Erschienen in Ausgabe: No 68 (10/11) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Nathan Warszawski
Der gestürzte ägyptische Präsident Mubarak beschwor seinen
ehemaligen syrischen Diktatorkollegen Bashir al-Assad, die Macht abzugeben. Es
heißt, dass Assad Mubarak gefragt haben soll, wie es ihm im Gefängnis gefalle.
Der libysche Diktator Ghaddafi konnte gestürzt werden, da es
für seine Existenz keine Notwendigkeit gab. Der gestürzte ägyptische Präsident
Mubarak war für Israel und den westlichen Staaten wichtig. Deren Macht reichte augenscheinlich
nicht aus, um Mubarak vor Sturz und Gefängnis zu schützen.
Anders in Syrien. Assads Syrien ist in einem Netz von
Intrigen derart verwoben und verknotet, dass sein Sturz unwahrscheinlich ist,
unmöglich erscheint.
Es ist gefährlich, öffentlich eine Prognose über die Zukunft
herauszugeben, die uns Menschen verschlossen ist. Ich wage es trotzdem und
gestehe vorsichtigerweise, dass ich kein Prophet bin. Sollte ich mich im
Ergebnis irren, so hoffe ich, dass meine Analysen nicht falsch sind.
Assad hat Verbündete, Feinde, Unterstützer und Anhänger.
Diese strategischen Gruppen lassen sich nicht voneinander unterscheiden.
Zu Assads Verbündeten zählen die Türkei und der Iran. Die relativ
mächtige Türkei ist ein Verbündeter, weil sie von einem alt-neuen islamischen
Kaliphat unter türkischer Vorherrschaft beseelt ist. Sie sammelt die verlorenen
arabischen Staaten um sich. Bisher ist dies nur bei ihrem unmittelbaren Nachbarn
Syrien gelungen. Wendet sich Syrien von der Türkei ab, so verliert der erhoffte
Gottesstaat jegliche Hoffnung auf Erfüllung.
Assad ist Alevit. In Syrien herrschen die Aleviten, die von
der sunnitischen Mehrheit als Schiiten oder als Ungläubige betrachtet werden.
Die Aleviten selber sehen sich als gebildete säkulare Moslems. In der Türkei und
in Deutschland werden bekennende Aleviten von türkischen Sunniten verachtet und
nach Möglichkeit verfolgt und unterdrückt. Derzeit verfolgen und morden die
Aleviten in Syrien die Sunniten. Die Türkei beansprucht für ihr Kaliphat
Zypern, Syrien, den Libanon, den Irak, die Golfstaaten, Saudi-Arabien, Jemen,
Jordanien, Israel, die Palästinensergebiete und Ägypten. Syrien wünscht sich ein
Großreich in der Ausdehnung des Assyrischen Großreiches, welches Zypern, die
Türkei, den Libanon, den Irak, die Golfstaaten, Jordanien, Israel, die
Palästinensergebiete und Ägypten beinhaltet. Während Assad in Europa westlich
erzogen wurde und deshalb dem Westen misstraut, hat der türkische
Ministerpräsident Erdoğan seine gesamte Bildung in seiner orientalischen Heimat
genossen und wünscht sich den Beitritt seines Landes in die EU.
Der zweite zuverlässige Verbündete Syriens ist der Iran.
Dort herrschen die Schiiten, die im eigenen Land jeden Aleviten ermorden würden,
so es sie dort gäbe. Da die Schiiten keine Freunde der Sunniten sind, die
iranischen Schiiten also keine Freunde der syrischen Sunniten, unterstützt der Iran skrupellos den syrischen
Diktator, um die Unruhe im Nahen Osten zu schüren und zu erhalten. Die
iranischen Schiiten sehen sich als Beschützer der syrischen Schiiten, die Assad
zuneigen, da sich für sich nach dessen Abgang nichts Gutes von der sunnitischen
Majorität erwarten.
Den westlichen NATO-Staaten ist Syrien ein wichtiger
Verbündeter, wenn es um Erledigung delikater Aufgaben wie Folter geht. Die
geringen Vorkommnisse an Erdöl befreien den Westen, im Falle eines Konfliktes
wie in Libyen, militärisch für seine Energiesicherung einzutreten. Auf Grund
der vielen zivilen Opfer in Syrien, die Assad Terroristen nennt, sehen sich die
westlichen Staaten ideologisch gezwungen, sich von Assad zu distanzieren und
die offizielle Zahl der Ermordeten klein zu halten. Russland, welches an
Einfluss in Syrien an den Westen verloren hat, und China, welches bisher keinen
Einfluss auf Syrien hatte, möchten ein verstärktes Eindringen des Westens vermeiden,
insbesondere da Syrien vor ihrer „Haustür“ liegt. Eine UN-unterstützte Strafaktion
westlicher Staaten gegen Syrien ist somit nicht zu befürchten.
Zu den wenigen Feinden Syriens und Unterstützer Assads zählt
Israel. Die Entsendung randalierender Palästinenser über die schlecht
gesicherte gemeinsame Grenze im Golan betrachtet Israel als aggressiven Akt und
Ablenkungsmanöver, mit dem sich Assad Luft und Sympathie bei den Seinen verschaffen
wollte. Ansonsten ist die israelisch-syrische Grenze seit Jahrzehnten
befriedet. Ein sunnitisches Syrien wäre für Israel derart unangenehm, dass sich
Assad 100% darauf verlassen kann, in seiner jetzigen Schwäche nicht
von Israel angegriffen zu werden.
Auch die Palästinenser unterstützen Assad, da er
palästinensischen Organisationen Unterschlupf in Syrien gewährt, die von
anderen palästinensischen Organisationen verfolgt werden. Als bei der jetzigen
Massentötung einige Palästinenser als Kollateralschäden ihr Leben verloren,
bemühten sich offizielle und inoffizielle Palästinenser und ihre europäischen
Friedensfreunde erfolgreich, dies zu vertuschen. Es versteht sich daher, dass
progressive Friedenskräfte nicht auf Seiten Syriens, sondern auf Seiten Assads
stehen. Hitzige Demonstrationen gegen Assad sind weder in Westeuropa, noch in
Nordamerika zu befürchten, selbstverständlich nicht in Russland und China.
Zu den Anhängern Assads werden die Christen in Syrien
gezählt, die nicht das Schicksal ihrer Glaubensgenossen wie nach dem Sturz
Saddam Husseins im Irak teilen wollen. Sie ziehen die allgemeine und gleiche
Diktatur unter Assad einer gesonderten Verfolgung unter den Schiiten Syriens
vor. Selbst der Vatikan hat sich bisher geweigert, die Missetaten Assads mit
sanften Worten zu benennen.
Somit ist Assads politische Zukunft und die seiner Familie
gesichert. Cui bono, wenn Assad verschwindet? Der Demokratie? Den zukünftigen
Unterdrückten?
Die Demokratie hat in Syrien dieselbe Chance wie in anderen
arabischen Staaten. Also keine.
Den Unterdrückten empfehlen Verbündete, Feinde, Unterstützer
und Anhänger Assads zu schweigen.
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Warszawski 05.10.2011 19:08
DAMASKUS (inn) - Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat den Westen offenbar davor gewarnt, sein Land anzugreifen. Sollte dies doch geschehen, werde er Israel attackieren, drohte Assad der iranischen Nachrichtenagentur FARS zufolge.