Erschienen in Ausgabe: No 78 (8/2012) | Letzte Änderung: 13.02.13 |
von Heike Geilen
Die
Substanz und das Subjekt
Liegen müßig hingestreckt.
Die Substanz kaut an der Prosa
Eines Benedikt Spinosa.
Das Subjekt liest nur noch Hegel
Und benimmt sich wie ein Flegel.
Jeder hofft den jeweils Andern
Mit sich selbst zu unterwandern.
Mit
diesen Worten beginnt Carl Schmitts "Ballade vom reinen Sein", die er
unter dem Pseudonym Erich Strauß in den fünfziger Jahren veröffentlichte. Sie
zeigt nur zu gut, dass der 1985 fast hundertjährig verstorbene Jurist und
politische Denker, der zu einem der einflussreichsten und gleichzeitig
umstrittensten deutschen Gelehrten im 20. Jahrhundert avancierte, vielseitig
interessiert war und überall originelle Gesichtspunkte ins Spiel brachte.
Henning Ritter, der sich bereits in jungen Jahren von dessen "Art zu
sehen, zu denken, fasziniert von der Spannung, die er zu erzeugen
vermochte" magisch berührt fühlte, führt mit Carl Schmitt seine "biografischen
Inszenierungen" an. Vier weitere, nicht minder bedeutende Gelehrte unserer
Zeit folgen: der charismatisch-dämonische Religionssoziologe, Philosoph,
Judaist
und "Ideenhändler" Jacob Taubes, Klaus Heinrich, einer der
Mitbegründer der Freien Universität Berlin, der britisch-jüdisch-russische
politische Philosoph Isaiah Berlin und der deutsche Philosoph Hans Blumenberg.
Das
schmale Büchlein aus der erfolgreichen Essayreihe des zu Klampen Verlages
entpuppt sich durch Ritters ganz persönliche Sicht auf herausgepickte
Momentaufnahmen als ein höchst vergnügliches "intellektuelles
Abenteurertum". Der Autor stellt zwar fest, dass eine Beziehung zu einem
Menschen nicht auf ein einzelnes Erlebnis gegründet sein kann, aber "es
sind doch einzelne Züge, die im Rückblick die Anziehungskraft (...)
erklären." Diese arbeitet er wunderbar heraus, setzt diese
"Singularitäten" letztendlich jedoch wieder in ein großes Ganzes,
indem er ein weitmaschiges Beziehungsgeflecht knüpft. Und obwohl seine
fünfvöllig verschiedene Charakterköpfe waren,
zeichnet alle eine verbindende Gemeinsamkeit aus, die sich wie ein roter Faden
durch die Essays zieht: ihr hoher "Grad der Spannung des Denkens". Diesen
"Messwert" macht Henning Ritter in seinen kurzen und durchaus
subjektiven Essay für den Leser deutlich spür- und erlebbar. Ganz im Sinne
seiner Porträtierten gelingt es dem Autor formidabel, Geist zu beleben und
"geistige Erregtheit zu übermitteln."
"Verehrte
Denker" zeigt auch in weniger opulenter Form, dass "die Biografie
kein untergeordneter Zugang zur Philosophie und zur Welt der Ideen [ist],
sondern der Schlüssel zu ihnen."
"Entfesselung
ist nicht schwer." (Carl Schmitt)
Henning
Ritter
Verehrte Denker
Porträts nach Begegnungen
zu
Klampen Verlag, (August 2012)
107
Seiten, Gebunden
ISBN-10:
3866741790
ISBN-13:
978-3866741799
Preis:
16,00 EURO
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