Erschienen in Ausgabe: No 63 (5/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Philipp Legrand
Zusammenfassung
Der Artikel widmet sich der
Ethnizitäts-Diskussion und beschäftigt sich mit verschiedenen Ansätzen
objektivistischer und konstruktivistischer Interpretationen ethnischer
Erscheinungen. Defizite beider Erklärungsansätze werden dargestellt und auf
integrative Konzepte, die sowohl objektivistische als auch konstruktivistische
Elemente aufnehmen, wird eingegangen. Ferner werden die Merkmale ethnischer
Identitäten herausgearbeitet und im Kontext der Kontroverse diskutiert.
Einleitung
Im 20. Jahrhundert begründen sich
viele inner- und zwischenstaatliche Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund
ethnischer Konflikte. Konflikte dieser Art existieren schon lange, jedoch ist
eine Zunahme seit Ende des Zweiten Weltkriegs erkennbar. Bereits früh zeigen
sich derartige Konflikte zwischen Ethnien in Afrika und Asien im Kampf um Ressourcen
und die Übernahme der Kontrolle staatlicher Institutionen. In den sechziger Jahren
treten vermehrt ethnisch bedingte Spannungen in den USA und später in
Westeuropa auf. Der Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre
offenbart, dass selbst unter gewalttätigen Homogenisierungsversuchen eines
Staatsapparates ethnisch bedingte Bestrebungen bestehen bleiben. Ethnische
Gruppen entwickeln häufig ein nationalistisches Bestreben und zielen
entsprechend auf das Erreichen und Aufrechterhalten von Autonomie, Einheit und
Identität ab.[1] „In every continent and practically every
state, ethnicity has reappeared as a vital social and politically force. The
plural composition of most states; their policies of cultural integration; the
increasing frequency and intensity of ethnic rivalries and conflicts; and the
proliferation of ethnic movements; these are the main trends and phenomena
which testify to the growing role of ethnicity in the modern world”.[2]
Ethnizität (Ethnicity) ist ein
Oberbegriff und ein sozialwissenschaftliches Konzept zur Erforschung ethnischer
Gegebenheiten. Die Erkundung ethnischer Gegebenheiten berührt ein weites
interdisziplinäres Feld. Es umfasst die Anthropologie, Soziologie, Geschichte
und Politikwissenschaft.[3]
Ethnizität kommt ursprünglich von dem griechischen Wort „ethnos“, das soviel
bedeutet wie Gesellschaft, Volk oder Stamm.[4] Es
gibt keine allgemein gültige Definition von Ethnizität.[5] Verallgemeinert
versteht man unter Ethnizität die Identität, welche auf einer ethnischen Gruppe
beruht.[6]
Zunächst
beschäftigen sich modernisierungstheoretische Ansätze mit ethnischen
Gegebenheiten. Erste Ansätze dieser Theorien beschreiben, dass ethnische
Gruppen analog zu Modernisierungsprozessen verschwinden werden. Die Ausweitung
von Marktbeziehungen, die zunehmende arbeitsteilige Verflechtung, die
Entfaltung einer kapitalistischen Verkehrswirtschaft, die Entstehung
einheitlich organisierter Staatsapparate und die Ausbreitung städtischer
Lebensformen in ländlichen Gebieten führen zu einer Homogenisierung ethnisch
heterogener Gesellschaften.[7]
So prophezeit auch Weber, dass die Bedeutung von Ethnizität rückläufig sein
wird im Zuge der Moderne, mit der er die Rationalisierung menschlichen
Handelns und die Rationalisierung der gesellschaftlichen Ordnung verbindet. Er
begründet dies damit, dass ethnische Verbundenheiten regional betrachtet werden
und voraussichtlich so nicht in der modernen Gesellschaft, die allmählich
vermeidlich traditionelle Beziehungen ersetzt, Bestand haben können.[8]
Aufgrund der in den 1960er Jahren
vermehrt auftretenden ethnischen Protestbewegungen rücken ethnische Bindungen
und ihre Bedeutung immer weiter in den Blickpunkt sozialwissenschaftlichen
Interesses.[9] Barth verweist darauf,
dass die Reduktion kultureller Differenzen und die Vereinheitlichung
struktureller Gegebenheiten im Zuge von Modernisierungsprozessen nicht
unbedingt mit einer Dezimierung ethnischer Identitäten einhergehen.[10]
In der Debatte um Ethnien trifft man heute einerseits auf die
„Primordialisten“ beziehungsweise „Objektivisten“, die Ethnien über objektive
Merkmale einzuordnen versuchen und andererseits auf die „Konstruktivisten“
beziehungsweise „Subjektivisten“, die der Herausbildung und Entwicklung von
Ethnien subjektive Vorstellungen und soziale Entwicklungen zugrunde legen.[11] Anhand
der beiden Argumentationsstränge können unterschiedliche Definitionen einer
Ethnie zu Grunde gelegt werden. Nach Isajiw haben sich bis zum Jahr 1974 65
soziologische und anthropologische Studien mit Ethnizität beschäftigt.
