Erschienen in Ausgabe: No 68 (10/11) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
Vor 65 Jahren begann der Kampf für die Unabhängigkeit von Vietnam, Laos und Kambodscha gegen die Kolonialmacht Frankreich. Hunderttausende Menschen wurden dabei getötet.
von Michael Lausberg
Französisch-Indochina
war bis 1954 der Name der französischen Kolonialgebiete in Indochina auf dem
Gebiet des heutigen Laos, Kambodscha und Vietnam.[1] Sie
wurde 1887 gegründet und vereinte die drei vietnamesischen Landesteile
Cochinchina, Annam und Tongking, das Königreich Khmer und ab 1893 auch Laos. An
der Spitze der Verwaltung stand ein Generalgouverneur mit Sitz in Hanoi, dem
der Gouverneur von Cochinchina sowie die Oberresidenten von Tongking, Laos,
Annam und Kambodscha unterstanden.
Vorgeschichte
Der Kaiser von Vietnam lehnte den
Abschluss von Handelsverträgen mit Frankreich, das unter der Regentschaft
Napoleons III. in Südostasien Fuß zu fassen suchte, strikt ab.[2] 1858
besetzten französische und spanische Soldaten ohne vorherige Verhandlungen den
Küstenstreifen von Vietnam, damit begann die Kolonialherrschaft. Frankreich
verfolgte damit Handelsinteressen und die Erschließung der Märkte des Fernen
Ostens. Es fand auch eine katholische Missionierung statt. 1860 begann ein
Krieg gegen China, nach der Einnahme und Plünderung von Peking unterzeichnet
China einen Friedensvertrag. Die Unterwerfung des Landesinneren von Vietnam
ging weiter; es entstand eine dauerhafte politische Verwaltung. Die Verwaltung
der Kolonie unterstand dem Marineministerium. Sie führte wenige Neuerungen ein
und wollte aus den einheimischen Erfahrungen Nutzen ziehen. Nur eine kleine
Zahl französischer Verwaltungsbeamter wurde ihnen übergeordnet. Die nördlichen
und mittleren Gebiete Vietnams wurden nach dem Französisch-Chinesischen Krieg (1884–1885)
auch von Frankreich besetzt.
Das französische Parlament
beschließt 1882, Vietnam zum Protektorat zu machen und eine Kolonialverwaltung
einzurichten, die von China zwei Jahre später offiziell anerkannt wurde. Anerkennung
durch China 1884. In Vietnam organisierte sich eine Widerstandsbewegung gegen
die französischen Unterdrücker; dies war der Beginn eines fünfzehnjährigen
Guerillakrieges. Die vietnamesische Widerstandsbewegung scheitert daran, dass
ihr eine zentrale Leitung fehlt. Die Ausbeutung Vietnams wird forciert; es
entsteht eine soziale Schicht von Vietnamesen, die sich mit den Franzosen
verbünden. Die neu entstandene vietnamesische Bourgeoisie wollte die
Unabhängigkeit Vietnams als Basis für ihren eigenen wirtschaftlichen Aufstieg.[3]
Bis 1930 war eine wirtschaftliche
Entwicklung Französisch-Indochinas zu beobachten: Bau von Eisenbahnen, moderner
Industrie und die Erschließung der Bergwerke.
Es wurde eine 6 Jahre lang
dauernde Grundschulausbildung zur Hälfte in Vietnamesisch und Französisch
eingeführt und eine Indochinesische Universität in Hanoi gegründet.
Die russische Revolution 1917 gab
der Widerstandsbewegung in Indochina neue Nahrung, weitergehende Forderungen
nach Unabhängigkeit wurden gestellt. 1925 wurde die „Revolutionäre Liga der
vietnamesischen Jugend“ gegründet, die Keimzelle der späteren Kommunistischen
Partei. Für die vietnamesischen Arbeiter, deren Arbeitgeber die
Kolonialgesellschaften waren, bedeuteten der Kampf um bessere Lebensbedingungen
und der politische Kampf um die Unabhängigkeit ein und dasselbe. Die
Zugeständnisse Frankreichs gingen nicht weit genug, um die Bewegung
aufzuhalten.
Die Weltwirtschaftskrise traf die
Masse der Bevölkerung Französisch-Indochinas, deshalb bekam die Unabhängigkeitsbewegung
neuen Zulauf. Die Verminderung der Steuereinnahmen bedeutete für das
Kolonialbudget einen schweren Schlag.
