Erschienen in Ausgabe: No 69 (11/11) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Ingo Runnebaum
Herr Professor Runnebaum, die Jenaer
Klinik ist deutschlandweit und international eine der bekanntesten Kliniken für
Frauenheilkunde, sie wurde 1778 gegründet und ist die zweitälteste der
Bundesrepublik, einige der berühmtesten Frauenärzte haben hier gewirkt. Was
bedeutet dies konkret für Sie und Ihr Team?
Diese über mehr als zweihundert Jahre währende
Geschichte erfüllt alle Mitarbeiter mit Stolz und verpflichtet sie gleichzeitig
zu großem Engagement und zu qualitativen Höchstleistungen. Etwa 200
Mitarbeiter/innen kümmern sich täglich um die Gesundheit der Frauen. Von je her
behandeln wir als eine der wenigen Universitätsfrauenkliniken das gesamte
Spektrum der frauenspezifischen Erkrankungen. Persönlich empfinde ich es als
eine große Ehre und Aufgabe, in einem derart hervorragenden Team an diesem so
renommierten Uniklinikum als Direktor mitzuarbeiten.
Kann ich mir Ihre Klinik auch selbst
aussuchen oder ist dies nur durch eine Überweisung eines Frauenarztes möglich?
Jede Frau kann sich jederzeit unabhängig von der
Art der Versicherung in unserer Poliklinik in der Bachstraße 18 vorstellen und
beraten lassen. Wir arbeiten mit vielen Frauenärzten/innen bundesweit und in
ganz Thüringen eng zusammen. Oft empfehlen diese die Einweisung und überweisen
an uns. Wir ergänzen also die Arbeit der niedergelassenen Ärzte.
Gibt es auch die Möglichkeit
Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen?
Unsere spezialisierte Vorsorge geschieht oft in
Zusammenarbeit mit den Praxen und den Instituten am Uniklinikum. In der
Dysplasie-Sprechstunde können wir beispielsweise unseren Patientinnen die
Frühveränderungen am Gebärmutterhals mit Lupenvergrößerung direkt am Monitor
verdeutlichen. Auch in der Brustsprechstunde zeigen wir auf dem Bildschirm
eventuell vorhandene Veränderungen in der Brust und veranlassen weitere
Verfahren zur raschen Abklärung.
Viele Bürger in Jena wissen nicht, dass
es an der Jenaer Universitätsfrauenklinik auch eine Poliklinik gibt.
Ja, man denkt immer an Uni und weniger an
Poliklinik. Unsere Poliklinik steht allen offen. Wir ergänzen mit unseren
Spezialsprechstunden - z. B. zu den Themen Kinderwunsch, Brustoperationen,
Gebärmutterveränderungen, Schlüssellochchirurgie, also Bauchspiegelung,
Harninkontinenz und das große Feld an ästhetischen Korrekturen - das
Behandlungsangebot der Jenaer Frauenarztpraxen.
Nun gibt es bei derart großen Häusern
immer Vorbehalte, ob die Klinik der einzelnen Patientin gerecht wird, viele
Patientinnen haben Angst vor einer anonymen Behandlung: Sind diese Vorbehalte
berechtigt?
Mein gesamtes Team hat es sich zur Aufgabe
gemacht, dass wir uns mit viel Empathie, Behutsamkeit und Menschlichkeit
unseren Patientinnen zuwenden. Höchste Sicherheit verbunden mit optimaler
Lebensqualität ist unser Motto. Auch wir haben manchmal mit dem Vorurteil zu
kämpfen, dass Patienten an Unikliniken als Versuchskaninchen für auszubildende
Ärzte oder für wissenschaftliche Studien möglicherweise herhalten sollen. Dies
ist aber vollkommen abwegig, denn in Jena wird nach den neuesten und
international anerkannten Standards gearbeitet. Die individuell abgestimmten
Behandlungen führen spezialisierte und erfahrene Kollegen durch. Zweimal am Tag
sprechen wir über alle Patientinnen. In unseren vier Operationssälen operieren immer
sehr erfahrene Ärztinnen und Ärzte. Alle Mitarbeiter kennen sich mit den
neuesten Medikament- und Instrumententwicklungen bestens aus, gerade auch im
Hinblick auf die Schmerzbehandlung, die Früherkennung und die Tumortherapie.
