Erschienen in Ausgabe: No 70 (12/11) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Rainer Westphal
Auf dem CDU-Parteitag brachte die
Kanzlerin aller Deutschen zur Kenntnis, dass sie offensichtlich im Besitz eines
Kompass ist, der in eine bestimmte Richtung weisen würde. Kritiker aus der
Basis stellen hinter vorgehaltener Hand die Frage, ob Frau Dr. Merkel bewusst
ist, dass ein Magnetkompass eine Missweisung aufweist, die dazu führen kann,
dass man nicht zum Ziel gelangt. Der geographische Pol ist nicht identisch mit
dem magnetischen Pol.
Es ist ziemlich auffällig, dass
die Parteispitze, in diesem Fall Frau Dr. Merkel, ständig darauf hinweist,
Deutschland dienen zu wollen. Es fehlt immer wieder der Hinweis darauf, dass
sie den Menschen in dieser Republik zu dienen beabsichtigt. Auch die
Behauptung, Deutschland wieder an die 3. Stelle auf dieser Welt gebracht zu
haben, was den Verdacht fördert, dass Frau Dr. Merkel offenbar immer wieder an
ein Turnier denkt, und alles mögliche anstellt, um Deutschland „aufs Treppchen“
zu bringen, ist merkwürdig. Mit der ständigen Absichtserklärung, Deutschland
wettbewerbsfähig zu machen, erregt sie den Verdacht, sich nicht für die Belange
aller Menschen, und in erster Linie der Abhängig Beschäftigten, zu
interessieren. Auch die Bemerkung, dass politisches Handeln einen Anlass
erfordert, zeugt davon, dass man die Konzeptionslosigkeit zum Konzept erhoben
hat.
Die Äußerung von Herrn Volker
Kauder, dass plötzlich in Europa Deutsch gesprochen wird, ist an Deutlichkeit
nicht zu überbieten, welcher Geist oder
Ungeist sich offensichtlich hinter den
Taten der Akteure verbirgt. Derartiges steht im deutlichen Gegensatz zu der von
Frau Dr. Merkel verkündeten Europa-Politik, dass nur ein mehr an Europa es
ermöglicht, dieses zu erhalten und auszubauen. Auch die Behauptung, dass
Deutschland sich als wirtschaftlicher Motor erweist dürfte sich kaum als
richtig erweisen, wenn eine rigide Sparpolitik in den Ländern, welche von der
Schuldenkrise betroffen sind, durchgezogen wird. Die Zeit dürfte nicht fern
sein, dass diese sich negativ auf 60 % der Exporte auswirkt. Auf die politische
Gefahrensituation und die Situation der betroffenen Menschen wird nicht
eingegangen. Die drastische Umkehr in der Europa-Politik wird als erfreulich
angesehen, dürfte aber nicht ohne den Druck von außen zustande gekommen sein,
und muss erst durch Taten untermauert werden. Glaubt man den Presseberichten,
so hat Herr Schäuble eine Sanktionierung Deutschlands durch die EU aufgrund des
exorbitanten Leistungsbilanzüberschusses nur knapp verhindern können. Es kann
nicht mehr sein, dass sich die Bundesrepublik Deutschland ständig einer
europäischen Solidarität verweigert.
Aus diesem Grunde wird man wohl
endlich die Einführung von Eurobonds zwecks Ablösung eigenstaatlicher Schuldverschreibungen
beschließen müssen, wenn man begriffen hat, dass es sich bei der EU um einen
riesigen Binnenmarkt handelt, den es auszuweiten gilt. Allerdings erfordert es
Voraussetzungen, welche hier nicht weiter ausgeführt werden. Insbesondere wird
auf Ausführungen darüber, wie eigentlich die Schuldverschreibungen der BRD
(2,07 Billionen Euro) jemals zurückgeführt werden können, nicht eingegangen.