Lediglich 13 von ihnen bemühen sich um eine konkrete Definition. Es besteht die
Gefahr, dass Definitionen von Ethnizität zu eng oder zu weit gefasst sind. Eine
konkrete Definition von Ethnizität kann bei deren Handhabe derart einschränken,
dass sie für Studien unanwendbar wird.[12] Scherrer
verweist auf die Gefahr des Missbrauchs im politischen Bereich bei einer zu
engen Begriffsbestimmung.[13]
Bei genauerer Betrachtung zeigt
sich, dass bei den Primordialisten (beziehungsweise Objektivisten) und den
Konstruktivisten (beziehungsweise Subjektivisten) unterschiedliche Deutungen
hinsichtlich ethnischer Phänomene beziehungsweise ethnischer Bindungen zu
finden sind.[14]
Objektivistische
Konzepte
Shils führt den Begriff der
„primordial ties“ in die sozialwissenschaftliche Diskussion ein. „Primordial
ties“ lassen sich entsprechend mit „ursprüngliche Bindungen“ übersetzen. Eine
ursprüngliche Bindekraft verweigert hier ein freies willkürliches Ein- und
Austreten in eine Gemeinschaft. Es handelt sich um eine Bindung zwischen
Angehörigen von Abstammungsgemeinschaften, deren Ursprung im „tie of blood“ zu
finden ist.[15]
Eine zentrale Rolle wird dem Kulturanthropologen Geertz bei der
Aufnahme der „primordial ties“ in den Diskurs über ethnische Phänomene
zugeschrieben.[16] Geertz hat die von Shils
ausgearbeiteten Charakteristika der primordial ties aufgegriffen und auf die
Analyse ethnischer Phänomene hin angewendet.[17] Geertz
verwendet den Begriff der Primordialität für das Phänomen Ethnizität.[18]
Geertz versteht unter primordialen Bindungen:
„By a primordial attachment is meant one that stems from the givens - or, more
precisely, as culture is inevitably involved in such matters, the assumed
givens - of social existence: immediate contiguity and kin connection mainly,
but beyond them the givenness that stems from being born into a particular
religious community, speaking a particular language, or even a dialect of a
language, and following particular social practices”.[19]
Nach Geertz lassen sich neben
einer unmittelbaren Nachbarschaft und einer Verwandtschaftsbeziehung sechs
weitere Kriterien zur Entwicklung primordialer Bindungen aufführen: (imaginäre)
Blutsbande, „Rasse“ (äußeres Erscheinungsbild),Sprache,
regionale Zugehörigkeit, Religion und Tradition. Bei der Gruppenbildung werden
den Kriterien unterschiedliche Bedeutungen zugesprochen. In manchen Gruppen
spielt die Religionszugehörigkeit eine besondere Bedeutung, während anderswo
beispielsweise der Sprache besondere Beachtung zuteil wird.[20] Bei
den Bindungen, die sich um diese Kriterien herum bilden, handelt es sich um
nicht hintergehbare Gegebenheiten, die dem Gefühl einer naturbedingten
Verbundenheit entstammen.[21]
Grundlage der Entwicklungen primordialer Bindungen sind die Gegebenheiten der
oben aufgeführten Kriterien, die sich bei Geburt und Sozialisation aus diesen
objektiven Gesichtspunkten herausbilden und entsprechend statisch, sich gegen
jede Veränderung stellend, unhintergehbar verankern.
Geertz deutet jedoch an, dass es
sich um ein „subjektives Gefühl“ im Zusammenhang einer solchen Verbundenheit
handelt.[22] Dieses subjektive Gefühl
müsste sich demnach aus subjektiven Vorstellungen entwickeln, wodurch diese
auch veränderbar werden. Geertz wird dennoch in die Reihe der Objektivisten
gestellt.[23] Die Diskrepanz zwischen
den vermeidlich objektiven Kriterien und dem subjektiven Gefühl primordialer
Bindungen als subjektives Moment lässt Geertz weitgehend unbeantwortet.
Isaacs, ebenfalls Anhänger
objektivistischer Auslegungen, spricht von einem essentiellen Tribalismus, der
sich infolge der Primärsozialisation herausbildet und sich unhintergehbar gegen
alle Widerstände behauptet. Mithilfe primordialer Bindungen bildet sich die
„basic group identity“ heraus.[24] Sie
ist vergleichbar mit der ethnischen Identität.[25] Der
Neugeborene ist ein Resultat und Erbe der Geschichte und reproduziert diese
auch wieder, so dass sie von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird.[26] Die
„basic group identity“ kann zwar kurzzeitig durch andere Identitäten überlagert
werden, verschafft sich aber letztlich immer Geltung.[27]
Eine soziobiologische
Herangehensweise findet sich insbesondere bei van den Berghe. Die zuvor
dargestellten primordialen Ansätze beruhen in erster Linie auf psychologischen
Entwicklungen. Bei der soziobiologischen Analyse stehen die genetische Vererbung
und die Neigung zum Nepotismus als eine Art Selektionsinstrument im Vordergrund.[28] „Ethnicity
(…) cannot be invented or imagined out of nothing“.[29]So versucht van den Berghe mithilfe der Evolutionslehre von
Darwin ethnische Phänomene zu interpretieren.[30]
Scherrer verweist darauf, dass
soziobiologische Interpretationen letztlich eine rassistische Interpretation
ethnischer Phänomene begünstigen. Für jemanden, der ethnische Unterschiede mit
genetischer Veranlagung erklärt, sind ethnische Konflikte letzten Endes
unvermeidbar und natürlich bedingt.[31]
Ethnische Begebenheiten mit genetischen Verankerungen zu erklären, weist
erhebliche Probleme in der Beweisführung auf.[32]
Gemeinsam haben die
objektivistischen Positionen, dass Ethnizität als ein ursprüngliches, gegebenes
Element der menschlichen Existenz betrachtet wird. Die Ethnizität bleibt bei
allen gesellschaftlichen Veränderungen im Kern erhalten. Diese objektiv
verankerte ursprüngliche Bindung, die von Geburt an existiert, ist objektivistischen
Positionen zufolge spätestens nach der Primärsozialisation unabhängig von
sozialen Interaktionen und Begebenheiten. Der Zusammenhang zwischen den unterstellten
physischen beziehungsweise psychischen Merkmalen und den vermeintlich ursprünglichen
Bindungen zwischen Mitgliedern einer ethnischen Gruppe bleiben weitestgehend
ungeklärt.
