Erschienen in Ausgabe: No. 33 (3/2008) | Letzte Änderung: 06.04.11 |
von Michael Lausberg
Gestützt auf die pädagogische Theorie Rousseaus entwickelte sich eine schulreformatorische
Bestrebung der deutschen Aufklärung, die sich um 1770 in dem Kreise der so
genannten Philanthropen („Menschenfreunde“) verdichteten.[1]
Ernst Christian Trapp (1745-1818) gilt als der Theoretiker unter den
Philanthropen.[2] Sein „Versuch einer
Pädagogik“ aus dem Jahre 1780 stellt den ersten Versuch einer
wissenschaftlichen Begründung auf pädagogischem Gebiet dar. Nicht der
Unterrichtsinhalt oder der Fächerkanon standen bei Trapp im Mittelpunkt,
sondern der neugierige und selbsttätige und dadurch lernende und sich bildende
junge Mensch. Er vertrat die Auffassung, dass Leistung nur dann erbracht wird,
wenn es dafür Motive gibt. Trapp wusste aus Erfahrung, dass Lernen und Leistung
sozialpsychologische Grundlagen benötigt: die Weckung von Neugier und
Ermutigung von eigenen Erkundungen und Erprobungen, eine Sicherheit bietende
pädagogisch förderliche Atmosphäre und bestätigende Erfolgserlebnisse,
Vorbilder und Regeln.
Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums in Philosophie und
Pädagogik holte ihn Joachim Heinrich Campe an das Philanthropinum nach Dessau. Dort
war Trapp als Hauptrezensent für die „Allgemeine Deutsche Bibliothek“ von
Friedrich Nicolai verantwortlich. Die neu geschaffene Universitätsprofessur für
Pädagogik in Halle, mit der er 1779 betraut wurde, war ein auf den
philanthropenfreundlichen Minister Zedlitz zurückgehender Versuch, eine einheitliche
Lehrerbildung an der Universität aufzubauen und von dort aus den Geist des
Philanthropismus in das gesamte Schulwesen zu leiten. Damit zog die Pädagogik
als selbständiges Lehrfach in die Universität ein. Das Pädagogische Seminar,
bisher Teil des Theologischen Seminars, wurde verselbständigt, damit die
Pädagogik von der Theologie losgelöst und der von den Philanthropen vertretene
Staatsschulgedanke weiter durchgesetzt wurde.
Im Jahre 1783 gab Trapp seinen Lehrstuhl wieder auf und verließ aufgrund
von Streitigkeiten die Universität Halle in Richtung Trittau, wo er die Leitung
der dortigen Lehranstalt, die von Joachim Heinrich Campe gegründet wurde,
übernahm.[3] Drei
Jahre später wurde Trapp vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von
Braunschweig-Wolfenbüttel in das Schuldirektorium des Herzogtums Braunschweig
berufen. Dort bestand seine Aufgabe darin, zusammen mit Johann Stuve und
Joachim Heinrich Campe das Schulwesen des Herzogtums zu reformieren. Trotz viel
versprechender Ansätze scheiterte das Reformvorhaben an den Widerständen der
kirchlichen und ständischen Körperschaften.
Das Wesentliche an Trapps pädagogischer Theorie war der Versuch, die
Pädagogik auf eine empirische Experimentalpsychologie statistischer Art zu
gründen.[4]
Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Ermüdung usw. sollten in den verschiedenen
pädagogischen Situationen genau beobachtet und protokolliert werden, und daraus
sollten klare Grundsätze für die Erziehung und den Unterricht abgeleitet
werden.
Trapp befasste sich als erster mit der systematischen Hinwendung zu den
empirischen Quellen der Erziehungslehre und der wissenschaftlichen Pädagogik –
der systematischen Beobachtung der Schüler und systematischen Protokollierung
der Ergebnisse -, in noch rudimentärer Form.
So hieß es in seinem Werk „Versuch einer Pädagogik“: [5] „§
25. Unsere Regeln sind oft aus armseligen, einseitigen, krüppelhaften,
zufälligen Erfahrungen abgeleitet, manchmal noch dazu unrichtig abgeleitet: und
aufs Beobachten sind wir, soviel ich weiß, besonders in Absicht auf die
Erziehung, noch nie recht eingegangen. § 26. Und doch kommt hierauf soviel an.
Denn wenn wir die gehörige Anzahl richtig angestellter pädagogischer
Beobachtungen und zuverlässiger Erfahrungen hätten, so könnten wir ein
richtiges und vollständiges System der Pädagogik schreiben, dergleichen bisher
nicht vorhanden ist.“
Trapp wollte einen Einblick in die innere Seele des Kindes bekommen: [6] „ §
29. (…) Man gebe mehreren Kindern von einerlei Alter verschiedene Gegenstände,
Spielzeug, Bücher, Modelle, Gemälde usw. und lasse sie damit nach Belieben
schalten und walten. Nun gebe man acht auf die Verschiedenheit ihrer
Äußerungen, Empfindungen, Handlungen, Erfindungen usw. (…) Man mache dies
Experiment mit Kindern von zwei bis sechszehn Jahren oder noch weiter. (…) In
allen Arten und Schulen lassen sich unzählige und sehr wichtige Beobachtungen
machen. Aber man denke ja nicht, daß ich dem Lehrer zumute, sie alle zu machen.
