Erschienen in Ausgabe: No. 37 (3/2009) | Letzte Änderung: 21.03.10 |
von Stefan Groß
Das
Phänomen des Religiösen erobert sich seine Domänen
zurück, nicht anders lassen sich die derzeit geführten
Diskussionen über dieses Thema interpretieren. Die Frage nach
den Aufgaben, nach dem Stellenwert und den Problemen in und unter den
Religionen, so zumindest kann man die derzeitige mediale Lage
beschreiben, dominiert den Zeitgeist. Entweder man bekennt sich zum
Säkularismus, feiert den Abschied vom religiösen Glauben,
postuliert eine A-Theologie wie Michel Onfray, kritisiert den
Gotteswahn wie Richard Dawkins, fragt nach dem „Warum überhaupt
Religion?“ wie Peter Strasser, oder man offenbart freimütig
die neue Gegenwart des Religiösen, eine Renaissance des wie auch
immer motivierten religiösen Bewußtseins. Neue Verlage
gründen sich – wie jüngst der „Verlag der
Weltreligionen“ in Frankfurt am Main, eine schier ausufernde
Literatur schießt aus dem Boden, fast, so scheint es, ist
derjenige, der den Gesang des Sakralen nicht mit anstimmt, nicht mehr
en vogue.
Der zweihundert Jahre lang von Atheismus und Materialismus
durchdrungene abendländische Geist, der Geist, der im Zeitalter
der Vernunftkritik und der zunehmenden Rationalisierung durch die
Technik und durch das Industriezeitalter schon längst die
Religion für tot erklärt hat, muß an sie neue
Zugeständnisse machen. Auch diejenigen Denker, die wie Jürgen
Habermas beispielsweise noch vor einigen Jahren erklärten,
wenngleich auch er seine Meinung revidiert hat, daß sich das
Religiöse in der Zukunft in eine vernünftige Diskursethik
transformiere, müssen sich eines Besseren belehren lassen. Die
Religion liegt keineswegs mehr in den umfriedeten „Grenzen der
bloßen Vernunft“ beschlossen, ist keineswegs eine bloß
verdoppelte Moral, wie Kant ihr attestierte. Fundamentalismus und
ewig wiederkehrender Terror belehren vom Gegenteil, aber auch die
Macht, die das Religiöse als Prinzip Hoffnung auf das endliche
Bewußtsein ausübt, läßt sich nicht verschweigen
– gerade in einer Welt, die unendlich viele „Sinnalternativen“
bereithält, letztendlich aber doch jede individuelle Sinnsuche
so sehr erschwert. Der Pluralismus als wertschöpfendes Modell,
einst so angepriesen, zeigt einerseits auch seine Schattenseiten,
andererseits schöpft die neue Sinnsuche aus dem religiösen
Pluralismus und gewinnt aus dem Multikulturellen Bezugskraft und
individuelle Farbigkeit.
Mögen auch die Ereignisse um den 11. September 2001
mitverantwortlich für das neue Aufflammen der Diskussion über
das Religiöse sein. Mit Sicherheit aber hat die Entzauberung der
Welt durch die Wissenschaft der Wiederkehr der Religionen den
eigentlichen Vorschub geleistet. Die Frage nach dem Stellenwert und
der Bedeutung religiösen Denkens hingegen ist alt.
Daß sie sich im Zeitalter von Technifizierung und
Globalisierung erneut, und wie in den letzten Jahren spürbar, um
so dringlicher stellt, dies ist letztendlich einer Dialektik der
Aufklärung zu verdanken, die am Höchstpunkt ihrer
rationalen Ausfaltung auch wieder das Irrationale und Numinose
bedenkt, das sie ja einst zugunsten der kritisch-reflektierenden
Vernunft aufzuheben glaubte. Säkularisierung und Wiederkehr des
Religiösen stehen in einem dialektischen Verhältnis
zueinander, auf Phasen religiöser Entzauberung folgt das
Religiöse mit Paukenschlag. Aber auch der immerwährende
Versuch, wie der Kampf des amerikanischen Präsidenten Bush gegen
die Achse des Bösen in seiner Radikalität zeigt, der
Religion ein ihr immanentes Gewaltpotential zu unterschieben, führt
nur zu blinder Einseitigkeit, vermag die tatsächliche, der
Religion immanenten Kraft und Macht zu Friedenstiftung und Toleranz
in keinem Fall gerecht zu werden. Dieser einseitige Kampf führt
letztendlich selbst zu bösen Häusern.