Zahlreiche Untersuchungen
kritisieren primordiale Ansätze. Studien zeigen, dass Individuen in der Lage
sind, ethnische Gruppen zu wechseln und somit ethnische Identitäten entsprechend
veränderbar sind.[33]
Damit wird die Dauerhaftigkeit und Ursprünglichkeit ethnischer Bindungen
widerlegt. Menschen können ihre ethnische Identität wechseln, neu schaffen,
ignorieren, manipulieren und situationsbedingt einsetzen.[34] Ebenso
verweist Brass auf die Variabilität ethnischer Identitäten.[35]
Daraus kann abgeleitet werden, dass die Identitätsentwicklung nicht auf die
Primärsozialisation reduziert werden kann, wie beispielsweise Isaacs
argumentiert. Isaacs geht auf Veränderungen der Selbstwahrnehmung von
Gruppenmitgliedern und ein verändertes Verhältnis gegenüber anderen Gruppen ein
und meint, dass neue Machtverhältnisse zu einer anderen Wahrnehmungsweise führen
können.[36] Er
spricht von einer Wechselbeziehung zwischen der basic group identity und
politischen Veränderungen. Letztlich ist der essentielle Tribalismus aber
derart stark verankert, dass er im Kern stets erhalten bleibt.[37] Die
vermeintlich evidenten objektivistischen Ansätze begründen sich letztlich im
Nachvollziehen von Selbstzuschreibungen, wodurch sie selbst die Mystifikation
begünstigen.[38]
Die Argumentation, primordiale
Bindungen seien fest verankert, lässt sich nicht aufrechterhalten. Bei
objektivistischen Erklärungsansätzen von Ethnien werden neben historisch
gewachsenen Konstrukten wesentliche Aspekte dynamischer Prozesse der
Identitätsbildung ausgeblendet.
Konstruktivistische
Konzepte
Den primordialistischen Erklärungsansätzen zu ethnischen Phänomenen
lassen sich konstruktivistische Ansätze gegenüber stellen. Brubaker sieht als Grund dieser veränderten
Perspektive eine Zunahme der Auseinandersetzung mit Kategorisierungen und
Klassifizierungen.[39]
Weber versucht als einer der ersten, die Subjektivität des Gemeinschaftsglaubens
einer Gruppe herauszuarbeiten. Er definiert eine ethnische Gruppe als „(…)
Menschengruppe, welche auf Grund von Aehnlichkeiten des äußeren Habitus oder
der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung
einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, derart, dass
dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn
sie nicht 'Sippen' darstellen, 'ethnische'
Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft objektiv vorliegt oder
nicht“.[40]
Wesentlich an dieser Definition ist das Hervorheben einer geglaubten
gemeinsamen Abstammung, unabhängig einer objektiv real existierenden
Abstammungsgemeinschaft. Weber nennt vier Möglichkeiten, auf denen der
subjektive Glaube an eine Abstammungsgemeinschaft beruhen kann: Ähnlichkeiten
des äußeren Habitus und der Sitte sowie die Erinnerungen an Kolonisation und
Wanderung. Weber spricht von einem rassenmäßig bedingten Habitus anstelle von
Ähnlichkeiten des äußeren Habitus.[41] Er
meint damit augenscheinliche physische Unterschiede wie zum Beispiel die
Hautfarbe.[42]
Weberbeschreibt
eine ethnische Gemeinschaft als eine soziale Gruppe, deren Mitglieder glauben,
bestimmte Gemeinsamkeiten zu teilen. „Fast jede Art von Gemeinsamkeit und Gegensätzlichkeit
des Habitus und der Gepflogenheiten kann Anlaß zu dem subjektiven Glauben
werden, daß zwischen den sich anziehenden oder abstoßenden Gruppen
Stammverwandtschaften oder Stammfremdheit bestehe“.[43]
Die Gemeinschaft selbst kann wiederum Gemeinschaftsgefühl erzeugen, das auch
nach einem Zerfall der Gemeinschaft bestehen bleibt und als ethnisch empfunden
wird. Historische Erinnerungen führen tendenziell zu einer stabileren
Gemeinschaft als äußere Unterschiede. Die historischen Erinnerungen lösen sich
von realen Gegebenheiten ab, wodurch diese ein stabileres Fundament des
Gemeinschaftsglaubens darstellen. Menschen werden durch Gemeinschaftsbildung
auf der einen Seite homogenisiert und auf der anderen heterogenisiert (Weber
1956: 238, 239).[44]
Als bedeutsamer Kritiker
objektivistischer Interpretationen ist Barth zu nennen.[45] „(…) ethnic groups are seen as a
form of social organization“.[46]
Er betont wie Weber die Subjektivität ethnischer Identifikationen und
Kategorisierungen. In seinen Arbeiten geht er der Frage nach, wie die
ethnischen Grenzziehungen sich auf die Strukturierung sozialen Handelns
auswirken. Barth kritisiert, dass Einflüsse externer Faktoren auf die ethnische
Gruppe in objektivistischen Interpretationen weitgehend unbeachtet bleiben.[47]
Barth bietet im Umgang mit
Ethnien einen Ansatz an, den er „general approach“ nennt. Er sieht in der
Selbst- und/oder Fremdzuschreibung ethnischer Identitäten den wesentlichen
Aspekt der Bestimmung ethnischer Gruppen.[48] „The critical focus of investigation
from this point of view becomes the ethnic boundary that defines the group, not
the cultural stuff that it encloses. The boundaries to which we must give our
attention are of course social boundaries, though they may have territorial
counterparts. If a group maintains its identity when members interact with
others, this entails criteria for determining membership and ways of signalling
membership and exclusion”.[49]
Nach Barth darf nicht die Kultur Ausgangspunkt der Analyse sein, sondern
die ethnische Grenzziehung und Dichotomisierung zwischen denjenigen in und
denjenigen außerhalb der Gruppe. Unterschiede in Kleidung, Sprache oder
Lebensweise sind nicht Ursache solcher Dichotomisierungen, sondern vielmehr
können sie Zugehörigkeiten symbolisieren.[50] Nach
Barth ist, entgegen objektivistischer Positionen, die ethnische Gruppe ein
Resultat sozialer Organisation.[51] Ethnische Kategorien „(…) may be of
great relevance to behaviour, but they need not be; they may pervade all social
life, or they may be relevant only in limited sectors of activity”.[52]
Allerdings beschreibt Barth die
ethnische Identität nicht ausschließlich als ein Resultat aktueller
Gegebenheiten sondern auch als eine Frage des Ursprungs. Barth formuliert dies folgendermaßen: „(…)
ethnic memberchip is at once a question of source of origin as well as of
current identity“.[53]
Mit dieser Aussage kommt er in die Nähe primordialer Argumentationsmuster,
obgleich er sich davon eigentlich distanzieren will. Barth geht nicht näher
darauf ein, inwieweit der Ursprung beziehungsweise die Herkunft die Identität letztlich
beeinflusst.