Unsere Schwestern geben sich für eine optimale Pflege die größte Mühe. Ihnen
gebührt auch an dieser Stelle mein besonderer Dank!
Sie haben an vier großen deutschen
Uni-Frauenklinik in leitender Position gearbeitet. Herr Professor Runnebaum:
Was sind spezielle Qualitätsmerkmale der Jenaer Frauenklinik?
Die gut abgestimmte und engagierte Teamarbeit
aller Beteiligten, das Sich-Einlassen auf die einzelne behandlungssuchende Frau
und unser operatives Können. Zu meinem Team zählen sieben Top-Spezialisten, die
die einzelnen Säulen des Fachs verkörpern. Besondere Leistungsmerkmale sind die
äußerst gewebeschonenden und ästhetisch optimalen Eingriffe an der Brust, am
inneren und äußeren Genitale durch die Bauchspiegelung (teilweise mit nur noch
einem Einstich), die Operationen bei selbst weit fortgeschrittenen Tumoren -
meist bis zur vollständigen Entfernung des erkrankten Gewebes, der Erhalt oder
die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit mit neuen Methoden und die
Brustvergrößerung oder auch -verkleinerung, für die unsere Patientinnen oft einen
langen Anfahrtsweg in Kauf nehmen.
Am Bauch operieren wir fast immer laparoskopisch,
d. h. minimal-invasiv und ohne große Schnitte. Dies ist für die Patientin
schonender und kosmetisch von größtem Wert. Wir haben mit diesem Zugangsweg
neue OP-Techniken entwickelt.
Wie gestaltet sich die postoperative
Behandlung?
Entscheidend sind die Schmerztherapie und die
Pflege. Dabei arbeitet das gynäkologische Team eng mit den Narkoseärzten
zusammen. Diese Anästhesisten sind für ihre Innovationen in der Schmerztherapie
national und international bekannt - von diesen verbesserten Therapien
profitieren unsere Patientinnen täglich. Spezialisierte Schwestern und
Sozialarbeiterinnen kümmern sich dann um die Entlassung und um eine eventuelle
Anschlussbehandlung. Jeder unserer Oberärzte/innen steht über ein Diensthandy
jederzeit den niedergelassenen Kollegen/innen zur Verfügung. Regelmäßig kommen
die niedergelassenen Ärzte zu uns, um über den Krankheitsverlauf der
Patientinnen zu sprechen. Uns ist es wichtig, dass die Patientin auch nach
ihrer Entlassung optimal betreut wird.
Das Interview führte Dr. Stefan Groß
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iq911 09.03.2011 22:31
Tradition und Erfahrung sind eine wichtige Grundlage für Innovationen, auch und besonders in der Medizin. Ärztinnen und Ärzte, die neue Wege gehen, müssen zuerst eine Intuition entwickelt haben und durch Tradition geerdet sein. Nur dann können Sie von einer Mission beseelt sein, die ärztliche Kunst auf der Basis von Wissenschaftlichkeit mit aller Bescheidenheit weiterzuentwickeln. In Jena begann der Anatom und Chirurg Justus Christian Loder, der Goethe das anatomische Präparieren beibrachte, mit der Errichtung eines Accouchierhauses 1778, in dem alle, aber vor allem mittellose Frauen mit Dach über dem Kopf unter medizinischer Betreuung gebären konnten. Im Vordergrund stand von jeher der Gedanke der Lehre für Studenten sowie der der ständigen Verbesserung der Medizin für Frauen.