Nach der Kapitulation Frankreichs
im 2.Weltkrieg 1940 unterstand der Indochina Generalgouverneur der
Vichy-Regierung, die am 30.8.1940 mit Japan ein Abkommen schloss, demzufolge
diesen die Besetzung Indochinas zugestanden wurde, während die französische
Oberhoheit im gesamten Gebiet anerkannt wurde. Die Vichy-Regierung war in den
französischen Kreisen Indochinas beliebt. 1941 wurde ein Aufstand der
antikolonialen Widerstandsbewegung von französischen und japanischen Truppen
unterdrückt. Während des Zweiten Weltkriegs unterstützten die USA die Viet Minh
im Kampf gegen die japanischen Besatzer. Die 1941 gegründete Viet Minh forderte
die Einheit des Landes, die Einführung eines allgemeinen Wahlrechtes, einen
Aufschwung des Bildungswesens, demokratische Freiheiten, eine Amnestie für die
politischen Gefangenen, eine fortschreitende Industrialisierung, den
Achtstundentag und die Einführung der Sozialversicherung.[4]
Nach der Kapitulation Japans im Sommer 1945
proklamierten die Viet Minh die Unabhängigkeit der Demokratischen Republik
Vietnam, die bis Dezember 1946 bestand. Am 2. September 1945 wurde Ho Chi Minh
Präsident der Demokratischen Republik Vietnam Frankreich beanspruchte die
Wiedererrichtung seiner Kolonialherrschaft. Hồ Chí Minh versuchte vergeblich,
seinen Verbündeten USA zu bewegen, die Unabhängigkeit Vietnams militärisch zu
schützen. Die Vereinigten Staaten betonten zwar das Selbstbestimmungsrecht
aller Völker, sicherten aber gleichzeitig dem französischen Verbündeten den
Fortbestand seines Kolonialreichs zu. Japan wollte die vietnamesische Republik
ebenfalls verhindern. Der Bodenbesitz der französischen Siedler wurde unter den
armen Bauern verteilt, Achtstundentag und Mindestlöhne wurden eingeführt. Das
allgemeine Wahlrecht wird verkündet, die persönliche Freiheit und die
Gleichheit aller Staatsbürger und die Achtung vor dem Privateigentum.
Verlauf
des Indochinakrieges
Ho Chi Minh schloss daraufhin
1946 mit Frankreich ein Abkommen, in dem Frankreich Vietnam als „freien Staat“
anerkannte und das die zeitlich begrenzte Stationierung französischer Truppen
in Tongking vorsah.[5] Während Ho Chi Minh über
weitere Einzelheiten in Paris verhandelte, bombardierten französische Flugzeuge
am 23. November 1946 die vietnamesische Hafenstadt Hải Phòng, wobei 6000
Zivilisten starben. Der Indochinakrieg hatte begonnen. Im Jahre 1947 gelang es
den Franzosen Städte, Straßen und Wasserwege zu besetzen. Durch die
Unterstützung der Bevölkerung konnte die Viet Minh die militärische
Unterlegenheit ausgleichen. Es kam zu einer Neubesetzung der Regierung der
Republik Vietnam im Rückzugsgebiet im Inneren des Landes: Neben
sozialistischen, demokratischen und kommunistischen Funktionären gehörten ihm
Katholiken, ein Buddhist, Nationalisten und ehemalige Mandarine an. Die
Republik Vietnam bekam international politischen Einfluss. Auf der
Interasiatischen Konferenz von Dehli im Mai 1947 wurde eine Resolution verabschiedet,
in der die Staaten Asiens aufgefordert werden, die Unabhängigkeit Vietnams
bewahren zu helfen.
In Frankreich lehnte ein großer
Teil der Bevölkerung den Krieg ab. Die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF)
stimmte im Frühjahr 1947 geschlossen gegen die Militärkredite.
In den Jahren 1948-1952
existierte im Indochinakrieg ein Gleichgewicht der Kräfte, die Demokratische
Republik Vietnam konnte sich stabilisieren. Es wurden „Verwaltungskomitees für
den Widerstandskampf“ gebildet, deren Mitglieder jährlich von der Bevölkerung
gewählt wurden. Es wurde eine autarke Wirtschaft innerhalb der Demokratischen
Republik Vietnam aufgebaut.