Cohen widmet sich in seinen
Arbeiten dem Zusammenhang zwischen den ethnischen Gruppen und der Artikulation
sowie Organisation sozialer Interaktionen von gemeinsamen politischen
Interessen. Demnach ist eine
ethnische Gruppe „(…) a collectivity of people who share some patterns of
normative behaviour, or culture, and who form a part of a larger population,
interacting within a framework of a common social system like the state. The
term ethnicity refers to the degree of conformity to these collective norms in
the course of social interaction”.[54]
Die verschiedenen Ausprägungen von Ethnizität lassen sich lediglich dann
sinnvoll erläutern, wenn diese in einem jeweiligen politischen und ökonomischen
Kontext betrachtet werden. „Ethnicity
in modern society is the outcome of intensive interaction between different
culture groups, and not the result of tendency to separatism. It is the result
of intensive struggle between groups over new strategic positions of power (…):
places of employment, taxation, funds for development, education, political
position and so on”.[55]
Ethnische Gruppen sind demnach eine Art Interessengruppe, die sich vor
allem bei verändernden Rahmenbedingungen bildet. Cohens Definition der
ethnischen Gruppe erweist sich als unpräzise, da dementsprechend auch Manager
als ethnische Gruppe bezeichnet werden können. Cohen selbst verweist auf die
weit gefasste Definition und merkt an, dass sie ebenso Kollektive, die für
gewöhnlich nicht als ethnische Gruppe beschrieben werden, mit einschließt.[56] „The symbols providing these
organisational mechanisms are ideologically integrated within such mottoes as 'our customs are different', the sacredness of our traditions', and so on. The ideology is further
elaborated to cover a narrative 'historical' account of the
origin, the goings and comings of the group. Finally, though the continual
observance of the customs and ceremonies peculiar to the group, the members are
continually socialised in the culture of the group”.[57]
Ethnizität erscheint hier als ein Mittel der politischen und sozialen
Organisation. Cohen fokussiert bei seinem Erklärungsansatz besonders die
ökonomische Bedeutung der Herausbildung von ethnischen Gruppen. Je besser das
System funktioniert, desto stärker werden die ethnischen Bindungen und
umgekehrt können versagende Systeme zu einem Bedeutungsverlust bis hin zum
Auflösen von Bindungen führen sowie zur Neubildung dieser beitragen.[58]
Die
Konstruktivisten sehen, entgegen objektivistischen Positionen, ethnische Bindungen
als situationsbedingte veränderbare soziale Konstrukte. Ihnen zufolge
lassen sich ethnische Gemeinschaften nicht anhand objektivistischer Merkmale
bestimmen. Problematisch erweisen sich die konstruktivistischen Ansätze hinsichtlich
ihrer begrifflichen und konzeptionellen Unschärfe.
Integrative
Konzepte
Andere Autoren nehmen sowohl
objektivistische als auch subjektivistische Elemente auf und bemühen sich um
integrative Konzepte von Ethnizität. „Ethnizität
bezeichnet die für individuelles und kollektives Handeln bedeutsame Tatsache,
daß eine relativ große Gruppe von Menschen durch den Glauben an eine gemeinsame
Herkunft, durch Gemeinsamkeiten von Kultur, Geschichte und aktuellen
Erfahrungen verbunden sind und ein bestimmtes Identitäts- und
Solidarbewusstsein besitzen“.[59]
Durch Ethnizität können ethnische Kollektive gebildet werden.[60]
Der Glaube an eine gemeinsame Herkunft erhält durch diese Definition ein
konstruiertes Element. Bei Heckmann ist es nicht die objektive Herkunft, die
ein Kollektiv bildet, sondern der subjektive Glaube an eine gemeinsame Herkunft.
Allerdings scheint der Glaube an eine gemeinsame Herkunft sich aus objektiv
vorhandenen Elementen heraus zu entwickeln. Folglich muss Heckmann zwischen den
Konstruktivisten und Objektivisten angesiedelt werden.
Smith definiert eine Ethnie als „a named and
self-defined human population sharing a myth of common ancestry, historical
memories and elements of culture (often a link with a territory) and a measure
of solidarity”.[61] In „The Origins of
Nations” definiert Smith eine Ethnie bzw. ethnische Gemeinschaften „as named
human population with shared ancestry myths, histories and cultures, having an
association with a specific territory and a sense of solidarity“.[62]
Bei dieser Definition fehlt noch der Verweis, dass es sich um eine
„self-defined“ Gruppe handelt. Die Ethnie ist demnach eine selbst definierte
Gruppierung, die sich zumeist mit einem gemeinsamen Territorium und mit
gemeinsamen Traditionen sowie einer gemeinsamen Geschichte verbunden sieht. Die
selbst definierte Gruppierung wird von gemeinschaftlicher Solidarität geprägt. Auch
bei dieser Definition sind sowohl objektivistische als auch konstruktivistische
Elemente zu finden. Bei der
Frage, was eine Ethnie von anderen Kollektiven menschlichen Daseins
unterscheidet, verweist Smith auf „a collective name, the identifying mark of
an ethnie in the historical record, a common myth of descent; a shared history;
a distinctive shared culture, an assotiation with a specific territory, a sense
of solidarity”.[63]
Andersons Idee von der
vorgestellten Gemeinschaft im Hinblick auf die Definition einer Nation[64] hat
Gabbert aufgegriffen und für die Interpretation von ethnischen Gruppen
beziehungsweise Ethnien angewendet. Er definiert eine Ethnie als vorgestellte
Gemeinschaft. Zusammengehalten wird die ethnische Gruppe durch den „gemeinsamen
Bezug auf kulturelle und/oder phänotypische Merkmale zur Abgrenzung von anderen
Gruppen oder Gesellschaften“.[65]
Diese Merkmale können real existieren oder fiktiv sein.[66]
Smith spricht von einer „self-defined“ Gruppierung im Hinblick auf eine Ethnie.[67] Der
hier zur Grunde liegenden Auffassung ist die Ethnie zu aller erst vorgestellt
und nicht, wie Smith argumentiert, selbst-definiert, da zunächst die Vorstellung
einer solchen Gemeinschaft vorhanden sein muss, um als solche definiert werden
zu können.