Was der Modernismus und die Postmoderne nicht schafften, was
Nietzsches Diktum vom Tod Gottes nicht erreichte, hat sich aller
vorausgesagter Säkularisierungstendenzen zuwider behauptet. Auf
das Zeitalter des A-Religiösen folgt also das pluralistische
Zeitalter der Religionen. Der beginnende und vielleicht noch
ausstehende Kampf der Religionen sowie ein aus dem Geist von Assisi
vorleuchtender Dialog der Religionen, wie ihn bereits Hans Küng
unter Zuhilfenahme seines Begriffs des „Weltethos“ unter dem
Blickwinkel einer universalen Humanitätsidee formulierte und als
Minimalethos einforderte, sie konkurrieren im 21. Jahrhundert beide
weiter miteinander.
Die Nachaufklärung ist also weit davon entfernt, wie ein jetzt
im Neukirchener Verlag erschienenes Buch von Christian Danz belehrt,
das Religiöse auszuklammern, sondern geradezu aufgefordert,
nicht nur den pluralistischen Entfaltungsmodellen des Religiösen
nachzuspüren, sondern auch und insofern danach zu fragen, wie
ein pluralistisches Miteinander verschiedener Religiöser und
unterschiedlicher Ethnien möglich werden könne. Wie Danz
hervorhebt, hat dies die normative Religionswissenschaft zu leisten,
indem sie zwischen Theologie und deskriptiv-geschichtlicher
Religionswissenschaft vermittelt.
Danz, der über die Christologie Schellings promoviert, über
Tillich von der Jenaer Theologischen Fakultät habilitiert wurde
und eine Professur für Systematische Theologie an der
evangelisch-theologischen Fakultät in Wien innehat, versucht
also in seinem neuen Buch Die Deutung der Religion in der Kultur,
Aufgaben und Probleme der Theologie im Zeitalter des religiösen
Pluralismus Antworten auf die Frage nach der Stellung der
Religion innerhalb der Kultur aus Sicht der protestantischen
Theologie zu geben. Das Spannungsverhältnis von Säkularisierung
und Wiederkehr der Religion zu erklären, „erfordert […] eine
methodische Verbindung von kulturhermeneutischen und empirischen
Perspektiven mit normativen Fragestellungen“ (5).
Ziel des Buches ist es, ausgehend von einer deskriptiven Analyse der
vergangenen und gegenwärtigen Religionen, das Programm einer
Theologie als normativer Religionswissenschaft auszuarbeiten, „der
die Aufgabe einer kulturhermeneutischen Erschließung und
normativen Reflexion religiöser Lebensformen obliegt“. So
nimmt es nicht wunder, daß Danz nach einem kurzen Einblick in
die Geschichte der Säkularisierung, einer Beschreibung der
Religion unserer Tage, den religiösen Fundamentalismus in der
Religion und der Politik beleuchtet. Dabei untersucht er zugleich das
den Religionen eingeschlossene Potential zu Gewalt und Exzeß
nachgeht, wobei dieses aber nicht zum Wesen der Religionen gehöre,
sondern nur auf eine fehlgeleitete Interpretation nicht zuletzt
religiöser Texte, zurückgeht. Der sich daran anschließende
Themenkomplex „Religionstheologie und normative Beurteilung der
Religionen“ arbeitet stark mit Begrifflichkeiten wie Exklusivismus,
Inklusivismus bzw. Superiorismus und religionstheologischer
Pluralismus. Er greift damit eine akademische Tradition wieder auf,
die bis in die 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts
hinein zurückgeht.
