Erschienen in Ausgabe: No 65 (7/2011) | Letzte Änderung: 06.02.13 |
von Rainer Westphal
Der Vordenker der Neoliberalen gilt als Befürworter eines „bedingungslosen
Grundeinkommen“ in Form einer Negativsteuer, wenn das Einkommen eines Menschen
unter ein gewisses Niveau absinkt.
Es dürfte der Allgemeinheit bekannt sein, dass die Neoliberalen
sich gegen eine Einmischung des Staates wehren mit dem Hinweis, dass dieses einen
Eingriff in die Freiheit beinhalten würde. Man sollte alles den Märkten
überlassen. Dieser Unsinn, welcher die Unfreiheit, Ausbeutung und Ausgrenzung
der vermeintlich „Schwächeren“ beinhaltet, wird u.a. über die Sektierer der
„Tea-Party“ in den USA verbreitet. Deren Thesen treiben mittlerweile selbst den
republikanischen Hardlinern den Schweiß auf die Stirn.
Es dürfte bekannt sein, dass vollkommene Märkte im
volkswirtschaftlichen Sinne lediglich fiktiven Charakter haben. Trotzdem werden
Modelle mit derartigen Prämissen ständig in die Welt gesetzt. Dieses führt
zwangsläufig zu Fehlinterpretationen seitens der Wirtschaftswissenschaftler.
Die letzten Jahre haben dieses gezeigt. Die Vertreter dieser „Erfahrungswissenschaft“
konnten nicht vermeiden, sich ständig hinsichtlich ihrer Aussagen bis auf die
Knochen zu blamieren. Wenn man von Märkten spricht, dann sollte man sich bewusst
machen, dass es nur Märkte mit Ungleichgewichten dahingehend gibt, dass mehr
Nachfrager als Anbieter vorhanden oder mehr Anbieter als Nachfrager existieren.
Dieses kann natürlich, muss aber keinesfalls zu veränderten Preisen führen.
Konzerne und Großunternehmen verfügen über eine gewisse Stellung
im jeweiligen Markt, welche Ihnen die Möglichkeit gibt, auch ohne beweisbare
Preisabsprachen die Preise zu bestimmen. Es wird gegebenenfalls die Produktion
gedrosselt, um einen Druck auf die Preise zu vermeiden. Eine Produktionsausweitung
erfolgt lediglich vor dem Hintergrund, einen höheren Nutzen zu erzielen. Warum
sollte eigentlich ein Unternehmen die Produktion ausweiten, wenn es dazu führt,
dass ein Preisverfall eintritt? Zwecks Profitsteigerung wäre es dann lediglich
interessant, Rationalisierungsinvestitionen zu tätigen, mit dem Ziel der
Senkung der Personal- und Materialkosten. Die
Liste für derartige Beispiele lässt sich beliebig erweitern.
Betrachten wir nun den sog. Arbeitsmarkt, dann müssen wir seit
über einem Jahrzehnt feststellen, dass die Arbeitgeber diesen Markt beherrschen
und zwangsläufig versuchen, die Personal- oder Lohnkosten auf ein niedriges
Niveau zu halten, um die Gewinne und somit die Aktienkurse, steigen zu lassen.
Es sollte endlich verstanden werden, dass man sich in den Führungsetagen der
Unternehmen nur dann für das Wohlergehen der Arbeitnehmer und somit der
abhängig Beschäftigten interessiert, wie es zur Steigerung der Gewinne oder
Erfüllung der Gewinnerwartungen notwendig ist. Wenn es effektiver ist, die
vorhandenen Liquiditäten auf dem Kapitalmarkt einzusetzen, dann stellt sich
ernsthaft die Frage nach dem Sinn einer unternehmerischen Handlung. Es kann
wohl nicht davon ausgegangen werden, dass diese von einer Idealvorstellung
geprägt sein wird, allen Menschen als solches zu dienen.
Es muss davon ausgegangen werden, dass wir es mit einer
Abkoppelung der Wirtschaft, vom Ziel allen Menschen zu dienen, zu tun haben. Es
gilt lediglich nur noch das Prinzip des Bedienens der Geldgeber (Shareholder Value).
Eine derartige Philosophie, welche nur die wirtschaftlichen Interessen einer
Minderheit bedient, muss zwangsläufig ein Umdenken zur Folge haben.
Nun wird bekanntermaßen auf dem Arbeitsmarkt nicht mit Tomaten und
Apfelsinen gehandelt, sondern mit Menschen, die eine gewisse Arbeitsleistung
erbringen sollen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir es mit einer Arbeitslosigkeit
zu tun, die nicht darauf beruht, dass keine Arbeit vorhanden ist, sondern
darauf, dass gewisse Arbeiten nicht, oder nur geringfügig, bezahlt werden. Ein
derartiger, deregulierter Markt führt zur Verelendung von abhängig
Beschäftigten. Um diese Verelendung in Grenzen zu halten,
subventioniert der Staat Löhne und Gehälter auf dem sog. Leichtlohnsektor.