Die
Genese der ethnischen Identität
Das Ethnizitätskonzept bezieht
sich letztlich auf die Identität einer Großgruppe.[68] Bei
der Frage, wie sich Individuen mit einer ethnischen Gruppe identifizieren,
fällt der Blick auf das Identitätskonzept. Barth verweist auf die soziale
Organisation, welche auf der ethnischen Identität basiert.[69] Umgekehrt
beeinflusst die soziale Organisation die ethnische Identität. Wenn sich die
soziale Organisation transformiert, kann sich dementsprechend auch die
ethnische Identität verändern.
Im Sozialisationsprozess erlangt
das Individuum die Fähigkeit Identitäten zu erwerben. Die Soziabilisierung als
Teil des Sozialisationsprozesses ist Vorraussetzung für die
Identitätsentwicklung.[70]
Bei der Frage nach der Genese der
Großgruppenidentität fällt das Augenmerk zunächst auf die Herausbildung der
individuellen Identität. Die individuelle Identität bildet sich durch Vermittlungsprozesse
zwischen gesellschaftlichen Erwartungen an das jeweilige Individuum und seiner
psychischen Einzigartigkeit heraus. Im Zuge der Vermittlungsprozesse zwischen
der persönlichen Individualität und den gesellschaftlichen Erwartungen bei der
Identitätsbildung wird versucht, stets eine Balance zu halten.[71] Das individuelle Identitätsgefühl beruht auf einem Gefühl
von Bestätigung und Einzigartigkeit mit sich selbst und steuert den inneren
Integrationsprozess. Das Identitätsgefühl ist eine Art innerer Leitfaden und
Identitätsbildungsorgan.[72]
Zwischen dem zweiten und sechsten Monat erzeugen Austauschprozesse, Mirroring
und die regulierende Aktivität der Mutter das Kern-Selbstgefühl des Kindes,
welches die Basis des Identitätsgefühls darstellt.[73]
Die Familie beziehungsweise die Mutter wirkt zu Beginn des
Sozialisationsprozesses als eine Art „Agentur der Gesellschaft“ und führt das
Kind an die gesellschaftsspezifischen Strukturen heran.[74]
Mit der Struktur der Großgruppe
setzt sich Volkan auseinander. Er arbeitet sieben Merkmale (Fäden) heraus, die
zusammen die Großgruppenidentität ergeben. Die
Großgruppenidentität wird von ihm entsprechend definiert: „ob sie sich auf die
Religion, Nationalität oder Ethnizität bezieht – als die subjektive Erfahrung
von Tausenden oder Millionen von Menschen, die durch ein dauerndes Gefühl des
Gleichseins miteinander verbunden sind, während sie gleichzeitig auch viele
Charakteristika mit anderen fremden Gruppen teilen“.[75]
Entsprechend dieser Definition werden die ethnischen Identitätskonstruktionen
als Großgruppenidentitäten verstanden.
Der erste Faden beinhaltet die
geteilten Reservoire für „gute“ Externalisierungen.[76] Beim
ersten Faden findet eine Verknüpfung der persönlichen mit der Großgruppenidentität
statt. Dies geschieht, wenn die Reservoire, welche die guten, nicht
integrierten Selbst- und Objektbilder der Kinder aufnehmen, von allen Kindern
in der Gruppe geteilt werden und sie dauerhaft sind. Während der Sozialisation
bindet sich das Kind an seine Gruppe.[77] Die
Externalisation wird von Kindern bei der Integration ihrer inneren Welt
genutzt, wobei sich die Grundlage der Kernidentität entwickelt. Die Nutzung von
Reservoiren der externalisierten, nicht integrierten guten Selbst- und Objektbilder
bilden die äußere Welt der Kinder einer zugehörigen Gruppe. Die Kinder einer
Großgruppe fühlen sich miteinander über diese geschaffene äußere Welt
verbunden. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl wird von jedem Kind
internalisiert. Die Prozesse der Externalisierung und Internalisierung bilden
das erste Merkmal der Großgruppenidentität.
Die „guten“ Identifikationen der
Kinder mit denjenigen, welche die Tradition der Großgruppenidentität verkörpern
und mit ihr verhaftet sind, bilden den zweiten Faden der Großgruppenidentität.
Im Zuge der ersten beiden Fäden verbindet sich die Kernidentität der Individuen
mit ihrer primären Großgruppenidentität.[78]
Der dritte Faden widmet sich der
Umgebung der Großgruppe und der Interaktion mit dieser. Das dritte Merkmal
beinhaltet die geteilten „bösen“ Reservoire einer Gruppe. Die Externalisation
der „bösen“ Selbst- und Objektbilder auf eine andere Großgruppenidentität einer
anderen Großgruppe lassen die Gruppenfeinde entstehen. Auch hier werden die
stabilen und dauerhaften „bösen“ Reservoire von den Erwachsenen an die Kinder
weitergegeben. Das Merkmal entsteht durch die Aufnahme und Nutzung der
geteilten Reservoire für „böse“, nicht integrierte Selbst- und Objektbilder,
durch die Kinder der Gruppe. Das Gemeinschaftsgefühl wird durch einen
gegnerischen Nachbarn gestärkt.[79]
Das vierte Merkmal setzt sich aus
den gewählten Ruhmesblättern einer Gruppe zusammen. Diese Ruhmesblätter
verbinden die Kinder mit ihrer Großgruppe. Solche Ruhmesblätter erhöhen das
Selbstwertgefühl der Gruppenmitglieder. Die Eltern übermitteln ihren Kindern
deren Ruhmesblätter.
