Erschienen in Ausgabe: No 81 (11/2012) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Philipp Freiherr von und zu Guttenberg
Nachhaltigkeit
ist derzeit in allen Medien ein Schlagwort! Sie unterscheiden zwischen falscher
Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit, können Sie dies erklären?
Dieser vielzitierte Ansatz der Nachhaltigkeit ist nicht neu:
Hans-Carl v. Carlowitz verwendete in einer Publikation aus dem Jahre 1713 den Begriff
der „nachhaltigen Nutzung“ der Wälder nachweislich zum ersten Mal. Es bedeutet
aus der Natur lernen und verantwortungsvoll mit Blick auf künftige Generationen
zu wirtschaften. Nachhaltigkeit entstand und gilt bis heute als individuelles
ökonomisches Modell im ländlichen Raum zur langfristigen Sicherung der Lebens-
und Produktionsgrundlagen.
Wenn dieses Prinzip der Nachhaltigkeit, eingebettet in ein gesundes, nicht auf
die schnelle Gewinnmitnahme ausgerichtetes Wertesystem, durch die Generationen
weitergegeben wird in stetiger Obsorge für unsere Natur – auch als Produktions-
und Lebensgrundlage - , profitieren einerseits die nachhaltig Wirtschafteten
stetig von der Vorsorge Ihrer Vorväter, andererseits stehen sie selbst ihren
Kindern und Kindeskindern gegenüber in der Pflicht. Das Fundament für dieses
Handeln ist dabei zwingend Eigentum, Eigenverantwortlichkeit und ein
freiheitlicher Handlungsrahmen, der tatsächlich die Obsorge für die nächste
Generation ermöglicht. Alles, was diesen zwingenden Prinzipien widerspricht,
ist meist nicht nachhaltig, sondern bedient sich dieses Etiketts. Das verstehe
ich unter falscher Nachhaltigkeit.
Sie
sprechen immer von „Wald als Waffe“, was haben wir darunter zu verstehen?
Viele Akteure versuchen die
Bedeutungshoheit über den Wald und seine Nutzung zu erhalten. Oft stehen
dahinter keine Sachinteressen, sondern ideologische Denkmuster, die den „Wald“
zu einem Schlachtfeld für politische Zwecke missbrauchen. Im Kampf um mediale
Aufmerksamkeit sind Alarmismus und Polemik an der Tagesordnung. Der „Wald“
dient hier meist nur als Mittel zum Zweck. Das merkt man vor allem daran, wenn
die Bereitschaft fehlt, sich mit den eigentlich Betroffenen – also den
Waldbesitzern und Förstern – an einen Tisch zu setzen und einen Konsens zu
finden, der für alle tragbar ist.
„Wald als Waffe“ hat jedoch
auch noch eine andere – positive – Bedeutung. Denn gerade in Zeiten der
Energiewende ist Wald eine echte Allzweckwaffe. Nachhaltig erwirtschaftetes
Holz ist eine der intelligentesten Ressourcen, die wir haben.
Die
Ressource Öl wird bald verbraucht sein. Welche Rolle könnte der Wald in der
Zukunft bei der Ressourcenverteilung spielen?
In Deutschland entfallen
derzeit rund 60 Prozent der Holzverwendung auf die stoffliche und rund 40
Prozent auf die energetische Nutzung. Damit ist Holz als Roh- und Werkstoff zwar
unterrepräsentiert, spielt aber bereits jetzt eine große – in Zukunft noch
größere – Rolle. Gerade bei der Substitution anderer Wertstoffe kommt Holz inzwischen
eine wachsende Bedeutung zu. Die Anwendungspalette von Holz ist gigantisch und die
zukünftigen Einsatzbereiche des Rohstoffes werden die heutigen in ihrer
ökonomischen und ökologischen Wirkung noch um ein Vielfaches übertreffen.
Angefangen
bei der stofflichen und thermischen Verwertung, aber auch in der
Chemieindustrie und um Pharmabereich ist Holz als Ölsubstitut zunehmend
gefragt. Für den Energiemix ist Holz insbesondere wegen seiner
Grundlasttauglichkeit relevant. Es hat hervorragende Eigenschaften bei der
stofflichen Verwertung. Auch in Erwartung weiter steigender Preise für fossile
Energien (Heizöl, Erdgas) verzeichnet Holz einen spürbaren Verbrauchszuwachs.