Dieses geschieht auf Kosten der Steuerzahler und dürfte höchst unerwünscht
sein. Diese Vorgehensweise dient letztendlich nur der Profitsteigerung von Unternehmen.
Im Rahmen der Hartz IV Gesetzgebung hat man bewusst eine
Deregulierung des sog. Arbeitsmarktes herbeigeführt, um die Lohnstückkosten zu
senken. Bewusst wurde in Kauf genommen, dass Millionen Menschen in die
festgelegte Grundsicherung gem. Sozialgesetzbuch zurückfallen. Zusätzlich
wurden arbeitsrechtliche Standards abgeschafft, um flexible Vorgehensweisen zu
begünstigen.
Die Neoliberalen gehen von ca. 20 % der abhängig Beschäftigten aus,
welche offen- sichtlich nicht den Anforderungen hinsichtlich der Produktivität
genügen. Diese Zahl ist noch nicht erreicht. Betroffen sind u. a. verstärkt
ältere und jüngere Menschen. Umsonst wurden nicht Personen ab dem 58gsten
Lebensjahr aus der Arbeitslosenstatistik entfernt. Leider muss davon
ausgegangen werden, dass diese Prozentzahl nicht das Ende der Fahnenstange sein
wird.
Im Zuge einer weiteren Privatisierung der Renten- und Krankenversicherung
wird das Elend und der Betrug an Rentnern und an den abhängig Beschäftigten
ständig ausgeweitet. Es ist absehbar, dass nicht nur die heutigen Aufstocker in
eine Altersarmut ohnegleichen fallen werden.
Um in den „Genuss“ der Grundsicherung zu kommen, bedarf es des
Nachweises der Bedürftigkeit bei der Bundesanstalt für Arbeit, vertreten durch
die Jobcenter. Dieser Vorgang beinhaltet die Verweigerung von Grundrechten,
welches mit der Definition Fordern und Fördern umschrieben wird. Allerdings
beschränkt sich das Fördern für den Personenkreis der Alimentierten lediglich
in Disziplinierungsmaßnahmen und ähnlichen Aktionen, zumal vermieden werden
muss, dass reguläre Arbeitsplätze durch falsche Aktivitäten zusätzlich
vernichtet werden.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich die Verhältnisse auf
dem Arbeitsmarkt ohne aktive Arbeitsmarktpolitik nennenswert ändern werden.
Wenn dann noch narzisstisch veranlagte Politiker sich auf 1. Moses 3.19
beziehen und verkünden, dass derjenige der nicht arbeitet auch nicht essen
darf, dann kann davon ausgegangen werden, dass diese aus eigennützigen Interessen
in der Lage sind, weitere üble Handlungen zu begehen. Der Begriff Narzissmus
lässt sich aus der griechischen Mythologie ableiten. Narziss war ein Knabe, der
sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Medizinisch wird diese
Verhaltensstörung mit DSM-IV klassifiziert. In gravierenden Fällen ist davon
auszugehen, dass narzisstisch veranlagte Personen für ihre Handlungen nicht
verantwortlich gemacht werden können.
Was die Jobcenter gegenüber ALG II-Empfängern betreiben, um Gelder
einzusparen, kann als psychische Gewalt im großem Stil bezeichnet werden. Dass
dieses der Fall ist, geht daraus hervor, dass die Bundesanstalt mit dem
Ministerium für Arbeit und Soziales ständig die Anzahl der Sanktionen
vereinbart. Mit Erstaunen stellt man dann plötzlich fest, dass eine Flut von
Klagen die Sozialgerichte blockieren. Der jüngste Schildbürgerstreich
erfolgte vom Landgericht Köln welches den ALG-II Empfängern verbietet Sportwetten
abzuschließen, da derartiges nicht zur Grundsicherung zählt. Der Zeitpunkt dürfte nicht mehr fern sein,
dass die Betroffenen sich zu kennzeichnen haben, damit die Öffentlichkeit diese
als solche erkennt.
Es dürfte auch bekannt sein, dass psychische Gewalt zwangsläufig
irgendwann zur physischen Gewaltanwendung führt.Dieses dürfte auch der Grund sein, weshalb
man in gewissen Kreisen immer wieder die Forderung aufstellt, die Bundeswehr im
Inland einsetzen zu können. Der Lissabon-Vertrag, welcher jedoch nicht das Grundgesetz
aufheben kann, sieht u.U. militärische Einsätze gegen die eigene Bevölkerung
vor.