Die unbewusst gewählten Traumata
bilden das fünfte Merkmal der Großgruppenidentität.[80] Es
handelt sich hierbei um verletzte Selbstbilder, zumeist hervorgerufen durch
Tragödien, die über Generationen weitergegeben werden können. Entsprechend
ihrer Weitergabe entwickelt sich die Selbstrepräsentanz ihrer Empfänger. Wenn
die an ihre Kinder weitergegebenen Traumata nicht entsprechend verarbeitet
werden, geben sie diese ebenfalls an ihre Kinder weiter. Durch die Weitergabe
der traumatisierten Bilder von einer Generation zur nächsten etablieren sich
diese immer wieder in den Selbstvorstellungen ihrer Kinder.[81] Die
gewählten Traumata haben einen stärkeren Einfluss auf die Gruppenidentität als die
gewählten Ruhmesblätter. Begründen lässt sich dies im Hinblick auf die mit den
gewählten Traumata verbundenen unbewusst gestellten Aufgaben, Lösungen zu suchen,
die Traumata vergessen lassen.[82] Die
Art und Weise im Umgang mit einem traumatisierten Selbstbild verändert sich im
zeitlichen Kontext.[83]
Aus dem was die Großgruppe sucht
und an der Persönlichkeitsorganisation des Führers lässt sich das sechste
Merkmal ableiten. Der Führer beeinflusst die Großgruppenidentität seiner
Gruppenmitglieder. Der Führer ist bemüht, die äußere Welt derart zu formen,
dass diese den Vorstellungen seiner inneren Welt entspricht. Voraussetzungen
für die Einflussnahme durch einen Führer sind eine sich im Untergang befindende
Gruppe und ein Führer, der ein Umgestalten und Verbessern vollzieht. Ein
charismatischer Führer kann einem Elternbild entsprechen.[84]
Die Großgruppenidentitäten werden
durch Symbole repräsentiert. Diese Symbole bilden das siebte Merkmal der
Großgruppenidentität. Das Symbol, welches die Großgruppenidentität
repräsentiert, kann für einen der vorangegangenen sechs Fäden stehen. Die
Nutzung von Symbolen kann Fäden miteinander verbinden, entwickelt dann
allerdings als Element der Großgruppenidentität ein Eigenleben.[85]
Die dargestellten Merkmale der
Großgruppen- beziehungsweise ethnischen Identität sind, ebenso wie die Identität
einer Großgruppe, veränderbar. Bei der Betrachtung von Fallbeispielen
ethnischer Identifikationen, wie zum Beispiel der baskischen oder quebecschen
Ethnie, zeigen sich deren Wandelbarkeiten. So hat beispielsweise Arana, im
Rahmen der kulturnationalen Erweckungsbewegung, im Baskenland Ende des 19.
Jahrhunderts aktiv einheitsstiftende Symbole geschaffen. Heute sind jene
Symboliken fester Bestandteil der baskischen Kulturszene beziehungsweise
baskischen Identität. Unter Arana entwickelt sich mit der Zeit ein neues
baskisches Kollektivbewusstsein, eine baskische Großgruppenidentität, heraus.[86] Auch
in Quebec werden Symbole, wie beispielsweise der Feiertag die „Journée
nationale des patriotes“ zur Erinnerung an die gewaltsame Niederschlagung des
Aufstands von 1837/1838 durch die britische Kolonialmacht, konstruiert.[87]
Aktiv werden Symbole gestaltet, um ein Kollektivbewusstsein zu verstärken.[88] Die
Großgruppenidentität wie zum Beispiel die der Basken oder Quebecer hat sich im
Laufe der Zeit entsprechend verändert. Beispielhaft sei hier noch das fünfte
Merkmal, die unbewusst gewählten Traumata einer Großgruppenidentität, im
Hinblick auf die Veränderbarkeit von ethnischen Identitäten genannt. Im
Baskenland haben die Repressionen unter Franco gegenüber der baskischen Ethnie
zu einem kollektiven Trauma der Basken geführt, welches die baskisch-ethnische
Identität transformiert hat und bis heute beeinflusst.[89]
Resumé
Zu Beginn des Artikels wurde ein
Forschungsüberblick zum Themengebiet Ethnizität gegeben. Sowohl objektivistische
als auch konstruktivistische Ansätze zu ethnischen Bindungen wurden diskutiert.
Bei beiden zeigten sich jedoch konzeptionelle Defizite. Da konstruktivistische
Ansätze insgesamt die Herkunft vernachlässigen, verschwimmen die Grenzen
zwischen ethnischen und anderen Gruppen. Objektivistische Herangehensweisen
erweisen sich als defizitär bei der Berücksichtigung dynamischer Entwicklungen
von ethnischen Gemeinschaften. Aufgrund der Defizite beider Ansätze ethnischer
Interpretationen haben sich integrative Konzepte, die sowohl objektivistische
als auch konstruktivistische Aspekte im Hinblick auf die Erläuterung ethnischer
Bindungen aufnehmen, vermehrt durchgesetzt. Ferner wurde die Konstruktion einer
Großgruppenidentität, wie diese bei einer ethnischen Gemeinschaft vorliegt, dargestellt,
um das Phänomen ethnischer Identifikationen zu dechiffrieren.
Da Ethnizität ethnische
Kollektive konstituiert, geht das Ethnizitätskonzept einer Umsetzung voraus. „Das
Ethnische ist wie alles soziale keine unabänderliche Tatsache, sondern ist
einem endogen-inhärenten und exogenen Wandel unterworfen“.[90] Die
Großgruppenidentität einer Ethnie konstituiert sich auf Grundlage der sieben
Merkmale nach Volkan, die jeweils für sich wandelbar sind. Auch die
Interpretation dieser Merkmale kann sich durch das ethnische Kollektiv im Laufe
der Zeit wandeln.