Von den verschiedenen erneuerbaren Energien wird die meiste Endenergie (Wärme,
Strom) aus fester Biomasse (überwiegend aus Holz) gewonnen (rd. 39 %) mit
deutlichem Abstand vor der Windkraft (rd. 17 %), Biokraftstoffe (rd. 16 %) und
Wasserkraft (rd. 9 %).
Dazu
ist Holz ein natürlicher Werkstoff,
Kohlenstoffspeicher und Co2-neutraler, sowie nachwachsender Energieträger.
Warum
ist Holz die effizienteste Lösung für das Klimaproblem?
Im Rahmen der Energiewende gewinnt der heimische Rohstoff Holz
eine immer wichtigere Rolle als Teil einer „Green Economy“. Der Rohstoff
Holz bietet im Vergleich zu seinen Mitbewerbern Vorteile und ein Potenzial,
welches tatsächlich zur Effizienzsteigerung,zum Rohstoffwandel und zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen
Entwicklung beitragen kann! Es gibt keine Technologie und keinen Rohstoff, der
die Bereiche CO2 – Senke, - Speicher und –Substitution in dieser einzigartigen
Weise verbinden kann. Und das vor unserer Haustüre:
Unser
deutscher Wald bindet jährlich rund 110 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Durch
die jährliche Produktion von Schnittholz werden knapp 20 Millionen Tonnen CO2
langfristig gespeichert und die kombinierte thermische und stoffliche
Verwertung kommt auf einen jährlichen Substitutionseffekt von 128 Millionen
Tonnen CO2. Diese Leistungsbilanz ist nicht zu übertreffen.
Weshalb
wird bei der Rede von Erneuerbaren Energien immer nur Wasser, Wind und Sonne
gesprochen, und das Thema Holz eher beiläufig behandelt?
Bei den
erneuerbaren Energien redet ganz Deutschland von Wind, Wasser und Sonne. Rund
70% der erneuerbaren Energien stammt jedoch aus Biomasse. Davon rund die Hälfte
aus fester Biomasse, also Holz. Warum diese Tatsache von der Politik
beflissentlich übersehen wird, lässt Ursachen nur erahnen. Unser Problem ist
wahrscheinlich, dass wir im Lobbychor der stimmgewaltigen 4 grossen Stromproduzenten
und gut ausgestatteten Industrie nicht gehört werden.
Das muss und
wird sich aber ändern.
Was
haben wir unter Bioökonomie zu verstehen?
Die ökonomische Produktion und
Denken auf Basis der Nachhaltigkeit unter Heranziehung nachhaltig
nachwachsender Ressourcen. Da weltweit unsere Ressourcen bei einer stetig
wachsenden Weltbevölkerung immer knapper werden, ist diese Art des nachhaltigen
Wirtschaftens unerlässlich – und zwar weltweit.
Warum
sind Nutzungsverzichte zugunsten der Biodiversität unmoralisch, Greenpeace argumentiert
anders?
Ich
gebe Ihnen ein Beispiel: Die Stilllegung von 5% unserer Wälder - eine Forderung
aus der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung - bedeutet einen Verzicht
von 3 bis 7 Mio Festmetern jährlich. Der Verzicht auf 5% bedeuten in
Deutschland ganz konkret: wir schicken 45.000 Beschäftigte auf die Straße. Von Seiten
des Naturschutzes wird das Leitbild und gesellschaftspolitische Ziel der
multifunktionalen, nachhaltigen Forstwirtschaft immer stärker angezweifelt und
zunehmend eine Trennung der Waldfunktionen gefordert.
Eine Abkehr von der
Multifunktionalität, von der auf 3 Säulen ruhenden Nachhaltigkeit,hätte aber Folgen, die wir benennen müssen,
denn hier geht es nicht nur um blinden Aktionismus zur Spendenakquise sog.
Umweltverbände. Das ist geschäftstüchtig und legitim. Hier wird ein
gesellschaftspolitisches Prinzip in Frage gestellt, dass -aus der
Forstwirtschaft kommend- ein möglicher Pfad in eine erträgliche Zukunft wäre.
