Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 22.09.11 |
von Christian Wulff
Heiligkeit,
mit allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich hier im Park
von Schloss Bellevue versammelt haben, und im Namen der Menschen in Deutschland
sage ich Ihnen von Herzen: Herzlich willkommen! Herzlich willkommen in
Deutschland! Willkommen Zuhause!
Sie, Heiliger Vater, kommen in Ihr Heimatland.
Sie kommen in ein Land, dessen Geschichte und Kultur eng
verflochten sind mit dem christlichen Glauben und mit dem Ringen um diesen
Glauben.
Sie kommen in ein Land, wo aufrechte Glaubenszeugen wie Dietrich
Bonhoeffer, Bernhard Lichtenberg und Edith Stein mit ihrem Leben gegen ein
gottloses und verbrecherisches Regime einstanden.
Sie kommen in ein Land, das vor 22 Jahren das Wunder einer
friedlichen Revolution und die Wiederherstellung der Einheit unseres
Vaterlandes und Europas erlebte. Ohne Ihren mutigen Vorgänger Johannes Paul
II., ohne die katholischen Arbeiter in Polen und ohne die christlichen Kirchen
in der ehemaligen DDR, die den Freiheitssuchenden Obdach gaben, wäre das so
nicht möglich gewesen. Dafür danke ich allen, die daran mitgewirkt haben, von
Herzen!
Sie kommen in ein Land, in dem Millionen Frauen und Männer
sich Tag für Tag aus ihrem Glauben heraus engagieren. In dem gerade in der
kirchlichen Jugendarbeit so viele junge Menschen Verantwortung für sich und
andere übernehmen.
Sie kommen auch in ein Land, in dem der christliche Glaube
sich nicht mehr von selbst versteht, in dem die Kirche ihren Ort in einer
pluralen Gesellschaft neu bestimmen muss. Auch hier in unserer Bundeshauptstadt
Berlin, wo Ihre Reise beginnt, ist das spürbar.
Viele Menschen sind auf der Suche. Eines Ihrer ganz großen
Themen, Heiliger Vater, ist das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Das ist
alles andere als eine akademische Debatte:
Angesichts ökologischer und wirtschaftlicher Krisen,
angesichts von Unfrieden und Ungerechtigkeit in der Welt, angesichts von
Erfahrungen persönlicher Unsicherheit und Entwurzelung wächst die Sehnsucht
nach Sinn. Hier liegt eine große Chance und eben gerade auch eine große
Verantwortung der Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Auch deshalb ist es so wichtig, dass die Kirchen den
Menschen nahe bleiben, dass sie sich trotz Sparzwängen und Priestermangel nicht
auf sich selbst zurückziehen. Was die christlichen Kirchen in unserem Land
leisten, in Diakonie und Caritas, in der Sorge um Arme und Schwache in unserem
Land und überall auf der Welt, das ist einfach großartig und unverzichtbar für
den Zusammenhalt!
Wahr ist auch: Wenn Menschen diese Nähe und diesen
selbstlosen Einsatz erfahren, dann hören sie auch die christlichen Botschaften,
die nicht immer bequem für sie sind. Heiliger Vater, Ihre Aussagen zum Schutz
der Schöpfung und des menschlichen Lebens, zum Umgang mit Fremden und Fremdem
sind unendlich wertvoll als Mahnung zur Menschlichkeit unserer Gesellschaft.
Auch dafür danke ich Ihnen und allen engagierten Christinnen und Christen in
unserem Land.
Kirche und Staat sind bei uns in Deutschland zu Recht
getrennt. Aber: Kirche ist keine Parallelgesellschaft. Sie lebt mitten in
dieser Gesellschaft, mitten in dieser Welt und mitten in dieser Zeit.
Deswegen ist sie auch selbst immer wieder von neuen Fragen
herausgefordert: Wie barmherzig geht sie mit Brüchen in den Lebensgeschichten
von Menschen um? Wie mit den Brüchen in ihrer eigenen Geschichte und mit dem
Fehlverhalten von Amtsträgern? Welchen Platz haben Laien neben Priestern,
Frauen neben Männern? Was tut die Kirche, um ihre eigene Spaltung in
katholisch, evangelisch und orthodox zu überwinden?
Deutschland ist Stammland der Reformation und ich freue
mich außerordentlich, dass Sie morgen nach Erfurt fahren, an eine wichtige
Wirkungsstätte Martin Luthers, und dass Sie sich dort mit den Vertreterinnen
und Vertretern der evangelischen Kirchen treffen und einen ökumenischen
Wortgottesdienst feiern. Ich bin fest überzeugt: Das Trennende bedarf der
Begründung, nicht das Gemeinsame. Deswegen haben wir hier sehr viel zu tun.
Ich freue mich ebenfalls darüber, dass die katholische
Kirche in Deutschland in ihren eigenen Reihen einen Dialogprozess begonnen hat.
Ich weiß aus vielen Gesprächen gerade im Vorfeld Ihres Besuches, dass nicht nur
die engagierten Laien davon sehr viel erwarten. Und die Kirche braucht sie doch
alle, Laien und Geistliche.
Heiligkeit, Millionen Menschen sehen mit größter Freude und
Neugier auf die kommenden Tage.
Ihr Besuch wird die Christen und ihr Engagement stärken.
Und er wird uns allen helfen, Orientierung und Maßstäbe zu finden.
Noch einmal von ganzem Herzen willkommen und Gottes Segen
für die Tage bei uns in Deutschland – in Ihrer Heimat! Herzlich willkommen!
www.bundespraesident.de
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.