Im Unterschied zu vielen anderen Büchern, die sich mit der Frage
nach der Religion, ihrer Bedeutung für die Kultur und damit mit
ihrem Stellenwert in der modernen Gesellschaft beschäftigen,
setzt sich Danz nicht allein und vordergründig mit der
Geschichte der abendländischen Philosophie, Theologie und
Dogmengeschichte auseinander, sondern bemüht gegenwärtige
Autoren, wie die wichtigsten Vertreter der modernen pluralistischen
Religionstheologie: John Hick, Perry Schmidt-Leukel und Reinhold
Bernhardt „geht es um eine „Neubestimmung der christlichen Sicht
der nichtchristlichen Religionen, die alte Überlegenheitsansprüche
des Christentums hinter sich lassen soll“ (45). Es ist aber nicht,
so führt Danz weiter aus, die pluralistische Religionstheologie,
der es gelingt die unterschiedlichen Religionen in ihrer
geschichtlichen Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt ihrer
prinzipiellen Gleichwertigkeit zu berücksichtigen, sondern
diesen Vorzug sieht er in der komparativen Theologie und ihren
namhaften Vertretern Robert C. Neville, Francis X. Clooney, James L.
Fredericks und Klaus von Stosch, die nicht nur den Anderen, das
fremde Du, mit einbeziehen, sondern auch die Metaebene, die
theistische Ausrichtung von Hick (das Reale, Absolute an sich) und
Bernhardt (mutualer Inklusivismus und ökonomische
Trinitätslehre) zugunsten einer konkreten Begegnung der
Religionen eintauschen. Wenngleich auch die komparative Theologie in
Sachen Normativität und Geltungsanspruch noch nicht der Weisheit
letzter Schluß ist, so sei ihr zumindest zugute zu halten, das
sie nicht eine Art oder Variante der Religionstheologie
(Exklusivismus, Inklusivismus bzw. Superiorismus und
religionstheologischer Pluralismus) sein will, sondern „eine Praxis
oder ein Lernprozeß. Die komparative Theologie versteht sich
also nicht als einen theoretischen Entwurf, der der konkreten
Begegnung der Religionen vorangeht, sondern als eine „Begegnung mit
den fremden Religionen nachgeordnetes Unternehmen“ (64f.). Was also
diese Theologie einerseits auszeichnet, ist ihre historisch
vergleichende Methode, da sie die theologischen Veränderungen im
Kontext interreligiöser Begegnungen analysiert, andererseits,
daß sie vergleichend konstruktiv neue theologische Reflexionen
erarbeitet. So sehr die vergleichende Methodik in Hinblick auf die
Eigenständigkeit und Würdigung der einzelnen
unterschiedlichen Religionen überzeugt, fehlt ihr letztendlich
eine religionsphilosophische Reflexion, wobei, so bemängelt
Danz, die „geltungstheoretische Frage schlicht suspendiert“ wird.
Das Dilemma läßt sich kurz so beschreiben: Entweder wird
von einer religiösen Metaebene aus reflektiert, was dem
empirischen Bestand, der Vielfältigkeit und damit
Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Religionen nicht gerecht wird,
oder es gelingt, die Differenzen zwischen den geschichtlichen
Religionen ernst zu nehmen, jedoch um den Preis allgemein normativer
Begriffe. Danz seinerseits sucht nun diesem Dilemma entgegenzutreten,
wie dies im zweiten Teil seines Buches (Kapitel 4-5) deutlich wird.
Dabei stellen sich dezidiert die Fragen: „Lässt sich ein
Modell denken, in dem sowohl die Eigenständigkeit der Religionen
als auch deren Vergleichbarkeit gewahrt sind? Und wie kommt man zu
normativen Beurteilungsgesichtspunkten? Wie lassen sich unter den
Bedingungen des kulturellen und religiösen Pluralismus
universale Normen begründen, wenn sowohl universal ausgerichtete
Modelle wie das von Hick als auch Modelle, welche von der
Standortgebundenheit von Normen ausgehen, mit tiefergreifenden
Problemen konfrontiert sind, so dass ihnen nur wenig Plausibilität
zukommt“ (70)?
Einem einleitenden Teil, der sich mit der Gegenwart der Religion, dem
Konfliktpotential und mit der Opfertheologie als Vermeidung von
Gewalt u.a. auseinandersetzt, schließt sich ein
problemorientierter Teil an, der sich explizit mit der gegenwärtigen
theologischen Diskussion beschäftigt, der nun seinerseits in
einen geschichtlichen Teil ausgefaltet wird, der das Verhältnis
von Vernunft und Religion untersucht und als historischer Diskurs die
Koexistenz und den Konflikt der unterschiedlichen Religionen in der
europäischen Religionsgeschichte im Blick hat.
