Erschienen in Ausgabe: No 63 (5/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Rainer Westphal
Wenn sich in diesem Lande in den
Unternehmen immer häufiger perverse Verhaltensweisen bemerkbar machen, dann
dürfte es daran liegen, dass sich die Werteverhältnisse aufgrund des Zeitgeistes,
welcher vom Neoliberalismus geprägt wird, verschoben haben. Es lässt sich nicht
verheimlichen, dass diese Gesellschaft förmlich zum Egotrip einlädt. Der
zunehmende wirtschaftliche Zynismus fördert narzisstische Verhaltensweisen, und
somit die seelische Gewalt gegenüber den vermeintlich Schwächeren dieser
Gesellschaft.
Diese Gesellschaft wird immer
oberflächlicher. Es zählt ausschließlich Geld, Erfolg und ein makelloser
Lebenslauf. Die Menschen haben im beruflichen und persönlichen Bereich Angst
davor, nicht mehr mithalten zu können. Nur der Schein zählt. Man muss auf
Nummer sicher gehen und den Schein erfüllen, um zu den Besten zu gehören. In
dieser Gesellschaft, wo die Lüge regiert, versucht jeder sich entsprechend
einzurichten. Ein Versagen kann den totalen gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Absturz zur Folge haben.
Das Schlimme ist, dass wir dieses System akzeptieren. Mit der Zeit wird
dieses zur Norm, und keiner hat mehr ein schlechtes Gewissen.
Von Nutzen sind Einstellung,
Kompetenz nur dann, wenn wir medienwirksam sind, also dem gängigen
Schönheitsbild der Medien entsprechen. Es genügt nicht mehr, ein seriöser
Wissenschaftler oder Firmenchef zu sein, man muss sich auch präsentieren und
verkaufen können. In diesem Zusammenhang hat niemand mehr ein schlechtes
Gewissen, wenn er dass eine sagt oder das andere tut und sein Wort nicht hält,
zumal ja Vorbilder vorhanden sind, die Lügen ohne „Wimpernzucken“ in der
Öffentlichkeit von sich geben.
Opfer von seelischer Gewalt haben
ihre Illusionen über die Arbeitswelt und diese Gesellschaft verloren. All diese
individuellen Enttäuschungen summieren sich, und bewirken einen regel- rechten
Stimmungsumschwung. Es dürfte bereits zur Norm geworden sein, dass jeder jedem
misstraut. Es ist eine Gesellschaft am entstehen, in der jeder jeden als potentiellen
Feind betrachtet, da dieser als Konkurrent anzusehen ist, der den Platz als
solches oder den Arbeitsplatz, abspenstig macht. Das in der Bundesrepublik
vorhandene Sozialgesetzbuch II dürfte ein Garant dafür sein, dass sich die
negative Entwicklung weiter fortsetzen wird.
Um der Gewalt Herr zu werden,
muss man diese im Kontext betrachten. Es ist festzustellen, dass eine
gewalttätige und verächtliche Gesellschaft gewaltätige und verächtliche
Individuen hervorbringt. Deshalb entsteht eine latente Gefahr dahingehend, dass
aus psychischer Gewalt letztendlich physische entsteht.
Als Folge dieser Entwicklung
können wir beobachten, dass sich zweifellos ein Kommunikationswandel vollzogen
hat, der unmerklich auch die Beziehungen der Beschäftig- ten zueinander
verändert hat: Sowohl im verbalen Austausch wie in den E-Mails spricht man
schnell, kommt sofort zum Wesentlichen, schränkt Höflichkeitsfloskeln ein,
nimmt sich keine Zeit mehr für ein richtiges Gespräch. Es entstehen immer,
unter dem Einfluss der neuen Technologien, Formulierungen, die sich vom
allgemeinen Sprachgebrauch unterscheiden. Man
muss den Jargon beherrschen, sich einer kodierten Sprache bedienen, die
Nicht-Eingeweihte ausschließt.
Stefan Zweig schrieb einmal:
„Da die Gewalt in jeder Epoche in anderer Gestalt wiederkehrt, muss man
ihr unentwegt den Kampf ansagen.“
Um eine Veränderung zum Positiven
in dieser Gesellschaft herbeiführen zu können, hätte jedes Individuum, was an
ihr teilhat, sich infrage zu stellen und sich um Veränderung zu bemühen..
Literaturhinweis: Marie-France
Hirigoyen, „Wenn der Job zur Hölle wird“, Seelische Gewalt am Arbeitsplatz
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Gandalf 09.08.2011 18:06
Leider die Realität, doch wie sind notwendige Veränderungen zu erreichen. Wie also entziehen wir z. B. den Sprüchklopfern die Basis? Wie vermitteln wir Jugendlichen z. B. Werte für die es sich einzusetzen lohnt....
Warszawski 04.04.2011 17:24
Eine ausgezeichnete Analyse!