Erschienen in Ausgabe: No 78 (8/2012) | Letzte Änderung: 13.02.13 |
von Wolfgang Ockenfels
Der
Heilige Rock gehört nicht in die Kategorie religiöser Musik und bringt nicht den
Glaubenssatz „Elvis lebt“ zum Klingen. Vielmehr „handelt“ es sich (auch hier
sind Händler mit am Werk) um das Gewand Christi ohne Naht, das seit über 500
Jahren in Trier besonders dann erfolgreich verehrt wird, wenn es in Kirche und
Welt drunter und drüber geht. Es gilt den Gläubigen als Symbol der Einheit der
Christenheit. Und die Pilger, die dieses Jahr unerwartet zahlreich nach Trier kamen,
beteten: „ ... und führe zusammen, was getrennt ist“.
Dabei
mögen sie besonders an die Einheit einer Christenheit gedacht haben, die konfessionell
gespalten ist – und es vermutlich noch lange bleiben wird. Denn die Ökumene mit
Protestanten, die sich vor allem darin einig sind, daß sie von Rom getrennt
bleiben wollen, scheint ein utopisches Ziel zu sein, wenn es nicht einmal
gelingen sollte, die innerkirchliche Einheit mit der Priesterbruderschaft St.
Pius X. in Ordnung zu bringen. Die Piusbrüder und -schwestern sind weder Apostaten
noch Häretiker und sehen sich selber auch nicht als Schismatiker an.
Die
Exkommunikation ihrer Bischöfe wurde vor wenigen Jahren aufgehoben, was einen Sturm
der Entrüstung entfachte, weil einer von ihnen sich als „Holocaustleugner“
offenbarte. Hätte er den trinitarischen Glauben geleugnet, wäre er von den
Massenmedien vielleicht als Häretiker gepriesen worden.
Die
Dinge verwirren sich weiter. Als Schismatiker soll inzwischen nicht einer gelten,
der die innerkirchliche Spaltung vorantreibt, sondern sie zu verhindern trachtet.
Das Einigungsanliegen Benedikts XVI. wird erwartungsgemäß desavouiert
von Theologen wie Hans Küng, der dem Papst Spaltungsabsichten vorwarf,
weil dieser sich angeblich vom „Gottesvolk“ entfernt habe. Wer die Spaltung da,
wo sie überwindbar erscheint, auch überwinden will, gilt nach progressiv
verdrehter Logik als Spalter, während die Trennung dort, wo sie sich
antirömisch verfestigt hat, als leicht überwindbares Hindernis verharmlost
wird.
Freilich
gibt Hans Küng den besseren, weil häretisch potenzierten Schismatiker ab,
dem schon 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen werden mußte. Je weiter er
sich von der römischen Weltkirche entfernt, desto mehr gerät er ins Abseits
eines nationalkirchlichen „Gottesvolks“, als dessen intellektuellen Vordenker
und zugleich demokratisch legitimierten Repräsentanten er sich berufen fühlt.
Damit stellt er sich direkt gegen den Papst, dessen Anspruch auf Unfehlbarkeit
und Jurisdiktionsprimat er freilich nicht für sich usurpieren kann, weil er die
entsprechenden Glaubensdefinitionen des I. Vatikanischen Konzils ablehnt.
Als
Gegenpapst, der nur noch eine Art Ehrenpräsident der Christenheit darstellte, müßte
Küng allerdings auch seinen akademischen Unfehlbarkeitsanspruch opfern,
was eine große Zumutung für einen zeitgemäßen deutschen Theologieprofessor
bedeuten würde.
Aber
so besonders wichtig, wie er sich nimmt, ist Küng nicht. Er
repräsentiert lediglich eine Gattung moderner Theologie, die sich die
Deutungshoheit über die gesamte Theologie- und Kirchengeschichte anmaßt. Und
zwar auf dem Wege einer Hermeneutik, die das Verständnis christlicher
Ereignisse und Glaubenszeugnisse von den jeweiligen zeitgenössischen
Situationen und Interpretationen abhängig macht, die aber nicht mehr das
Kontinuum der gleichbleibenden Wahrheit des christlichen Glaubens in seiner
kultur- und geschichtsübergreifenden Substanz darstellen kann. Deshalb ist
diese Form der Theologie stets auf der Suche nach einer opportunistischen
„Inkulturation“ des Glaubens, ohne zu wissen, was diesen Glauben
inhaltlich-verbindlich kennzeichnet – und mit welchen der vielen Kulturen
(„Multikulti“) er überhaupt kompatibel erscheint.