Des weiteren ist hier für Danz der Punkt, den rationalen Umgang
mit dem religiösen Pluralismus einer detaillierten Untersuchung
zu unterziehen, wozu Exkurse zum Deismus, zu Kants
Religionsphilosophie und zu Schleiermachers „Gefühl“ und
„Anschauung“ den Schwerpunkt bilden. Der Deismus und Kants
moral-theologischen Spekulationen, die das Vernünftige und das
Normative, das Moralische, in das Zentrum rücken, fehlt
letztendlich der pluralistisch-geschichtliche Akzent, ihnen geht es
nicht um die Pluralität der Religionen, sondern um die
Faktizität des Religiösen und seine rationale Begründung.
Letztendlich gelingt ihnen nicht die Synthese zwischen Normativität
und pluralistischer Selbstauslegung des Religiösen einzulösen.
Anders, so Danz, argumentiere Schleiermacher, der sich nicht nur
kritisch vom Normativitätsdenken der Philosophie Kants
verabschiedet, sondern dessen Religionsphilosophie gerade in der
Anerkennung des religiösen Pluralismus kulminiere – um den
Preis jedoch, das Normative zugunsten der individuellen Sinn- und
Deutungsperspektive des religiösen Bewußtseins
einzutauschen. Was Schleiermacher auszeichnet ist somit, daß er
die Differenz der Religionen „nicht darin begründet, dass sie
variable kulturspezifische Deutungen einer an sich invarianten
religiösen Erfahrung darstellen, wie für John Hick, sondern
dass sie unterschiedliche Anschauungen in den Mittelpunkt stellen, um
den sie andere Anschauungen gruppieren“ (86), was letztendlich auch
den Toleranzgedanken mit einschließe. Religion ist „bewußtes
Endlichkeitsbewußtsein, […] religiöse Geltungsansprüche
und Normen sind immer als historische und individuelle Gebilde zu
verstehen, die dem geschichtlichen Wandel unterliegen“ (90).
Pluralismus einerseits, Normativität andererseits stehen sich
also unvermittelt gegenüber, solange ihre Synthese nicht
gefunden ist; diese Synthese ist es aber, die Danz in seiner
normativen Religionswissenschaft sucht, die zwischen Theologie als
Binnenverhältnis des Religiösen und Religionswissenschaft
als Außenverhältnis vermitteln soll. Der Gedanke einer
Vermittlung zwischen Normativen und Faktischen, zwischen
Geltungsanspruch und religiös individueller Bestimmtheit kommt
dann, so Danz, mit dem Theologen Ernst Troeltsch in den Blick, der
die „endlose Bewegung des geschichtlichen Lebensstromes“ mit „dem
Bedürfnis des menschlichen Geistes, ihn durch feste Normen zu
begründen und gestalten“, verbindet (90).
Im fünften Kapitel: „Theologie als normative
Religionswissenschaft“ (101ff.) laufen dann alle von Danz bislang
vorgestellten historischen wie gegenwärtigen Erklärungsmodelle
des religiösen und kulturellen Pluralismus in der schon von
Troeltsch fundierten „Unterscheidung und Verzahnung von
kulturhermeneutischer Religionstheorie mit einem normativen
Religionsbegriff“ (103) zusammen, die letztendlich in der
Unterscheidung zwischen dem Wesen- und dem Normbegriff des Religiösen
kulminiert.
Dabei wird sowohl ein substantialistisches als auch ein funktionales
Religionsverständnis zurückgewiesen, und im Anschluß
an Schleiermacher und insbesondere an Paul Tillich auf einen Begriff
der Religion abgestellt, der sowohl den Erfahrungsaspekt, die
Deutungsperspektive und letztendlich den Unbedingtheitsgedanken
miteinander vermittelt und vereint. Religion ist primär eine
Deutungsnatur im Kontext des Unbedingten, das nicht als
transzendentes, sondern als unbedingte Sinndimension vorgestellt
wird. Religion ist weder Denken, Moral und Gefühl, sondern jene
„spezifische Form der menschlichen Sinn- und Weltdeutung“ (114).
„Die Besonderheit der religiösen Selbst- und Weltdeutungen
liegt also darin, dass in ihnen zwei Dimensionen miteinander
verbunden werden, nämlich die Dimension des Endlichen und die
des Unendlichen“ (120). Und: „Der vorgeschlagene Begriff der
Religion als einer situationsbezogenen Deutung der Erfahrung im
Horizont des Unbedingten hat nun den Vorteil, dass er so weit ist,
dass er für die unterschiedlichsten religiösen Traditionen
und Formen offen ist“ (122).