1949 bildete Frankreich in Saigon
eine Gegenregierung unter Bảo Đại, die von Großbritannien, den USA und den
Vereinten Nationen anerkannt wurde. Ho Chi Minhs Demokratische Republik Vietnam
wurde hingegen 1950 von der Sowjetunion, den europäischen Volksdemokratien,
Jugoslawien und China anerkannt. Der Indochinakrieg war Teil der großen
Auseinandersetzungen zwischen Ost und West geworden, ein heißer Krieg im
weltweit „Kalten Krieg“. Die USA hatte seit 1950 im Indochinakrieg 80% der
Kosten getragen. Im Falle Vietnams befürchteten die USA, dass ein Sieg der Viet
Minh eine Kette ähnlicher Entwicklungen außerhalb Indochinas in Malaysia,
Indonesien und in Afrika zur Folge haben könnte. Im Zuge des für Frankreich
ungünstig verlaufenden Krieges entstand in Washington der Gedanke, eigene
Kampftruppen zu entsenden, was aber zunächst an der Haltung der Verbündeten und
der Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses scheiterte.
Die Viet Minh waren eine
Elitekampforganisation. Die Lien Viet waren eine breite Sammlungsbewegung, die
Millionen Menschen aus der Bevölkerung erfasste. Beide Organisationen
vereinigten sich im März 1951. Am gleichen Tag gründeten sich auch die
Vietnamesische Partei der Arbeit (Lao Dong), eine marxistische Partei, die
Erbin der Kommunistischen Partei Indochinas und das „Dreilandbündnis“ der
Demokratischen Republik Vietnam und den Widerstandsbewegungen von Laos und
Kambodscha.
Frankreich verkaufte den
Indochinakrieg als einen „Kampf von globalem Interesse“ als Verteidigung der
„Freien Welt“ gegen den Kommunismus.[6]
Die USA unterstützte Frankreich
im Zuge des Kalten Krieges immer stärker mit Waffen und Geld. 1953/54 setzte
sich die wirtschaftliche, politische und militärische Festigung der
Demokratischen Republik Vietnam fort. Die Beziehungen zu China, der Sowjetunion
und zu den anderen kommunistischen Ländern wurden immer enger.
Die französische Regierung hatte
seit dem Sommer des Jahres 1953, nach dem Waffenstillstand in Korea, ein
starkes Interesse an einer diplomatischen Lösung im Indochinakrieg. Die
Bewegung gegen den Krieg wächst in Frankreich, weil die Erfolge ausbleiben. Im
Frühjahr 1954 erlitt die französische Kolonialarmee eine vernichtende und
entscheidende Niederlage, worauf der französische Einfluss in der Region
zurückging. Frankreich war in Vietnam wie in Indochina politisch und
militärisch gescheitert und das Ziel, die Demokratische Republik Vietnam im
Kriege zu besiegen, unerreichbar geworden.
Es gab drei Gründe für die
militärische Niederlage Frankreichs:[7]
die Widerstandsbewegung konnte nicht entscheidend
geschlagen werdenkeine Erhöhung der französischen Truppen und der
finanziellen Mittel in Frankreichder Krieg war in der Bevölkerung unpopulär
Die Weltöffentlichkeit fordert
immer stärker eine Beendigung des Krieges durch Verhandlungen. Im Winter 1954
hatten die Außenminister der Großmächte beschlossen, im Frühjahr eine
internationale Fernost-Friedenskonferenz in Genf einzuberufen, die Ende April
eröffnet wurde. Unter dem gemeinsamen Vorsitz Großbritanniens und der
Sowjetunion nahmen Frankreich, die USA, China, Kambodscha, Laos, die
Demokratische Republik Vietnam und Südvietnam teil. Die Außenminister der
Sowjetunion, China, Indien und Pakistan fordern einen sofortigen Frieden. Am
21.7.1954 wurde das Genfer Abkommen unterzeichnet. Es wurde ein sofortiger
Waffenstillstand vereinbart, Kriegsgefangene auf beiden Seiten sollen
freigelassen werden. Am 17. Breitengrad wird eine provisorische
Demarkationslinie geschaffen, hinter der sich die Streitkräfte beider Parteien
zurückziehen mussten. Im Sommer 1956 sollten spätestens in ganz Vietnam Wahlen
stattfinden. Die USA unterzeichneten das Abkommen nicht, unterstützten es aber.[8]
Ein Jahr darauf erklärte Ngô Đình
Diệm Südvietnam zur Republik und wurde Präsident. Nach dem Friedensschluss kam
es den USA darauf an, die vorübergehende Teilung Vietnams zu einer endgültigen
zu machen und Südvietnam zu einem starken Bollwerk des Westens gegen die
Demokratische Republik Vietnam auszubauen. Die amerikanische Regierung begann,
Südvietnam militärisch zu unterstützen und sandte 350 Offiziere für die
Ausbildung und Organisation der südvietnamesischen Armee. Die Grenze nach
Norden wurde geschlossen und der Telefon- und Postverkehr mit dem Nordteil
Vietnams unterbunden. Um den vorausgesagten Wahlsieg der Viet Minh zu
verhindern, unterband der südvietnamesische Präsident Diệm 1956 die
gesamtvietnamesischen Wahlen mit der Begründung, dass an der Spitze der
Regierung Hanois Kommunisten stehen. Seit dieser Zeit hat sich die Kluft
zwischen dem Norden und dem Süden immer mehr vertieft. Südvietnam ist zum
strategischen Stützpunkt der USA geworden. Die USA richteten militärische
Stützpunkte ein und stockten die Zahl ihrer Truppen auf.