Milton Friedman war sich als Nobelpreisträger der Probleme
durchaus bewusst, und befürwortete nicht aus uneigennützigen Erwägungen
heraus das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens. Als Grund hierzu ist
anzusehen, dass sich sonst ein neoliberales System aufgrund inhaltlicher
Widersprüche nicht aufrecht erhalten ließe. Das Prinzip eines Marktes sollte
die Möglichkeit beinhalten, gegebenenfalls Verzicht zu üben. Einen erheblichen
Einfluss auf den Arbeitsmarkt kann man dadurch erwarten, dass Arbeitnehmer ohne
Grund über ein bedingungsloses Grundeinkommen aus dem Erwerbsleben, zumindest
befristet, ausscheiden können. Hierbei dürfte auch die Überlegung eine Rolle
spielen, dass der Begriff Beruf etwas mit Berufung zu tun hat, und dass ein Ausscheiden
eines Arbeitnehmers aus dem Berufsleben im Normalfall nicht zur Regel werden
dürfte.
In der Bundesrepublik betreibt man eine neoliberale Politik die nicht
darauf verzichtet ALG II-Empfänger ständig unter Druck zu setzen, und mit der
wirtschaftlichen Existenzvernichtung des Betroffenen zu drohen. Es dürfte sich
deshalb um eine ständige psychische Gewaltanwendung handeln. Um diese permanent
aufrecht zu erhalten, und um zu selektieren, wer den Anforderungen des Staates
nachkommt und nachgekommen ist, bedarf es eines entsprechenden
Informationssystems. Dieses ist bereits vorhanden, und soll über „Elena“
ausgeweitet werden. Gleichzeitig erweckt man aus psychologischen Gründen in der
Öffentlichkeit den Eindruck, dass es nur eines gewissen Druckes bedürfe, um ALG
II–Empfänger wieder ins Arbeitsleben zurückzuführen. Die Aufrechterhaltung
dieser Illusion soll vom Unrecht gegenüber den Betroffenen ablenken.
Als besonders bedenklich wird die Nähe des Vorstandes der
Bundesagentur für Arbeit, Herrn Oberst a.D. Weise, zur Bundeswehr angesehen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass
diese Agentur bald verstärkt Werbung für den Eintritt junger Menschen in eine „Freiwilligenarmee“
betreiben wird. Dass nach Beendigung des Wehrdienstes oder nach einer
Verwundung besondere Jobs für die Betroffenen zur Verfügung stehen, dürfte dann
wohl als gesichert angesehen werden können. Ein anständiges Begräbnis im Falle
eines Betriebsunfalles beim Auslandseinsatz kann ebenfalls garantiert werden.
Aus dem Bundesverteidigungsministerium wird an den Geist der
Truppe appelliert nicht an das Geld für Ihre Tätigkeit zu denken. Es darf wohl
der Öffentlichkeit nicht bewusst gemacht werden, dass künftig Menschen ihren
Lebensunterhalt damit verdienen, zum Töten dressiert zu werden um dann diese
Fähigkeiten aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland für Deutschland
einzusetzen.
Selbstverständlich wurden auch Überlegungen in Sachen
„bedingungsloses Grundeinkommen“ in den Parteigremien angestellt. So gibt es
u. a. das Althaus-Konzept (CDU), welches ein Grundeinkommen von 800 Euro
vorsieht, wovon der Betroffene dann noch 200 Euro für eine Kopfpauschale
abzuführen hat. Diese Überlegungen werden offensichtlich lediglich davon
geleitet, weitere Kostensteigerungen für Unterkunft und Heizung einzusparen.
Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, welche
Perversitäten das be- stehende System beinhaltet. Sollte man sich nicht zu
Korrekturen entschließen, dann sind grundlegende philosophische Neubetrachtungen
erforderlich. Hierzu gehört auch endlich die Erkenntnis, dass es keine faulen
Menschen gibt. Es gibt faules Obst, Gemüse und demotivierte Mitbürger.
Jeder „abhängig Beschäftigte“ sollte wissen, dass die Möglichkeit
besteht, selbst unschuldig in die Situation zu kommen, aus kapitalistischen Gründen
ausgemustert, und in ALG II abgeschoben zu werden. Die abhängig Beschäftigten
müssen begreifen, dass sie nur über entsprechende Gesetze vor der Willkür einer
von elitären Wahnvorstellungen beseelten Oberschicht geschützt werden kann.
Jede konjunkturelle Schwankung nach unten dürfte künftig auf dem Rücken der
Arbeitnehmer ausgetragen werden.
Es gibt Mitbürger, die behaupten, dass in einer Demokratie ein
Volk die Regierung bekommt, welche sie verdient hat. So einfach sollte man
es sich aber nicht machen, da eine „gelenkte Demokratie“ in der Regel nur über
eine gehörige Portion an „arglistiger Täuschung“ durch die Regierenden
existieren kann. Dieses bedingt wiederum Medien, welche diese Täuschungsmanöver
verbreitet.
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