Wir müssen all jene, die diese absurden Forderungen stellen,darauf hinweisen, dass es unverantwortlich,
ja sogar unmoralisch ist, durch Nutzungsverzichte hier in Europa die Produktion
in andere Gebiete unserer Erde zu verlagern, die nachweisbar nicht nachhaltig
bewirtschaftet werden. Mit jedem Festmeter, auf den wir hier verzichten, wächst
der Druck auf die Vernichtung der Primärwälder. Wenn ich heute in Deutschland
auf 5 Millionen fm aus in luxusbegründeter Ideologie verzichten will, dann hole
ich sie mir morgen aus Togo, Indonesien oder Brasilien. So erschreckend einfach
ist es.
Was
können die deutschen Waldbesitzer (2 Millionen an der Zahl, eine Lobby von mehr
als vier Millionen Bundesbürgern), gehen den Klimawandel tun?
Der Wald ist
beim Klimawandel Opfer und Retter zugleich. Keine andere Ressource, keine
Technologie oder Rohstoff birgt soviel Potential und ist ebenso betroffen.
Die
nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder und die Bereitstellung des Klimajokers
Holz ist bereits der beste Beitrag, den wir als Waldbesitzer gegen den
Klimawandel leisten können. Doch auch für uns gilt, dass mit den sich
veränderten Klimabedingungen das Risiko steigt, unsere Forstwirtschaft
risikoreicher wird. Abgesicherte Klima-Anpassungsstrategien sind derzeit leider
noch nicht verfügbar. Was wir benötigen sind klimaplastische, vitale Mischwälder,
mit standortangepassten, marktorientierten Baumarten. Es geht hier letztlich
auch um gröstmögliche Flexibilität in der Bewirtschaftung und Risikostreuung.
Die ökologische Verantwortung und das ökonomische Risiko liegen nach wie vor
beim Eigentümer.
Warum
ist Eigentum ein Fundamt für die Nachhaltigkeit?
Das ist wohl der wichtigste Aspekt
Nachhaltiges Wirtschaften, das Denken in Generationen
in einer freien demokratischen Gesellschaft braucht das Eigentum und die
Freiheit als Fundament.
Eigentum ist weit mehr als Besitz, mehr als nur ein
Recht.
Eigentum ist die ökonomische Grundlage individueller
Freiheit, die sich in unserer Gesellschaft auch damit rechtfertigt, daß aus der
Leistung des Eigentums Gemeinwohlleistungen erwachsen. Das darf man nie
vergessen.
Ich darf an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen,
dass viele Menschen das längst verdrängt haben. Die Diskussionen um
Erbschaftssteuer, Vermögensteuer, usw. zeugen täglich davon.
Merkwürdigerweise vergisst man dabei, dass Freiheit
individuelle Selbstverantwortung ermöglicht und diese Mündigkeit einen
kategorischen Imperativ fordert, dessen Maßstäbe sich verallgemeinern lassen
und die unsere Gesellschaft stützen.
Mit anderen Worten: Die Freiheit Eigentum zu erwerben,
zu halten und vor allem frei zu vererben, motiviert uns Waldbesitzer, Leistung,
Engagement und einen nachhaltigen Lebensstil in unsere Gesellschaft zurück zu
bringen.
Nachhaltigkeit zwingt uns aber auch zum täglichen
Verzicht, zu einer gesellschafts- und schöpfungsbejahenden Lebens- und
Betrachtungsweise.
Die Wende zur Nachhaltigkeit ist auch eine
Rückbesinnung auf Werte, die in der momentanen Entwicklung leicht zu einer
gesellschaftlichen Grundsatzdebatte führen könnte und müsste.
Nachhaltigkeit wird sich nicht in der Anonymität der
Digital Natives umsetzen lassen. Die kollektive Flucht aus der Verantwortung
und hinein in den Lebensraum freibeuterischer digitaler Lebensräume ist in
meinen Augen eine Sackgasse.
Nachhaltiger Waldnutzen ist gelebter
Generationenvertrag.
Unserem Wald kommen dabei mehr Aufgaben zu als bloßer
Rekonvaleszenzraum einer fehlgeleiteten urbanen Schutztruppe.
Das hat sich er und unsere Gesellschaft nicht
verdient!
Herzlichen Dank für das Gespräch,
das Dr. Dr. Stefan Groß führte.
Ein besonderer Dank geht an Adelheid Hochreiter vom export-club Bayern Junioren.
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