Erschienen in Ausgabe: No 63 (5/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Philipp Legrand
Osama Bin Laden, das Gesicht der
Terroranschläge vom 11. September 2001, wurde bei einer Operation amerikanischer
Elitesoldaten im nordpakistanischen Abbottabad getötet. Zehn Jahre galt der
Sohn eines reichen Bauunternehmers als der Inbegriff eines Terroristen. Die
Tötung des Topterroristen dürfte dabei als Genugtuung für viele, nicht aber als
einen Erfolg gegen den Terrorismus, bewertet werden. Die amerikanischen
Botschaften rund um den Globus sind in Alarmbereitschaft und die Angst vor
Vergeltungsanschlägen durch islamistische Terroristen scheint sprunghaft
angestiegen zu sein. Die Vergangenheit hat bereits mehrfach gezeigt, dass
derartig vermeintlich erfolgreiche Operationen eine Welle von Gewalt nach sich ziehen
können.
Beispielhaft sei hier kurz auf
Spanien und die Terrorismusbekämpfung gegen ETA durch die Regierung in Madrid
verwiesen. Viel deutet darauf hin, dass die spanische Regierung den legalen
demokratischen Weg der ETA-Verfolgung zeitweise verlassen und eine eigene
Terrororganisation mit der Bezeichnung Gruppe Antiterroristas de Liberación
zwischen 1983 und 1987 unterhalten hat, um gezielt Anschläge gegen
ETA-Mitglieder zu verüben.[1] Das
gewaltsame Vorgehen gegen ETA zog allerdings auch eine immer größere
Gewaltwelle der Organisation nach sich.
Die Terroranschläge vom 11.
September haben bei vielen unterschiedlichste Gefühle ausgelöst: Angst,
Verzweiflung, Unsicherheit, Wut, Verteidigungsimpulse, Neugier, Schadenfreude und
mitunter auch Faszination.[2]. Wer
aber steckt hinter solch verheerenden terroristischen Anschlägen? Welcher Typus
Mensch entledigt sich von allgemeinen moralischen Vorstellungen und rechtlichen
Restriktionen und wird zu einem Terroristen?
Terroristen scheinen häufig aus
Mittelschichtfamilien zu stammen und verfügen nicht selten über eine viel
versprechende berufliche Perspektive. Mohammed Atta beispielsweise, einer der
Piloten vom 11. September, dessen Vater als Rechtsanwalt tätig ist, studiert an
der Technischen Universität Hamburg-Harburg Stadtplanung. Auch Marwan
al-Shehhi, der das Flugzeug in den Südturm des World Trade Centers steuert,
entstammt einer wohl situierten Familie, die ihr Vermögen im Handel akkumuliert
hat. Al-Shehhi kommt als Stipendiat nach Deutschland.[3]
Auch ehemalige RAF-Aktivisten
kommen aus gut bürgerlichem Hause. Der Vater von Andreas Baader ist Historiker,
der Vater von Horst Mahler arbeitet als Zahnarzt, Brigitte Monhaupt ist die
Tochter eines Verlagskaufmanns und Ulrike Meinhofs Vater betätigt sich als
Kunsthistoriker. Beinahe alle RAF-Mitglieder besitzen die Hochschulreife und
die meisten von ihnen fangen mit einem Studium an, das einige auch beenden.
Viele von ihnen verfügen über aussichtsreiche Perspektiven in beruflicher Hinsicht.
Ulrike Meinhof arbeitet bereits in einem Alter von 26 Jahren als
Chefredakteurin und erlangt als Journalistin frühzeitig einen recht großen
Bekanntheitsgrad.[4]
Ein Terrorist zeichnet sich im
Allgemeinen durch seine absolute Verschwiegenheit aus. Selbst engste
Familienangehörige wissen zumeist nichts von seinen Aktivitäten und seinem
radikalen Potential. Im sozialen Umfeld der Attentäter vom 11. September
beispielsweise fiel Professoren, Behörden, Eltern, Geschwistern und Freunden nicht
auf, welches terroristische Potential sich im Laufe der Zeit bei ihnen herausbildete.
Bekannte bezeichnen den Terroristen häufig als freundlich und nett. Die
Radikalisierung der Attentäter korreliert nicht selten mit deren Studienzeit.
