Erschienen in Ausgabe: No 84 (2/2013) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Rainer Westphal
Von der Öffentlichkeit weitgehend
unbemerkt, wurden weitreichende Verschärfungen der Hartz IV-Gesetze (SGB II)
vorgenommen. Die Gesetzgebung wurde den Wünschen der Bundesregierung angepasst,
welche immer noch publiziert, dass die Wiedereingliederung der Betroffenen
weitgehend von Druck und Repressalien abhängig wäre.
Die Sanktionen gegen Erwerbslose
wurden dahingehend erleichtert, dass eine Ankündigung der Androhung einer
Leistungskürzung nicht mehr erforderlich ist. Nunmehr kann auch ein schlechtes
Verhalten, es handelt sich hierbei nicht umeinen Aprilscherz, künftig sanktioniert werden. Sanktionen müssen nicht
mehr umgehend verhängt werden, sondern Kürzungen bis zu einem Zeitraum von
Monaten nach dem vermeintlichen Verstoß von mehr als hundert Prozent, sind
möglich. Wenn man sich nun das Informationssystem bzw. das Informationspotential
der Bundesagentur für Arbeit ansieht, dann ist die Erkenntnis berechtigt, dass
wir es in Teilen mit einer Strafverfolgungsbehörde zu tun haben, welche nicht
auf dem Boden des Rechts agiert oder künftig agieren wird. Dem Denunziantentum
wird Vorschub geleistet.
Zuviel gezahlte Leistungen können
ab sofort mit einer Kürzung des Regelbedarfs zwischen 10 und 30% geahndet werden.
Vermutet beispielsweise die Behörde ein zukünftiges Einkommen des
Leistungsberechtigten, können Sachbearbeiter sofort die Zahlung des Regelsatzes
einstellen,. bzw. die Zahlungen des zu erwartenden anrechenbaren Einkommens
kürzen (SGB II, § 39 II).
Eine weitere Kürzung von
Leistungen können die Kommunen für Unterkunft unterhalb der Vorgaben der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vornehmen. Über landesgesetzliche
Regelungen soll es diesen ermöglicht werden, die Angemessenheit der Wohnkosten
abweichend von der bisherigen Rechtslage zu definieren. Dabei sollen erstmals
auch abgeltende Pauschalen für Wohn- und Heizkosten möglich sein. Auf weitere
Einzelheiten wird in diesem Zusammenhang hier nicht eingegangen. Es erscheint
jedoch unverantwortlich, den Kommunen
Kürzungen aufgrund der desolaten Haushaltslagen zu überlassen. Es ist nicht
auszuschließen, dass Bevölkerungsstrukturen in den Stadtvierteln sich ändern
aufgrund der Tatsache, dass Hartz IV-Empfänger in andere, mit geringeren
Wohnkosten behaftete Stadtteile, vertrieben werden.
Nach den vorliegenden
Informationen wurde das „Sozialgesetzbuch II“ in den letzten Jahren 51mal
geändert. Es ist nicht mehr zu verbergen, dass viele Änderungen deshalb vorgenommen
wurden, um die Klageflut vor den Sozialgerichten einzudämmen. Als besonders pervers
ist diese Vorgehensweise anzusehen, wenn man die hohe Fehlerquote bei den Bescheiden in
Betracht zieht, welche sich bei den Sozialgerichten dann herauskristallisiert.
Diese hohe Fehlerquote ist auch als Folge von Absprachen der Sanktionen
zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministerium für Arbeit und
Soziales anzusehen. Man nimmt einfach an, dass sich viele Drückeberger hinter
Hartz IV verbergen, und erhöht dann die Anzahl der Vermutungen. Dieses ist natürlich
sehr bequem, um die politischen Fehler zu verdecken, das Gewissen der
Bevölkerung zu beruhigen, und um die Lohnstückkosten noch weiter zu senken.
Das Ziel dürfte jedoch klar sein;
Es soll eine kontinuierliche Minderung der Hartz IV-Leistungen stattfinden.
Nach Meinung der schwarz-gelben Koalition sollen sich aber die Menschen „nicht
bei Hartz IV einrichten“. Die Politiker, welche derartige Behauptungen auf-
stellen, sollten sich aber einmal entsprechend im Interesse der Bevölkerung in
dieses System integrieren, um zu ermessen was es bedeutet, von den Regelsätzen
den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Es ist festzustellen, dass die
Gesetzgebung gem. Sozialgesetzbuch II an die Willkür aus den segensreichen Zeiten
der Deutschen Demokratischen Republik erinnert. Die Grundrechte der Betroffenen
werden in einer Form ausgehebelt, was nur noch als reines Unrecht anzusehen
ist.