Zugegeben:
Das hermeneutische ist gewiß eines der schwierigsten Kapitel der Theologie.
Doch hat die Kirche von Anfang an das kirchliche Amt und nicht eine
theologische Mehrheitsmeinung als Instanz zur Lösung dieses Problems anerkannt.
Kein Wunder also, daß sich Apostasie, Häresie und Schisma immer an
kirchlich-autoritativen Entscheidungen entzündet haben – oder vielmehr: daß jene
durch diese zurückgedrängt wurden, wenn auch nicht immer erfolgreich.
Für
jede theologische Glaubensfrage entscheidend ist also der Kirchenbegriff. Schon
deswegen, weil es die Kirche war, die den Kanon der Heiligen Schriften festlegte.
Darum erstaunt es nicht, daß es im gegenwärtigen Streit vorrangig um das
Kirchenverständnis geht. Küng und Genossen lehnen das I. Vatikanische Konzil
wegen der Infallibilität ab und berufen sich irrtümlich auf das II. Vaticanum,
während dieses von den Piusbrüdern irrtümlich unter Häresieverdacht gestellt
wird, obwohl es keine dogmatischen Abstriche vorgenommen hat. Allerdings lassen
verschwommen-doppeldeutige Formulierungen dieses Pastoralkonzils abenteuerliche
Interpretationen zu. Weshalb gerade hier die verbindlich entscheidende Instanz
Roms erforderlich ist, um Abspaltungen zu vermeiden.
Spaltungen
sind bedauerliche Folgen der Freiheit, während die forcierte Einheit oft auf
Freiheitsverluste hinausläuft. Einheit ist auch in Politik und Gesellschaft kein
Wert in sich, wenn dabei die Frage nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit
ausgeklammert bleibt. An dieser Frage entscheidet es sich, wie sinnvoll ein
Einigungsbemühen oder auch ein Trennungsbeschluß sein kann. Im Blick auf den
Heiligen Rock könnte das Trierer Pilgergebet abgewandelt werden in: „… und
trenne, was nicht zusammengehört“. Damit würde die kostbare Reliquie, die einem
unansehnlichen Flickenteppich gleicht, zwar zum Symbol der Klarheit und
Reinheit, zum Sinnbild eines historisch-kritischen Minimalismus, der die Unterscheidung
zwischen echt und unecht archäologisch korrekt festlegen möchte.
Dann
gehörte die Reliquie nicht in die Kirche, sondern ins Museum. Aber was wäre das
für ein puristischer Glaube, der sich gegen jede Verstrickung des Absoluten mit
dem Kontingenten, gegen jede Verknüpfung von christlicher Wahrheit mit paganen
Kulturelementen abgrenzen würde? Es wäre nicht der traditionelle Glaube der
Kirche. Der Papst sucht als Pontifex Maximus die Einheit der Vielfalt
und gerade deshalb auch die Einheit mit den Piusbrüdern.
www.die-neue-ordnung.de
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Warszawski 19.06.2012 06:11
Die Exkommunikation der Pius-Brüder-Bischöfe wurde vor wenigen Jahren aufgehoben, was einen Sturm der Entrüstung entfachte, weil einer von ihnen sich als „Holocaustleugner“ offenbarte. ---------------------- Heißt es, dass Katholiken (fälschlicherweise) glauben, dass Holocaustleugner nicht Teil der Kirche bleiben dürfen? Oder bedeutet der Satz, dass der Pius-Bruder nicht den Holocaust leugnete? Soll ein innerkirchliches Problem den Juden angelastet werden?------------------- Factum est, dass es genügend in der Kirche geachtete Katholiken gibt, die sich antisemitisch gebärden. Bisher hat kein Jude und kein Christ verlangt, pax christi zu exkommunizieren. Antisemitismus war, ist und wird Teil des Christentums sein.