Die Durchführung des Abkommens
sollte von einer internationalen Kommission, die aus Vertretern Indiens, Polens
und Kanadas bestand, überwacht werden. Die französische Regierung hatte dem
Frieden nur unter Druck zugestimmt. In den acht Jahren Krieg verloren
Hunderttausende Menschen ihr Leben.
Die weitere Entwicklung und der 2. Indochinakrieg
US-Präsident Eisenhower wollte
eine Organisation kollektiver Selbstverteidigung in Südostasien, um einer
weiteren kommunistischen Entwicklung vorzubeugen. Am 8.9.1954 wurde der
SEATO-Vertrag zwischen den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland,
Frankreich, Pakistan, den Philippinen und Thailand abgeschlossen. Dies war ein militärisches
Bündnis, im Falle eines Angriffes auf ein Land des Bündnisses sollten alle
anderen Staaten militärisch eingreifen.[9]
Der Vietnamkrieg (auch Zweiter
Indochinakrieg genannt) stand als Stellvertreterkrieg im Kontext des Kalten
Krieges. Diese Auffassung war unter anderem die Grundlage für die Domino-Theorie,
wonach das „Umfallen“ eines Staates (das heißt die Errichtung einer
kommunistischen Herrschaft) auch das „Umfallen“ von dessen Nachbarn und
schließlich der ganzen Region zur Folge hätte und so eine direkte Bedrohung der
USA entstünde. Folglich müsse man frühzeitig eingreifen, wo immer die Gefahr
bestand, dass sozialistisch inspirierte Bewegungen die Macht erringen konnten.[10] Die
offene Intervention der USA begann mit der Bombardierung Nordvietnams vom 2.
März 1965. Ab 1969 bis zum März 1973 wurden die US-Truppen wieder aus
Südvietnam abgezogen. Der Krieg endete mit der Einnahme Sàigòns am 30. April
1975 durch nordvietnamesische Truppen und hatte die Wiedervereinigung des Landes
zur Folge. Der Vietnamkrieg forderte etwa drei Millionen Todesopfer, davon
waren zwei Millionen Zivilpersonen.[11]
Literatur:
- Bidault, J.: Die Kolonialpolitik Frankreichs, Hamburg 1993
- Hurschler, F.: Der SDS und der Vietnamkrieg, Berlin 1986
- Reuben, K.: Geschichte Südostasiens, München 1987
- Schubert, K.: Vietnam- eine politische Geschichte, Köln 1993
- Ursler, L.: Grundzüge der Außenpolitik der USA, München 1996
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[1] Schubert, K.: Vietnam-
eine politische Geschichte, Köln 1993, S. 15f
[2] Reuben, K.: Geschichte
Südostasiens, München 1987, S. 78ff
[3] Ebd., S. 105
[4] Ebd., S. 167
[5] Schubert Vietnam- eine
politische Geschichte, a.a.O., S. 156f
[6] Bidault, J.: Die
Kolonialpolitik Frankreichs, Hamburg 1993, S. 136
[7] Ebd., S. 165
[8] Schubert Vietnam- eine
politische Geschichte, a.a.O., S. 188ff
[9] Ursler, L.: Grundzüge der
Außenpolitik der USA, München 1996, S. 167
[10] Ebd., S. 187
[11] Hurschler, F.: Der SDS
und der Vietnamkrieg, Berlin 1986, S. 10ff
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