Wie das „Naumburger Tageblatt“
berichtete, bespitzeln Arbeitsagenturen und Jobcenter in Thüringen seit Jahren
systematisch rechtswidrig ALG II-Empfänger. Diese werden über Wochen und Monate
hinweg observiert. Als verantwortliche Arbeitsagenturen und Jobcenter werden
u.a. die aus Jena, Weimar, Erfurt, dem Eichsfeldkreis, Altenburger Land, Kreis
Schmalkalden-Meiningen, Ilm-Kreis, Kreis Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis
und Kreis Sömmerda genannt. Dort soll es insgesamt 30 Vollzeit-Sozialdetektive
geben, von denen in den letzten zwölf Monaten pro Sozialdetektiv u. a. 8758
Hartz-IV-Empfänger im Kreis Saalfeld-Rudolstadt und 2144 Hartz IV-Empfänger in
der Stadt Weimar observiert wurden. Offensichtlich wird hier an eine Tradition
angeknüpft. Offensichtlich stört es die Verantwortlichen in den
Arbeitsagenturen und Jobcentern nicht,
dass das Oberverwaltungsgericht in Weimar verdeckte Beobachtungen durch einen
Sozialdetektiv für generell unzulässig erklärte (1 KO 527/08), weil es darin
eine durch keine gesetzliche Grundlage gedeckte Verletzung des Rechts auf
informelle Selbstbestimmung sah. Hieran hat sich bis heute nichts geändert.
Von den Jobcentern werden interessanterweise
keine Angaben dazu gemacht, in wie vielen Fällen, es werden Einsparungen von
ca. 48.000 Euro genannt, tatsächlich auf Betrug zurückzuführen sind. Aufgrund
fehlender Angaben drängt sich der Verdacht auf, dass der Großteil der Einsparungen
aus der Observierung sexueller Kontakte und anschließender
„Zwangsverheiratungen“ resultiert. Offensichtlich wurden sog. Einstehens- und
Verantwortungsgemeinschaftenkonstruiert, wo der eine Partner finanziell für den anderen aufzukommen
hat.
Es ist festzustellen, dass die
Gesetzesneuregelungen einem unmenschlichen „politischen Willen“ untergeordnet
werden. Es findet eine Ausgrenzung von Millionen Menschen statt. Um gegenüber
der Bevölkerung eine derartige faschistoide Verhaltensweise zu rechtfertigen,
wird permanent Propaganda über die Medien gegen die Bedürftigen betrieben. Es
wird latent die Behauptung impliziert, dass sich Menschen ein „schönes Leben“
auf Kosten der Steuerzahler erlauben würden.
Dass gerade Deutschland, welches
maßgeblich an der Ausbreitung des Faschismus beteiligt war, wieder ein
faschistisches Unterdrückungssystem installiert, ist sehr bedenklich.
Im Gesamtzusammenhang wird auf
weitere volkswirtschaftliche und politische Verwerfungen hingewiesen. Die
Bundesagentur für Arbeit beschäftigt zur Zeit ca. 110.000 Mitarbeiter. In den
Jobcentern versucht man, die Mitarbeiter teilweise dadurch zu motivieren, dass
es darum gehe, die latent vorhandenen Drückeberger zu enttarnen, und zu
strafen. Offensichtlich handelt der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für
Arbeit, Oberst d.R. Frank-D. Weise, nach dem Prinzip, je mehr Mitarbeiter bei
der BA beschäftigt werden, umso größer
ist seine Machtfülle und politische Einflussnahme. Dass diese Behauptung nicht
von ungefähr kommt, ergibt sich aus seiner nunmehr bekannt gewordenen, merkwürdigen
Tätigkeit in der Strukturkommission der Bundeswehr. Offensichtlich betrifft
diese Tätigkeit auch die künftige Anwerbung von erwerbslosen „Freiwilligen“.
Wenn man dann realisiert, dass
sich bereits ganze Branchen um die Erwerbslosen
gebildet haben, dann wird das Ausmaß des Unsinns deutlich. Erwähnt seien hier nur
die dubiosen Fortbildungs- und Vermittlungsunternehmen, die zwecks Manipulation
der Arbeitslosenzahlen erforderlich sind. Es ist realistisch, dass die
tatsächlichen Arbeitslosenzahlen um 1 Millionen Menschen höher sind als
publiziert.
Zu den im Prinzip unsinnigen
Aktivitäten gehört die Anzahl von Zeitarbeitsfirmen, welche wie Pilze aus dem
Boden gewachsen sind. Allerdings sorgt eine in großer Dankbarkeit für
Aufsichtsratsbezüge eines ehemaligen Spitzenpolitikers, der für den gesamten
Unsinn mitverantwortlich ist.
Quellennachweis: Hartz IV Forum,
Reader-edition, Bochum-prekär
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