Als unredlich wird der Vergleich
der Kanzlerin angesehen, dass die Schröder-Regierung 5 Millionen Arbeitslose
hinterlassen hat, und es der Erfolg der Regierungsparteien sei, dass die Zahl
unter 3 Millionen gesunken ist. Es ist deutlich zu machen, dass derartige
Vergleiche unzulässig sind, da ein großer Teil dieser als prekär zu bezeichnen
ist. Außerdem beträgt die Zahl der Arbeitslosen immer noch an die 4 Millionen,
wenn man die Statistikkosmetik herausrechnet. Als besonders niederträchtig wird
empfunden, dass man die anerzogene Eigenschaft der Menschen, am Arbeitsleben
teilhaben zu wollen, dahingehend ausnutzt, dass Löhne gezahlt werden, die
aufgestockt werden müssen. Dieses ist Teil einer menschenverachtenden
Lohnpolitik, welche im Zusammenhang mit einem beispiellosen Lohndumping zu
sehen ist. In diesem Kontext in Europa von Wettbewerb zu sprechen, verbietet
sich, da die notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Vollbeschäftigung
in gewissen Bereichen hervorzuheben, ist angesichts der Vielzahl an 400- Euro-Jobs
und Teilzeitarbeitsplätzen vorsichtig ausgedrückt, als unangemessen anzusehen.
Offensichtlich hat Frau Dr. Merkel ein Statistik-Problem, oder keine Skrupel,
die CDU – Mitglieder mit inkorrekten Informationen zu beglücken.
Zwecks Rechtfertigung der
Selektion auf dem Arbeitsmarkt, die bereits alle Abhängig Beschäftigten direkt
oder indirekt betrifft, vergisst die Kanzlerin aller Deutschen niemals auf
einen so genannten demografischen Wandel hinzuweisen. Damit wird versucht zu
vertuschen, dass die Produktivitätsfortschritte ungleichmäßig zu Gunsten der
Kapitalgeber verteilt werden und wurden, zumal die Gewerkschaften
offensichtlich machtlos sind oder sein wollen, um energisch dagegen anzugehen.
Ein weiteres faules Argument ist
die so genannte Globalisierung. Mit dieser haben wir es zu tun, seit es Telefone
und Fernschreiber gibt. Als ehemaliger Devisenhändler erinnert sich der
Verfasser daran, welche Unsummen mittels
Telefon und Fernschreiber um den Globus schon in den 70er Jahren gejagt wurden,
und an die Folgen, welche sich daraus ergaben, dass die DM Fluchtwährung wurde.
Die so genannte Globalisierung ist politisch gewollt, und nicht vom Himmel
gefallen. Auch die negativen demografischen Daten sind offensichtlich ein
Scheinargument, wenn weiter eine Abkoppelung der Sozialkosten von den
Arbeitskosten angestrebt wird, um u. a. eine Privatisierung des
Gesundheitswesens zu beschleunigen.
Als eine besondere Form der Verballhornung
wird empfunden, dass ständig eine Konsolidierung der Haushalte gefordert wird,
und im Gegenzug eine Steuersenkung erfolgen soll, die nicht gegenfinanziert
wird, und eine Erhöhung der Neuverschuldung zum Inhalt hat. Es ist
festzustellen, dass offensichtlich eine weitere finanzielle Schwächung der
Kommunen und Länder erfolgt, was u. U. zu einem weiteren Privatisierungsdruck
führen wird. Zusätzlich wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ein weiterer Psychoterror durch die Bundesagentur (Jobcenter) provoziert, um
die steigenden Miet- und Energiekosten für alimentierte Menschen aufzufangen.
Derartige Vorgehensweisen sind für die Verfolgung eines neoliberalen Konzepts
typisch. Allerdings haben die Vordenker der Neoliberalen die Notwendigkeit
eines bedingungslosen Grundeinkommens (1) anerkannt, um
die Aushebelung der Grundrechte
für die Betroffenen, wie in Deutschland bereits für Millionen gegenwärtig, zu
vermeiden. Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen wird von
einigen selbsternannten Philosophen mit der Begründung in die Zukunft verwiesen,
dass man erst einige Scripte ändern muss (2).
