aber dumm. Er
gesteht Stephen, ihn um seine Belesenheit und seine Art, sich in die
Rollen einzuarbeiten, beneidet zu haben. Als Mensch ist er nicht
abstoßend, sogar eine Art Psychogramm wird aufgebaut, aber er
ist eindeutig derjenige, der die Ehe zerstört.
Dann seine Frau, die auch mehr sein
soll als sie ist, die sarkastische, intelligente, sexy Nora,
ehemaliges Bandmitglied. Sie soll ihren Mann lieben, betrinkt sich
aber ständig (wohl ein Zeichen von Verzweiflung) und sticht aus
der Künstlermasse nur heraus, weil sie Steve auf dem Loftklo
begegnet ist und ihm verschwörerisch zugezwinkert hat.
Trotz der Verarbeitung von Filmen,
Szenen Drehbüchern, Filmbeschreibungen bleibt die Romansubstanz
bruchstückhaft filmisch, für einen filmhaften Roman ist zu
wenig Film lesbar, aber vielleicht klappt es dann – die
Filmrechte sind schon verkauft - bei der Verfilmung eines romanhaften
Filmes mit vielen Off-Einsprachen des Helden. Manchmal wird es ja
ganz glücklich gelöst, die mehrseitigen langweiligen
inneren Monologe im Film durch einfaches Dastehen und Starren
auszudrücken.
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