Die gemeinsame Historie,
Tradition, Kultur und/oder die gemeinsamen phänotypischen Merkmale, mit denen
sich die ethnische Gruppe identifiziert, können konstruiert werden oder
objektiven Gegebenheiten zu Grunde liegen. Entscheidend für die Identifikation
mit einer gemeinsamen Historie, Kultur, Tradition und/oder phänotypischen
Merkmale ist der kollektive Glaube an solche kollektivstiftenden Gegebenheiten,
nicht aber, ob diese real oder fiktiv existieren. Auch die Deutungen von
Geschichte, Kultur und Tradition, das kollektive Erinnerungsvermögen einer
ethnischen Gruppe, sowie dem Glauben an eine gemeinsame Herkunft und/oder
phänotypischen Merkmalen bleiben nicht unberührt von gegenwärtigen
Entwicklungen. Eine Reduktion auf die Geschichte, Tradition, Kultur sowie den
Glauben an einen gemeinsamen Ursprung und/oder phänotypische Merkmale, als
Elemente ethnischer Identifikationen, erweisen sich als defizitär, da
dynamische Prozesse ethnischer Entwicklungen ausgeblendet werden. Die Ethnie
kann jedoch ebenso wenig auf eine Interessengruppe reduziert werden.[91] Die
Ethnizitätsbildung obliegt einer Prozesshaftigkeit, die den Analyserahmen für
die Interpretation von ethnischen Phänomenen darstellen sollte. Die Herausbildung
von ethnischen Identitäten bedingt eine Dichotomisierung zwischen denjenigen
innerhalb und denjenigen außerhalb der Gruppe, kann aber nicht auf eine solche
reduziert werden.
Die ethnische Gemeinschaft kann
anlehnend an die vorgeleistete Argumentation als eine vorgestellte Gemeinschaft,
deren Gruppenmitglieder zumeist vergleichbare Identitätenkonstruktionen,
hinsichtlich einer gemeinsam empfundenen Kultur, Tradition, Geschichte und/oder
phänotypischer Merkmale aufweisen, und sich dauerhaft miteinander verbunden
fühlen, definiert werden. Eine solch persistente Gemeinschaft wie die ethnische
ist trotz Wandelbarkeit und dynamischer Prozesshaftigkeit von sozialer Kohäsion
geprägt. Die ethnische Gruppe ist immer auch ein Resultat von Selbst- und/oder
Fremdzuschreibungen.[92]
Eine Ethnie sollte sowohl von einer
Außen- als auch von einer Innenperspektive betrachtet und analysiert werden. Außerdem
lassen sich die unterschiedlichen Ausprägungen von Ethnizität nur dann sinnvoll
erläutern, wenn diese in einem ökonomischen, politischen und sozialen Kontext
betrachtet werden. Nur so kann das komplex dynamische Gemeinschaftsgefüge dieser
sozialen Gruppierung differenziert untersucht werden.
Literaturverzeichnis
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[2] Smith, The Ethnic Revival, 1981, S. 12.
[3] Jackson, Ethnicity, 1984,
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[4] Volkan, Das Versagen der
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[5] Isajiw, Definition
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[6] Connor, Ethnonationalism. The Quest for Understanding, 1994, S. 100.
[7] Connor, Ethnonationalism. The Quest
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[8] Weber, Wirtschaft und
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[9] Smith, The Ethnic Revival, 1981, S.11.
[10] Barth, Introduction,
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[11] Keating, Nations Against the State: The New
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[12] Isajiw, Definition
of Ethnicity, 1974, S. 111.
[13] Scherrer, Ethno-Nationalismus
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ethnisch-nationaler Gewaltkonflikte, 1997, S. 22.
[14] Jackson,
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[15] Shils, Primordial, Personal, Sacred and Civil
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[16] Rex, „Rasse“ und „Ethnizität“ als sozialwissenschaftlche
Konzepte, 1990, 146; Bentley, Theoretical Perspectives on Ethnicity and
Nationality, 1983, S. 13.
[17] Conner, Ethnonationalism. The Quest
for Understanding,
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[18] Vgl. Blaschke, Volk,
Nation, interner Kolonialismus, Ehtnizität. Konzepte zur politischen Soziologie
regionalistischer Bewegungen in Westeuropa, 1985, S. 179.
[19] Geertz, The Interpretation of Cultures. Selected
Essays, 1973, S. 259.
[20] Geertz, The Interpretation of Cultures. Selected
Essays, 1973, S. 262, 263.
[21] Geertz, The Interpretation of Cultures. Selected
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[22] Geertz, Angestammte Loyalitäten,
bestehende Einheiten. Anthropologische Reflexionen zur Identitätspolitik, 1994,
S. 395.
[23] Scheffler, Ethnisch-religiöse
Konflikte und gesellschaftliche Integration im Vorderen und Mittleren Orient. Literaturstudie
(Ethnizität und Gesellschaft; 1), 1985, S. 31.
[24] Isaaks, Idols of
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[25] Isaaks, Idols of
Tribe. Group Identity and Political Change, 1989, S. 32, 36.
[26] Isaaks, Idols of
Tribe. Group Identity and Political Change, 1989, S. 38-40.
[27] Isaaks, Idols of
Tribe. Group Identity and Political Change, 1989, S. 26.
[28] van den Berghe, Does Race Matter?, 1996, S.
57, 62.
[29] van den Berghe, Does Race Matter?, 1996, S.
58.
[30] van den Berghe, Does Race Matter?, 1996, S.
57.
[31] Scherrer, Ethno-Nationalismus
im Zeitalter der Globalisierung. Ursachen, Strukturmerkmale und Dynamik
ethnisch-nationaler Gewaltkonflikte, 1997, S. 37.
[32] Kitcher, Vaulting
Ambition, 1985, S. 436.
[33] zur Veränderbarkeit
ethnischer Identität vgl. auch Blaschke, Volk, Nation, interner Kolonialismus,
Ehtnizität. Konzepte zur politischen Soziologie regionalistischer Bewegungen in
Westeuropa, 1985, S. 178.
