Erschienen in Ausgabe: No 64 (6/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Jan Fleischhauer
Wie kann man aus
Versehen ein Konservativer werden?
Wenn man wie ich aus einer linken Familie stammt und
irgendwann Zweifel an bestimmten Verstiegenheiten bekommt.
Sie sind kein Bekenntniskonservativer!
Nicht wie beispielsweise Roland Koch, der mit seinem Buch „Konservativ“
Praxishilfen für gebeutelte Konservative geben will. Der Begriff konservativ
hat heutzutage Konjunktur, fast wird er inflationär gebraucht. Was bedeutet
konservativ für Sie konkret?
Konservativ, so wie ich es benutzte, heißt zuerst nicht
links zu sein. Dies klingt nach nicht sehr viel, ist aber tatsächlich doch eine
ganze Menge, weil jedenfalls in der Welt, in der darüber befunden wird, wie
Dinge zu sehen und zu bewerten sind, die Linken eindeutig dominieren.
Was ist das
sogenannte Gute, für das die Linke steht? Der Begriff des Guten, des „Höchsten
Gutes“, ist ja alles andere als links.
Die Linke nimmt für sich in Anspruch, auf der richtigen
Seite zu stehen und für das „Gute“ zu kämpfen. Gut insofern, als sie, wie wir
wissen, nie eigene Machtinteressen verfolgt, sondern sich immer für andere
einsetzt. Also für Menschen, die ihrer Anwaltschaft bedürfen, für die Frauen, für
die Ausländer, für die sexuell Benachteiligten, für die alleinerziehenden
Frauen etc. Und darauf gründet natürlich auch ihr moralischer Selbstanspruch
und ihr Selbstverständnis.
Warum ist die Linke
Ihrer Meinung nach so anfällig für Unheilsszenarien? Warum enden die Utopien,
das Gute, immer wieder in Terror und Verfolgung?
Die Anfälligkeit ist die Kehrseite beim Kampf für die große
Idee. Es gibt wenig Linke, die ohne den großen Plan auskommen, denn dieser
macht ja die Verführungskraft der linken Idee aus. Fast jeder Linke trägt unter
dem Arm fast immer ein Weltrettungsprojekt. Und um die Dringlichkeit dieses
Projektes immer noch dringlicher zu machen, steht natürlich daneben immer die
Sorge, dass, wenn es ganz anders kommen sollte, die Welt untergeht.
Warum ist die Linke,
sind die westdeutschen Linken, oft so dogmatisch, sind Linke, wie Sie es nennen
„angespannt“ und keine ausgesprochenen Liebhaber der Meinungsvielfalt, obwohl
sie sich auch auf die Tradition der Aufklärung, nicht zuletzt auf Immanuel Kant
und sein „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, berufen?
Wenn sie gegen das Böse kämpfen und für das Gute, dann gibt
es Situationen, wo Toleranz Verrat an ihren Ideen bedeutet. Zu große
Duldsamkeit mit abweichenden Meinungen bedeutet auch Nachlässigkeit im Kampf
für die richtige Sache.
Was stört sie am
meisten an den Linken?
Mich stört am meisten ihre Humorlosigkeit. Und diese
verfluchte Eigenschaft, nicht nur selbst sich gedruckt zu sehen, sondern es
schon als Erfolge zu feiern, dass man verhindert hat, dass die andere Seite
gedruckt wurde.
Sie haben Philosophie
und Literatur studiert. Wer in der Geschichte der abendländischen
Geistesgeschichte ist für Sie ein Linker per excellence? Welcher Philosoph der
Gegenwart ist Ihr Favorit?
Der Gründungsvater der Linken ist für mich nicht Karl Marx,
sondern Jean Jacques Rousseau, wo sich fast alle Dinge, die die Linke in
irgendeiner weise ausmacht, schon vorfinden; angefangen beim Sentimentalismus
der Gefühlskultur, beim Glauben an das Gute im Menschen und bei der Hoffnung seiner
Verbesserbarkeit. Der große Konservative hingegen ist für mich David Hume auf
der gemäßigten, Thomas Hobbes auf der dunklen Seite. In der Gegenwart würde ich
Hermann Lübbe als den großen Wertkonservativen nennen.
Wird der neue Mensch,
von dem nicht nur die Linke träumt, wieder ein linker oder vielleicht doch ein
konservativer sein?
Der Konservative überläßt die Schaffung des neuen Menschen,
wenn überhaupt nur einem – dem Allmächtigen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Dr. Stefan Groß
Zuletzt erschien Fleischhauers vielberühmtes Buch "Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde", Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009, ISBN 978-3-498-02125-2.
Das Interview fand im Rahmen einer Lesung am 17. Mai in Camburg im Rahmen des "Bildungswerk Erfurt" der Konrad-Adenauer-Stiftung statt. Gedankt sei Daniel Braun.
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