Häufig scheinen Terroristen junge Erwachsene zu sein, deren Sozialisation noch
nicht abgeschlossen ist. Junge Menschen neigen eher zu radikalen Denk- und
Handlungsweisen als ältere.[5] So
sind RAF, ETA und FLQ beispielsweise in erster Linie Organisationen, die sich
aus jungen Erwachsenen zusammensetzen. Während des Sozialisationsprozesses kommt
es zur Übernahme spezifischer gesellschaftlicher Anforderungen und Positionen
sowie der sozialen Rolle.[6] Oft
haben Terroristen noch keine eigene Familie gegründet und stehen noch nicht
fest im Berufsleben. Das Engagement und der Kampf für eine bestimmte Sache
unter dem Dach einer terroristischen Organisation scheint ein wesentlicher
Identitätsanker für die Terroristen selbst zu sein. Innerhalb der
terroristischen Vereinigung fühlt das Mitglied eine besondere Wertschätzung. Junge
Attentäter sind draufgängerisch, fanatisch und bringen den nötigen Idealismus
mit. Auch die Affinität zu einer gewissen Abenteuerlust sollte nicht
unterschätzt werden.[7]
Viele Terroristen erleben im
jungen Erwachsenenalter, häufig zwischen 20 und 30 Jahren, einen Umbruch ihrer
lebensweltlichen Vorstellung. Zumeist handelt es sich bei Terroristen nationalistischer,
religiöser und rechtsradikaler Gewaltorganisationen um männliche Personen. Frauen
üben zumeist unterstützende und weniger operationale Aufgaben aus. Eine Ausnahme
stellt der sozialrevolutionäre Terrorismus dar. So war beispielsweise der
Frauenanteil innerhalb der RAF Gruppierungen hoch. Meist scheinen Terroristen
eher in städtischen und weniger ländlichen Sozialmilieus aufzuwachsen.[8]
Terroristen werden schnell mit
einem anomalen Persönlichkeitsprofil in Verbindung gebracht, da die Anschläge
schockierend und unverständlich erscheinen. Allerdings weisen Untersuchungen nicht
darauf hin, dass es sich bei Terroristen um abnorme Personen handelt. Terroristen
scheinen sich ihrer Handlungsweise bewusst zu sein. Auch der Psychologe
Wilfried Rasch, der Aktivisten der ersten RAF Generation untersucht hat, fand
keine Anzeichen von einer geistigen Verwirrung oder beschränkter Zurechnungsfähigkeit.
Die Aktivisten besitzen genaue Vorstellungen von ihren Zielen und weisen keinerlei
psychopathische Züge auf.[9] Es bedarf
keiner abnormen Persönlichkeit, um gewalttätig zu werden. Ausreichend für die
Anwendung von Gewalt kann bereits eine Reduktion moralischer und rechtlicher Restriktionen
sein, so dass Gewalttätigkeit keine ernsthaften Konsequenzen nach sich zieht. Die
Tendenz zu gewalttätigem Handeln ist in vielen Teilen der Welt deutlich erhöht.
So erscheint die Selbstverteidigung unter Gewaltanwendung im Nahen Osten
beispielsweise wesentlich etablierter, als dies in Deutschland der Fall ist. Der
Schritt von einer gewaltbereiten Person zum Terroristen, scheint nicht
sonderlich groß.[10]
Es ist nicht möglich eine
Generalisierung im Hinblick auf das terroristische Persönlichkeitsprofil zu
treffen. Viele Terroristen stammen aus privilegierten Milieus. Sie durchlaufen
eine durchschnittliche Ausbildung und haben sich noch nicht vollkommen
sozialisiert. Terroristen scheinen zumeist sozial wenig gebunden und gesellschaftlich
nicht sonderlich integriert zu sein, obgleich sie von ihrem Umfeld vielfach als
freundlich und nett wahrgenommen werden. Die Ungebundenheit und noch nicht
abgeschlossene Sozialisation trifft meist auf Menschen zu, die weder besonders
jung noch besonders alt sind. Der künftige Terrorist scheint sich immer weiter
aus seinem ursprünglichen Umfeld zurückzuziehen, um eine neue Identität, die des
Terroristen, zu erwerben.
[1] Bernecker (2004: 210-212) Ethnischer Nationalismus
und Terrorismus im Baskenland. In Spanien heute: Politik, Wirtschaft, Kultur:
Frankfurt am Main: Seiten: 195-238.
[2] Waldmann (2005: 11)
Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
[3] Der Spiegel (2001: 20-26)
Lieb, nett und niemals böse.
[4] Riegler (2009: 173)
Terrorismus. Akteure, Strukturen, Entwicklungslinien: Innsbruck, Wien, Bozen:
Studienverlag.
[5] Waldmann (2005: 189)
Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
[6] Claessens (1962) Familie
und Wertesystem. Eine Studie zur „zweiten, sozio-kulturellen Geburt“ der
Menschen: Berlin: Duncker & Humbolt.
[7] Waldmann (2005)
Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
[8] Waldmann (2005: 188, 189,
191) Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
[9] Waldmann (2005: 192)
Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
[10] Waldmann (2005: 195, 196)
Terrorismus. Provokation der Macht: Hamburg: Murmann.
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Warszawski 03.05.2011 19:26
„Die Tendenz zu gewalttätigem Handeln ist in vielen Teilen der Welt deutlich erhöht. So erscheint die Selbstverteidigung unter Gewaltanwendung im Nahen Osten beispielsweise wesentlich etablierter, als dies in Deutschland der Fall ist. Der Schritt von einer gewaltbereiten Person zum Terroristen, scheint nicht sonderlich groß.“………………......................………….. Mit anderen Worten: Ein Deutscher ist weniger bereit als ein Orientale, sich mit Gewalt zu verteidigen, was die Übergriffe in Deutschland auf wehrlose zufällig Anwesende durch Orientalen und das Wegschauen der genuinen Deutschen erklärt. Der wegschauende genuine Deutsche handelt somit ethisch richtig, denn die fehlende Bereitschaft, dem am Boden Liegenden zu helfen, hält ihn sicher davon ab, Terrorist zu werden.