[34] Bentley, Theoretical
Perspectives on Ethnicity and Nationality, 1983, S.
2-5; Song, Choosing Ethnic Identity, 2003, S. 16-19.
[35] Brass, Ethnicity and Nationalism. Theory
and Comparison, 1991, S. 13.
[36] Isaacs, Idols of
Tribe. Group Identity and Political Change, 1989, S. 41.
[37] Isaacs, Idols of
Tribe. Group Identity and Political Change, 1989, S. xi, 26.
[38] Scherrer,
Ethno-Nationalismus im Zeitalter der Globalisierung. Ursachen, Strukturmerkmale
und Dynamik ethnisch-nationaler Gewaltkonflikte, 1997, S. 37.
[39] Brubaker, Ethnizität ohne
Gruppen, 2007, S. 96.
[40] Weber, Wirtschaft und
Gesellschaft, 1956, S. 237.
[41] Weber, Wirtschaft und
Gesellschaft, 1956, S. 244.
[42] Weber, Wirtschaft und
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[43] Weber, Wirtschaft und
Gesellschaft, 1956, S. 237.
[44] Weber, Wirtschaft und
Gesellschaft, 1956, S. 238, 239.
[45] Rex, „Rasse“ und „Ethnizität“ als sozialwissenschaftlche
Konzepte, 1990, S. 146.
[46] Barth, Introduction,
1998, S. 13.
[47] Barth, Introduction,
1998, S. 9.
[48] Barth, Introduction,
1998, S. 10, 13.
[49] Barth, Introduction,
1998, S. 15.
[50] Barth, Introduction,
1998, S. 14.
[51] Barth, Introduction,
1998, S. 13.
[52] Barth, Introduction, 1998,
S. 14.
[53] Barth, Introduction,
1998, S. 29.
[54] Cohen, Two-Dimensional Man. An essay on the anthropology of power and
symbolism in complex society, 1974, S. 92.
[55] Cohen, Two-Dimensional Man. An essay on the anthropology of power and
symbolism in complex society, 1974, S. 96.
[56] Cohen, Introduction. The Lesson of Ethnicity,
1974, S. x.
[57] Cohen, Two-Dimensional Man. An essay on the anthropology of power and
symbolism in complex society, 1974, S. 98.
[58] Cohen, Introduction. The Lesson of Ethnicity,
1974, S. xxii.
[59] Heckmann, Ethnische
Minderheiten, Volk und Nation; Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, 1992,
S. 56.
[60] Heckmann, Ethnische
Minderheiten, Volk und Nation; Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, 1992,
S. 57.
[61] Smith, Ethnicity and Nationalism, 2006, S. 172.
[62] Smith, The Ethnic Origins of Nations, 1998, S.
32.
[63] Smith, The Ethnic Origins of Nations, 1998, S.
22-29.
[64] Anderson, Imagined communities, 2003,
S. 6.
[65] Gabbert, Creoles –
Afroamerikaner im karabischen Tiefland von Nicaragua, S. 35.
[66] Gabbert, Creoles –
Afroamerikaner im karabischen Tiefland von Nicaragua, S. 34.
[67] Smith, Ethnicity and Nationalism, 2006, S. 172.
[68] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 32.
[69] Barth, Introduction,
1998, S. 19.
[70] Claessens, Familie und
Wertesystem. Eine Studie zur „zweiten, sozio-kulturellen Geburt“, 1962.
[71] Bohleber, Identität und
Selbst. Die Bedeutung der neueren Entwicklungsforschung für die
psychoanalytische Theorie des Selbst, 1996, S. 268.
[72] Bohleber, Identität und
Selbst. Die Bedeutung der neueren Entwicklungsforschung für die
psychoanalytische Theorie des Selbst, 1996, S. 276.
[73] Bohleber, Identität und
Selbst. Die Bedeutung der neueren Entwicklungsforschung für die
psychoanalytische Theorie des Selbst, 1996, S. 289, 290.
[74] Adorno, Horkheimer,
Familie, 1991, S. 122.
[75] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 48.
[76] Die
Projektion, bei der eigene Aspekte von sich selbst nach außen projiziert
werden, beschreibt Volkan als Externalisation.
[77] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 53.
[78] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 59.
[79]
Volkan, Das Versagen der Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer
und religiöser Konflikte, 1999, S. 63, 64.
Brass (1991: 16) verweist
auf den Einfluss von dynamisch konkurrierenden Eliten im Hinblick auf ethnische
Identitätskonstruktionen. Die Auseinandersetzungen um Einflussnahme zwischen
den Eliten des Staats und den Eliten der Bewegung sind entscheidend im Prozess
ethnischer Identitätsbildung (vgl. Brass 1991: 13ff.).
[80] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 73.
[81] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 83.
[82] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 74.
[83] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 83.
[84] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 98, 99.
[85] Volkan, Das Versagen der
Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte,
1999, S. 123.
[86] Vgl. Bernecker, Ethnischer
Nationalismus und Terrorismus im Baskenland, 2004, S. 195-197.
[87] Pabst, Quebec –
selbstbewusste frankophone Nation in Kanada zwischen föderaler Partnerschaft
und Souveränität, 2007, S. 22.
[88] Vgl. zur Veränderbarkeit
von Symbolen Scherrer, Ethno-Nationalismus im Zeitalter der Globalisierung.
Ursachen, Strukturmerkmale und Dynamik ethnisch-nationaler Gewaltkonflikte,
1997, S 29.
[89] Bernecker, Ethnischer
Nationalismus und Terrorismus im Baskenland, 2004, S. 203-205.
[90] Scherrer,
Ethno-Nationalismus im Zeitalter der Globalisierung. Ursachen, Strukturmerkmale
und Dynamik ethnisch-nationaler Gewaltkonflikte, 1997, S. 38.
[91] Vgl. Cohen, Two-Dimensional Man. An essay on the anthropology of power and
symbolism in complex society, 1974.
[92] Vgl. Barth, Introduction, 1998; Eriksen, Ethnicity
and Nationalism, 1993, S. 22ff..
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