(…) Ein Beobachter müßte nun auf jede, auch die allerkleinste Bewegung der
Kinder, auf ihre Ursachen und Folgen acht geben und sie alle gezählt in ihr
Protokoll tragen.“
Trapp erkannte vier Punkte, die als Erziehungsregeln gelten sollten:[7] „§
69. Aus allem, was bisher über die menschliche Natur und die menschliche
Gesellschaft gesagt ist, scheint mir zu folgen, daß sich alle daraus
abgeleitete und noch abzuleitende Erziehungsregeln auf folgende vier
Hauptstücke bringen lassen:
1)Der Tätigkeit freien Spielraum und zweckmäßigen Anlaß
geben;
2)Verhüten;
3)Gewöhnen;
4)Unterrichten.
Ferner scheint mir daraus zu folgen, daß diese vier Hauptregeln in
Ausübung gebracht werden müssen; daß man also z.B. nie unterrichte, ohne der
Tätigkeit der Jugend Freiheit und Beschäftigung zu geben und die Jugend nie
tätig sein lasse, ohne sie zugleich zu unterrichten und in beiden Fällen die
nötigen Gewöhnungen und Verhütungen veranstalte, so wie diese wieder von
Unterricht und Tätigkeit begleitet sein müssen.“
Neben seiner empirisch-experimentiellen Methode lag Trapps Wirkung in der
Aufforderung, dass Lehrer eine akademische Ausbildung genießen sollten sowie
die Einwände gegen den Einfluss der Theologen auf das Schulwesen. Mit seiner
Forderung nach Aufhebung der Trennung zwischen „künftigen Gelehrten“ und
„Nicht-Studierenden“, kann er als frühester Apologet einer Einheitsschule
gesehen werden.
Trapp vertraute auf die natürliche Gutheit des Menschen und auf die
Vernunft als sicheren Wegweiser zum individuellen Glück des Menschen. Durch ein
aufklärerisches Schulprogramm und zukunftsweisender Jugendliteratur wollte er
zu einer Humanisierung des gesamten Lebens durch Erziehung beitragen.[8] Trapp
war Schüler des Aufklärungspädagogen Martin Ehlers, durch den er einen ersten
Einblick in das philanthropische Menschenbild erhielt. Er trat für die
Verstaatlichung des Schulwesens ein, wandte sich jedoch gegen eine staatliche
Bevormundung des Unterrichts. Für die gesamte Lehrerschaft forderte er eine
universitäre Ausbildung.
Der Erzieher spielte eine wesentliche Rolle in dem Erziehungsverständnis
Trapps; die Kinder und Jugendlichen sollten in ihm ein Vorbild sehen und ihm
nachahmen. Die Darbietung des Bildungsstoffes musste laut Trapp auf die
geistige Entwicklung der Schüler abgestimmt sein.
Literatur
- Fritzsch, T. (Hrsg.): Ernst Christian Trapp: Versuch einer Pädagogik,
Leipzig 1913
- Fuchs, M.: Das Scheitern des Philanthropen Ernst Christian Trapp,
Weinheim 1985
- Funke, E.: Bücher statt Prügel. Philanthropistische Kinder- und
Jugendliteratur, Hamburg 1988
- Overhoff, J.: Die Frühgeschichte des Philanthropismus von 1715-1771,
Berlin 2003
- Scholz, G.: 250. Geburtstag von Ernst Christian Trapp, dem ersten
Pädagogik-Professor Deutschlands, in: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft und
Pädagogik, Heft 19, Dezember 1995, S. 127-148
[1] Overhoff, J.: Die
Frühgeschichte des Philanthropismus von 1715-1771, Berlin 2003, S. 21ff
[2] Fuchs, M.: Das Scheitern
des Philanthropen Ernst Christian Trapp, Weinheim 1985, S. 13f
[3] Scholz, G.: 250.
Geburtstag von Ernst Christian Trapp, dem ersten Pädagogik-Professor
Deutschlands, in: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft und Pädagogik, Heft 19,
Dezember 1995, S. 127-148, hier S. 133ff
[4] Ebd. S. 45
[5] Fritzsch, T. (Hrsg.):
Ernst Christian Trapp: Versuch einer Pädagogik, Leipzig 1913, S. 33
[6] Ebd. S. 36ff
[7] Ebd. S. 151
[8] Funke, E.: Bücher statt
Prügel. Philanthropistische Kinder- und Jugendliteratur, Hamburg 1988, S. 154f
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