Während also der Wesenbegriff, den Danz scharf vom Normbegriff
der Religion unterscheidet wissen will, Bedingtes und Unbedingtes
miteinander vermittelt, und die Religion als Deutungsperspektive in
die Kultur einreiht, kulminiert der Norm- im Freiheitsbegriff, den
Danz aus protestantischer Perspektive entwickelt. Freiheit wird damit
zum A und O des religiösen Selbstverständnisses und des
reflektierenden Endlichkeitsbewußtseins. „Mit dem
protestantischen Religionsverständnis ist ein Bewusstein
individueller Freiheit verbunden. Eine endliche Freiheit […] kann
sich jedoch nur in der Anerkennung der Freiheit der anderen
realisieren“ (125). Die endliche Freiheit bedingt dabei die
wechselseitige Anerkennung der Freiheit des Anderen. Die
Selbstbestimmung protestantischer Religion, so wird daraus gefolgert,
kann sich nur in der Anerkennung anderer Religionen gewinnen, setzt
dieses Verhältnis zur eigenen Selbstfundierung voraus. Fremde
Religionen werden so im Lichte der Selbstinterpretation aufgenommen
und rezipiert, um ein besseres Verständnis der eigenen Tradition
zu erlangen. Für diese Art religiösen Pluralismus
reserviert Danz den Begriff der Differenzhermeneutik und folgert:
Wenn Religionen diese Differenzhermeneutik verweigern, erst dann sind
sie einer Kritik zu unterziehen. Denn: Die „Aufgabe der
Religionstheologie kann es damit nicht sein, pauschal die Geltung von
Religionen zu begründen oder zu bestreiten, sondern nur, im
konkreten Fall auf eine methodisch kontrollierte Weise Stellung zu
beziehen. Diese Aufgabe ist unter den Bedingungen der Gegenwart von
den religionsanalytischen Disziplinen mehr denn je gefordert, wenn
sie einen Beitrag zu einem konstruktiven Umgang mit religiöser
Pluralität leisten wollen“ (127).
Kurzum: Das Buch von Christian Danz gibt einen sehr guten Einblick in
die gegenwärtige religionstheologische Debatte, ein Vorzug
zweifellos, den es der Vielzahl von Publikationen, die sich derzeit
mit dem Phänomen der Religionen auseinandersetzen, voraus hat.
Es ist darüber hinaus einer protestantisch-akademischen
Diskussion verpflichtet, die die Denkmodelle von Troeltsch und
Tillich aufnimmt und diese auf anschauliche Weise dem Leser
vermittelt. Ob sich allerdings durch den argumentativ erbrachten
Hinweis, daß Religion auf das Unbedingte verweise, Religion ein
symbolisch-vermitteltes Deutungsganzes sei und damit als
spezifisches, kulturelles Sinnpotential zu verstehen ist, ob dadurch
dem Dilemma des religiösen Pluralismus und seiner
eingeschlossenen Konfliktfähigkeit zu entgegnen ist, daran mag
man zweifeln. Der Begriff der Religion wie ihn Danz entwirft, samt
der damit einhergehenden Offenheit des Religiösen gegenüber
den anderen Religionen, die Anerkennungslogik und den
Toleranzgedanken eingeschlossen, kann höchstens vom
reflektierenden, religiösen Bewußtsein eingesehen,
verstanden und kritisch verarbeitet werden, für die Vielzahl der
religiösen Fanatiker oder bekennenden Atheisten wird er jedoch
weiterhin keine Rolle spielen. So sehr eine Differenzhermeneutik
wünschenswert ist, der indifferente Fundamentalismus wird sich
davon nicht überzeugen lassen. Den Toleranzgedanken, den Danz im
letzten Kapitel seines Buches untersucht, birgt auch Gefahren, wie
ein neues Buch von Norbert Bolz, Das Wissen der Religionen,
Betrachtungen eines religiös Unmusikalischen, belehrt.
Ein zu weit gefaßter Toleranzbegriff führt möglicherweise,
wie der Medientheoretiker und Philosoph Bolz betont, „zu einer
Selbstsäkularisierung des Protestantismus zum sozialistischen
Humanitarismus“.
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