Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 11.04.11 |
von Pressestelle Klassik Stiftung Weimar
Vom
10. April bis zum 13. Juni 2011 präsentiert die Klassik Stiftung Weimar in der
Cranachgalerie des Schlossmuseums Weimar die Ausstellung »Zwei in Einem. Jacopo
de’Barbaris Christusbildnis«. Sie ist Teil der Reihe »Varietas«, die Neues aus
den Museen vorstellt. Im Fokus der Präsentation stehen die überraschenden
Ergebnisse gemäldetechnischer Untersuchungen, die 2010 an dem Gemälde von
Jacopo de’Barbari durchgeführt wurden.
Mit
Hilfe der digitalen Infrarot-Reflektografie ist unterhalb der Malschicht die
detailliert ausgeführte Zeichnung eines Johannes-Kopfes sichtbar geworden. Die
Entdeckung bedeutet eine Bereicherung des Kenntnisstandes zum Gesamtwerk des
Künstlers, von dem nur wenige gesicherte oder ihm zugeschriebene Gemälde,
Kupferstiche und Zeichnungen bekannt sind. Im Hinblick auf de’Barbaris
Themenspektrum stellt die Johannesdarstellung zudem ein bisher nicht überliefertes
Sujet dar.
Der
aus Venedig stammende Jacopo de’Barbari gehört zu den wichtigsten
Renaissancekünstlern an deutschen Fürstenhöfen. Er arbeitete im frühen 16.
Jahrhundert unter anderem für Kaiser Maximilian und den sächsischen Kurfürsten
Friedrich III. Überliefert sind außerdem persönliche Kontakte zu den Malern
Albrecht Dürer und Lukas Cranach d. Ä.
Zu
Lebzeiten hoch geschätzt und wiederholt mit dem antiken Maler Apelles
verglichen, geriet de’Barbari bald nach seinem Tod in Vergessenheit. Bis heute
haben sich nur 17 gesicherte und ihm zugeschriebene Gemälde sowie 11
Kupferstiche erhalten. Ein charakteristisches Beispiel seiner hohen
Kunstfertigkeit ist das Münchner Stillleben von 1504, das mit feinstem Pinsel
ausgeführt in seiner illusionistischen, plastisch-haptischen Wirkung frappiert.
Auch das Weimarer Christusbildnis zeichnet sich durch eine besonders
feinmalerische Technik aus. Die lasierend aufgetragenen, fast durchscheinend
wirkenden Farben und die feine Linienführung betonen die Zartheit der
Gesichtszüge und den Ausdruck von Sanftmut. Die Frontalität entspricht zwar dem
Typus des Vera Icon, wie er in Gemälden als Abdruck des Christuskopfes auf dem
Schweißtuch der Veronica vertraut war. Aber die direkt auf den Betrachter
gerichteten Augen und der leicht geöffnete Mund scheinen zu einer stillen
Zwiesprache aufzufordern und verlebendigen das Antlitz in Richtung des
Porträthaften. Verbreitet waren im 15. Jh. angeblich zeitgenössische
Beschreibungen vom Aussehen Christi, darunter eine des Publius Lentulus, dessen
Schilderung der idealen und reinen Schönheit Christi Ein¬fluss auch auf
de’Barbari gehabt haben könnte.
Im
14. und 15. Jahrhundert war die Darstellung, den abgeschlagenen Kopf Johannes’
des Täufers in einer Schale zu zeigen, ein gängiges Motiv dreidimensionaler,
plastischer Kunstwerke. Auch als Tondi und Schlusssteinreliefs gibt es
Beispiele für die Verbreitung der »Johannesschüssel«. An wichtigen kirchlichen
Gedenktagen des Täufers, zum Beispiel am 29. August (Tag der Enthauptung), wurden
die Kleinplastiken auf dem Altar aufgestellt. Sie spielten außerdem an
Eingängen zu Johanneskapellen oder in den Johannesbruderschaften eine große
Rolle. In der Malerei hingegen ist um 1500 die Konzentration auf dieses Motiv
als Einzeldarstellung, losgelöst aus einem szenischen Zusammenhang der
Johannesgeschichte, äußerst ungewöhnlich. Zu den Ausnahmen zählt ein in Italien
ca. 1465–70 entstandenes kleinformatiges Tafelbild von Giovanni Bellini. Im
deutschsprachigen Raum bedeutet die gemalte Darstellung als isoliertes Thema
jedoch ein Novum. Möglicherweise liegt darin die Begründung, dass die neuartige
Darstellung als zu radikal empfunden und daher wieder verworfen wurde. Wer die
gemalte Johannesschüssel in Nürnberg eingeführt hatte, kann nicht abschließend
beantwortet werden. Zwei spätere Exemplare dieses Typus tragen ein falsches
Dürermonogramm und die Jahreszahl 1503. Diese Indizien reichen jedoch nicht
aus, um auf ein verschollenes Original oder sogar in dem Johanneskopf unter dem
Barbari-Gemälde auf eine Arbeit Dürers zu schließen.
Ziel
der Infrarot-Reflektografie war, eventuell vorhandene Unterzeichnungen an dem
Barbari-Gemälde sichtbar zu machen. Diese Erkenntnisse geben Einblick in die
Arbeitsweise des Künstlers im Zuge der Vorbereitung eines Gemäldes.
