Erschienen in Ausgabe: No 66 (8/2011) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Stefan Groß
Viele Garteninteressierte wird es freuen: Nun endlich liegt
eine kleine Literatur zur Gartenkunst des Barocks vor. Zwar sind barockes
Gartenideal, geometrische Ordnung und die großen Anlagen von Versailles oder
Wien in aller Munde, doch selten sind es die literarischen Kleinode, die
Theorien, das Amüsante und das Amouröse, das sich mit der gängigen Vorstellung
von der starren Gartenkunst verbindet. Daß eine Kunst wie die des Barocks nicht
mit Üppigkeit geizt, davon geben nicht nur die prachtvollen Gartenanlagen ein
beredetes Zeugnis, sondern nun auch eine kleine Anthologie, die in der Dietrich`schen
Verlagsbuchhandlung erschienen ist.
Werner von Koppenfels präsentiert in seinem Bestreben mit einer „reizvoll
fremdartigen Poetik vertraut zu machen“, ein wohl arrangiertes und
proportioniertes Bukett der Gartenliteratur, das sowohl Tassos Liebesgärten,
Robert Burtons Gärten gegen die Melancholie als auch das berühmte Paradies
lost von Milton in den Blick des Lesers rückt. Darüber hinaus wird auch
deutlich, daß das Barockzeitalter nicht nur das des schwelgerischen Überflusses
ist, sondern auch eines, in dem sich die Ambivalenz zwischen Lebensgenuß und
asketischer Ein- und Umkehr findet, in dem das Leben mit dem Tod ringt, wo vita
activa und vita contemplativa eine merkwürdige Wesensnähe zueinander aufbauen.
Auch wird ein Geschichtsbild korrigiert, das die barocke Kunst als ein flaches
oder leichtes Medium behandelt, und dieser vorwirft, sich in bloßem Spieltrieb
und reiner Zweckfreiheit zu verlieren und zu gefallen. Dagegen kommt ein
barockes Naturverständnis zum Tragen, das den Garten als eine künstlerisch
gestaltete Natur zweiter Ordnung hervortreten läßt, der nicht nur Spiegelbild
einer göttlichen Ordnung ist, die sich in ihm repräsentiert, sondern der auch
zum Ort wird, wo sich das Individuum als freiheitliches Subjekt entdeckt.
Dieser Trend zur aufbrechenden Individualität zeigte sich auch in der Mode der
damaligen Zeit, Grotten und Eremitagen anzulegen. Mittels ihrer sollte es dem
Ich möglich werden, der Welt zu entfliehen, um sich in der abgezirkelten Natur
selbst zu entdecken.
Gartenführer kamen insbesondere mit der zunehmenden Verbreitung der englischen
Gartenkunst auf dem europäischen Kontinent in Mode, August Rodes
Beschreibung des Fürstlich Anhalt-Dessauischen Landhauses und
Englischen Gartens zu Wörlitz ist dafür sicherlich eines der
renommiertesten Beispiele.
Mit von Koppenfels’ Anthologie Barocke Gärten der Literatur liegt nun
auch für den barockbegeisterten Gartenbesucher ein dienstbarer literarischer
Reiseführer vor, der einen guten Einblick in die damalige Lyrik und Prosa gibt,
und der darüber hinaus mit lesefreundlichen Kommentaren versehen ist. Vieles
hat der Herausgeber behutsam modernisiert und ins Deutsche übersetzt.
Nicht nur die innere Vielfalt der ausgewählten Texte beeindruckt und läßt das
Buch zum geschätzten Reisebegleiter werden, auch das Format überzeugt, denn es
ist handlich genug, um in jede Jackentasche zu passen. Statt sperrigem
Kunstband nun endlich auch ein Buch für den rastlosen Gartenenthusiasten, der
sich vom Gesehenen inspiriert, nun den in Koppenfels’ Sammelband enthaltenden
53 Gedichten, Vers- und Prosatexten in einer Eremitage oder Grotte zuwenden
kann.
Hrsg. und übersetzt von Werner von Koppenfels.
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2007. 206 S., 24 Euro
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