Erschienen in Ausgabe: No 64 (6/2011) | Letzte Änderung: 06.02.13 |
von Jörg Bernhard Bilke
VOPO-General im Ruhestand Dieter Winderlich brauchte über
ein Jahr, um auf meine Kritik an seinem Artikel „Was geschah im Zuchthaus
Hoheneck?“ zu reagieren. Wenn er so weiter macht, wird er noch die Weltrevolution
verpassen!
Zunächst einmal kann der hochrangige Vertreter der
„antifaschistischen Polizei des Volkes“ nicht richtig zitieren und dann steht
er auch noch mit der Rechtschreibung auf dem Kriegsfuß. Das erinnert mich an
meinen Leipziger Vernehmer, MfS-Leutnant Rudolf Körner, der immer hinterm
Schreibtisch in einem Fremdwörter-Duden blätterte, weil er zum Beispiel nicht
wusste, wie man „Orthografie“ schreibt.
Dass ich die Haftzeit Gabriele Stötzers im Zuchthaus
Hoheneck um zehn Jahre aufs absehbare Ende der DDR vorverlegt habe, gebe ich
zu. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass 1978/79 dort derart
paradiesische Zustände geherrscht haben sollen, wie sie es in ihrem Buch „Die
bröckelnde Festung“ (2002) beschreibt. Damit gibt sie nämlich den Apologeten
der SED-Diktatur wie Dieter Winderlich eine Steilvorlage zur Diffamierung
politischer Häftlinge.
Ex-Vize-Minister Dieter Winderlich, der im
DDR-Innenministerium unter Minister Friedrich Dickel (1913-1993) für die
Überwachung der DDR-Gefängnisse zuständig war, beklagt sich darüber, dass sich
seine antikommunistischen Gegner immer nur bei den „politischen“ (das schreibt
er in Anführungszeichen!) Ex-Gefangenen,nicht aber bei den Ex-Volkspolizisten, die in den Strafanstalten
gearbeitet haben, und bei den „Arbeitern der Arbeitseinsatzbetriebe“
erkundigen.
Warum zweifelt eigentlich niemand die in zahlreichen Büchern
veröffentlichten Erlebnisberichte von Ex-KZ-Häftlingen an? Könnten sie nicht
gelogen oder, von Rachegedanken erfüllt, verzerrt berichtet haben, um ihre
einstigen Bewacher nachträglich zu verleumden? Hätten da nicht auch die
Funktionshäftlinge, zumeist Kriminelle, oder die Schlägertypen von der
SS-Wachmannschaft oder die Industriebosse von Krupp, Thyssen und IG-Farben, die
an der Ausbeutung der KZ-Insassen Millionen verdient haben, befragt werden
müssen, um ein vollständiges Bild von der Situation in den Konzentrationslagern
zu gewinnen?
Dann lässt sich unser Klassenkämpfer auf zwei Seiten über
die Verpflegungssätze in DDR-Gefängnissen aus und will uns weismachen, so, wie
es da stand, wurde es auch ausgeführt. Als ich meinen MfS-Vernehmer im Herbst
1961 in Leipzig fragte, warum es in der DDR kein Briefgeheimnis gäbe, las er
mir den entsprechenden Paragrafen aus der DDR-Verfassung vor, dass das Briefgeheimnis
gewahrt werde. Der glaubte tatsächlich, wenn es da stand, würde es auch
eingehalten.
Mit der Verpflegung war es in Waldheim so: Wir haben täglich
ausreichend zu essen und zu trinken bekommen , sind also nicht verhungert. Aber
wir wussten auch, dass die Kalfaktorentruppe, durchweg Kriminelle, die von der
Volkspolizei eingesetzt war, sich immer die besten Brocken aus dem Essen
fischte und wohlgenährt durch die Anstalt lief. Wir sahen es, unternehmen
konnten wir nichts, eine Beschwerde wäre nicht angenommen worden. Selbst die
Vollmilch, die für Häftlinge mit geschlossener Tbc ausgegeben wurde, war
gepanscht. Einige Liter wurden abgezweigt und gegen Zigaretten eingetauscht,
die Restmilch wurde mit Wasser aufgefüllt. Mit einem Wort: Dieter Winderlich hat
keine Ahnung vom DDR-Strafvollzug!
Schließlich erwähnt er noch, dass „ausländische
Staatsbürger“, wozu er auch die Bundesbürger zählt, „von den diplomatischen
Vertretern ihrer Heimatländer regelmäßig besucht und betreut“ wurden. Während
meiner Zeit in Waldheim 1962/64 hat sich nie ein Vertreter der Bundesregierung
in Bonn bei mir blicken lassen, bei anderen westdeutschen Häftlingen auch
nicht.
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Simnie 08.05.2011 21:35
scheint für Herrn Bilke nötig. Die Befreier Deutschlands vom Faschismus haben sich auch vor den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen ein Bild über die Konzentrationslager gemacht, in dem sie nicht nur Häftlinge befragten, sondern auch Kz-Kommandanten, Kz-Aufseher und Kapos. Fazit: Alle bestätigten die Massenvernichtung durch die Nazis in den Vernichtungslagern. 1962/64 konnte die BRD Herrn Bilke nicht beistehen, da er in einem Staat im Gefängnis war, der mit Gänsefüsschen geschrieben wurde und wo die BRD keine diplomatischen Beziehungen wünschte.