Man sollte sich intensiv die
Frage stellen, was Frau Dr. Merkel unter: „dem Land dienen“ eigentlich
versteht? Beinhaltet dieses vielleicht die Aufforstung irgendwelcher Landstriche
in der Republik? Es wird seitens der CDU von Freiheit und Solidarität
gesprochen; der Begriff Gleichheit wird geflissentlich vermieden. Dieses dürfte
ein nicht zu übersehender Umstand sein, dass man eine weitere Umverteilung von
unten nach oben, zumindest tatenlos, gegenüberstehen wird. Gemäß ihrer
Strategie ist zu erwähnen, dass die Kanzlerin aller Deutschen erst dann tätig
werden wird, wenn Anlass besteht. Soziale Ungerechtigkeiten existieren
offensichtlich erst dann, wenn der eigene Machterhalt gefährdet ist.
Unter den geschilderten Umständen
erinnert die Parteivorsitzende an die „Soziale Marktwirtschaft“ und an Walter
Eucken (3) und Röpke. Sie verkündet, die Tradition der „Sozialen Marktwirtschaft“
fortzusetzen. Wie widersprüchlich derartiges ist, geht daraus hervor, dass sich
die Vordenker energisch gegen jede Marktmacht ausgesprochen haben. Die
Sozialpolitik sollte laut Eucken nicht als Anhängsel der übrigen
Wirtschaftspolitik betrachtet werden. Es besteht nämlich eine allgemeine
Interdependenz, und stets sind die Arbeitnehmer mitbetroffen. Demnach gibt es
nichts, was nicht sozial wichtig wäre. Hätte die Kanzlerin aller Deutschen
Eucken ernst genommen, dann hätte Sie diesen auch dahingehend zitiert, dass es
nicht Absicht der Regierung sein kann, wirtschaftliche Macht zu beschränken,
sondern diese zu verhindern.
Es bleibt zu hoffen, dass der Ruf
nach mehr „C“ in der vermeintlichen Christlichen Partei CDU nicht verhallt, und
zur Umkehr führen wird (4), endlich dem arbeitnehmer- und menschenfeindlichen
Trend ein Ende zu bereiten. Aus Sicht des Verfassers ist soziale Gerechtigkeit
wohl auch ein christliches Anliegen. Eine weitere Spaltung der Gesellschaft
dürfte zudem zu nicht vorhersehbaren Reaktionen führen.
Die imperialistischen Äußerungen
der Parteispitze dürften als Relikt der Vergangenheit anzusehen sein. Vertreter
der Geisteswissenschaften sind aufgerufen, klare Worte zu sprechen und sollten
jeden Versuch vermeiden, die tatsächlichen Themen zu akademisieren. Es dürfte
einer christlichen Partei unwürdig sein, erst nach 4jähriger Diskussion zu der Erkenntnis zu kommen, dass Löhne unter
dem Existenzminimum mit der Menschenwürde nicht vereinbar sind, ohne nicht
sofort entsprechend zu reagieren.
Zusammenfassend ist
festzustellen, dass der CDU-Parteitag in Leipzig vordergründig eine Annäherung
an die Sozialdemokratie beinhalten kann, da absehbar ist, dass man spätestens
im Jahre 2013 einen anderen Koalitionspartner benötigt, um die offensichtlich
vorhandenen neoliberalen Vorstellungen weiter zu realisieren. Es wird
signalisiert, dass man hinsichtlich eines Mindestlohnes, welcher als flächendeckende
Lohnuntergrenze umbenannt wurde, offenbar kompromissbereit ist.
Erschreckend ist, dass Frau Dr.
Merkel ständig Binsenweisheiten schulmeisterlich erläutert, und als überragende
Erkenntnisse ihrerseits darstellt. Hieraus wird auch deutlich, dass eine
Führung, welche Strategie, Planung und Kontrolle beinhaltet, offensichtlich bei
der Schwarz/Gelben Regierungskoalition nicht vorhanden ist.
(1) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3182
(2) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3502
(3) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3646
(4) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3795
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