Gleichzeitig können die Infrarot-Aufnahmen jederzeit für Vergleiche mit seinen
eigenen grafischen Werken sowie mit Arbeiten von Zeitgenossen wie Lucas Cranach
d. Ä. oder Albrecht Dürer herangezogen werden. Zur großen Überraschung wurde
bei dieser Untersuchung unter dem Christuskopf die detailliert ausgearbeitete
Zeichnung eines Johanneskopfes sichtbar. Die Überraschung war deshalb so groß,
weil die Malerei des Christusbildnisses ausgesprochen filigran ausgeführt ist.
Die geglätteten, äußerst dünnen Farbschichten lassen bei optischer Betrachtung
kein anderes Motiv darunter vermuten. Die Unterzeichnung des Johanneskopfes
zeigt die sorgfältig ausgearbeitete Anlage einer Malerei. Dabei sind nicht nur
grobe Formen und Umrisse vorgegeben. Die Linien sind gezielt gesetzt und
detailliert durch Schraffuren verstärkt. Dadurch erzeugen sie Räumlichkeiten
und erinnern an eine vollwertige Zeichnung. Auffällig ist, dass der Kopf
zusätzlich zu den Linien weiche Schattierungen, Lichter und Farbübergänge
zeigt. Im unteren Bereich dagegen ist die Schale nur als reine Zeichnung auf
weißem Grund sichtbar. Dies bedeutet, dass der Johanneskopf vor der
Neuüberarbeitung zum Christuskopf bereits malerisch mit Farbe und Pinsel
ausgearbeitet gewesen sein muss. Die Schale aber blieb auf die Unterzeichnung
reduziert. Für den bei normaler Betrachtung sichtbaren Christuskopf zeigte sich
keine zeichnerisch ausgearbeitete Vorlage. Nur unter den zentralen Bereichen
des Gesichts liegen unruhige Linien. Diese Linien umranden Augen, Nase und
Mund. Sie haben nichts gemein mit einer freien, lockeren Zeichnung als Anlage
der Komposition und geben deshalb Rätsel auf, denn ihre Struktur erinnert eher
an ein Durchpausen oder Nachzeichnen.
Digitale
Infrarot-Reflektografie
Infrarot-Strahlen
gehören ebenso wie Röntgenstrahlen zu den unsichtbaren Strahlen des
elektromagnetischen Spektrums. Je nach ihrer Wellenlänge (ca. 730–2.000 nm)
sind Infrarot-Strahlen in der Lage, Farbschichten, Lasuren oder Firnisse zu
durchdringen und einen verdeckten Bildaufbau oder die Unterzeichnung auf der
Grundierung sichtbar zu machen. Dabei entwickelte sich die Infrarot-Fotografie
(auf Film), über die Infrarot-Reflektografie (über ein Video) zur digitalen
Infrarot-Reflektografie. Verbessert wurden dadurch das Spektrum der Wellenlänge
und die Aufnahmetechnik. Im günstigen Fall findet man Antworten auf Fragen zur
Entstehung des Gemäldes. Auch das »Formbemühen« des Künstlers wird transparent.
Sogenannte Pentimenti (Abweichungen zwischen Unterzeichnung und sichtbarem
Oberflächenbild) und Erscheinungen, die die Geschichte des Gemäldes betreffen,
werden sichtbar, z.B. Übermalungen, Retuschen, Schäden aller Art. Die
Sichtbarkeit dieser Phänomene ist abhängig von Dicke und Anzahl der
Malschichten, dem Streu- und Absorptionsverhalten der verwendeten Pigmente und
dem Kontrastverhältnis zwischen Grundierung und Zeichenmaterial. So werden z.
B. eisenhaltige Pigmente, zu denen die Ockersorten zählen, in diesem
Wellenbereich transparent. In der Regel sind deshalb schwarze, kohlenstoffhaltige
Unterzeichnungen auf hellem Grund gut erkennbar, während rote Unterzeichnungen
unsichtbar bleiben. Besitzt ein Gemälde eine rote Grundierung, erschwert dies
das Erkennen einer dunklen Unterzeichnung, eine rote wird völlig unsichtbar.
Auch weitere am Gemälde de’Barbaris angewandte zerstörungsfreie
Untersuchungstechniken wie Mikroskopie, Röntgenuntersuchung und Untersuchungen
im Streiflicht werden im Rahmen der Präsentation vorgestellt.
Ausstellungsdaten
»Zwei
in Einem. Jacopo de’Barbaris Christusbildnis«
Präsentation
im Rahmen der Reihe »Varietas. Neues aus den Museen«
Schlossmuseum
Weimar | Cranachgalerie
Burgplatz
4 | 99423 Weimar
10.
April bis 13. Juni 2011 | Di–So 10–18 Uhr
Eintritt
– Schlossmuseum Weimar
6
€ / erm. 5 € / Schüler (16–20 J.) 2,50 €
Vortrag
»Was
von Jacopo de’Barbari blieb, als Lucas Cranach kam.
Zur
Bedeutung eines Italieners für den Kunstdiskurs am
Sächsischen
Kurfürstenhof«
Vortrag
von Prof. Dr. Matthias Müller, Mainz
Dienstag,
12. April 2011 | 19 Uhr
Schlossmuseum
Weimar | Falkengalerie
Information
Besucherinformation
Stand
der Klassik Stiftung Weimar in der Tourist-Information
Markt
10 | 99423 Weimar
Tel
+49 (0) 3643 | 545-400
Fax
+49 (0) 3643 | 41 98 16
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.