Erschienen in Ausgabe: No 84 (2/2013) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Michael Lausberg
Der niederländische Theologe
und Jurist Hugo Grotius hatte mit seinem Werk „De jure belli ac pacis libri
tres“ einen weitgehenden Einfluss auf die spätere Formulierung des
internationalen Rechtes.[1]
Dabei wurde er durch den Achzigjährigen Krieg zwischen Spanien und den
Niederlanden sowie den 30jährigen Krieg zwischen katholischen und
protestantischen europäischen Staaten beeinflusst. Er war davon beseelt, solche
Konflikte auf der Grundlage eines juristischen und politischen Konsenses für
die Zukunft zu vermeiden.
Hugo Grotius (1583-1645) wurde
nach einer juristischen Ausbildung 1613 Ratspensionär von Rotterdam. Er wurde
als Armenianer und Gefolgsmann Oldenbarnevelts in dessen Sturz verwickelt und
1619 zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Während der Haft schrieb er eines
der wichtigsten Werke über die niederländische Rechtsgeschichte „(Inleidinge
tot de Hollandsche rechtsgeleertheid)“, das 1631 herausgegeben wurde. Grotius
floh 1621 aus seiner Haft und ließ sich bis 1631 in Paris nieder, wo 1625 sein
Hauptwerk „De jure belli ac pacis libri tres“ erschien. Zwischen 1635 bis 1645
war er schwedischer Gesandter in Paris.
Der Grundgedanke des Werkes
liegt darin, dass der Krieg und die Ausübung von Gewalt dort rechtens sind, wo
eine Rechtsforderung besteht, aber kein Gericht vorhanden ist, bei dem es
verhandelt werden könnte. Rechtens wäre in diesem Sinne: die Verteidigung des
Eigentums einzelner oder einer bestimmten Gruppe, der Erwerb dessen, was dem
einzelnen oder der Gruppe schuldig geblieben ist sowie die Bestrafung von
Verbrechen. Diese „gerechten Kriege“ aber müssen in der Art der Kriegserklärung
und der Kriegsführung den Gesetzen des Natur- und Völkerrechts unterworfen
werden. Da die Staaten im Unterschied zu den Einwohnern der Staaten keine
höhere Gewalt über sich haben, können sie ihre Streitigkeiten vor kein Gericht
bringen. Um diese zu beseitigen, nennt Grotius drei Wege, die einen Krieg
verhindern sollten:[2]
-Die Aussprache (Colloquium)
-Das Abkommen (compromissum)
-Das Los (sors)
Besonderen Nachdruck verleiht
Grotius seinem Hinweis auf das Abkommen, wobei er unter dem compromissum ein
Schiedsverfahren versteht, das er als ständige Einrichtung empfiehlt. Es ist
notwendig, dass die größeren und machtvollen Staaten Zusammenkünfte abhielten,
wo Unbeteiligte, die sich nicht bestechen lassen, die Streitigkeiten der
anderen schlichten. Weiterhin sollte eine Ordnung geschaffen werden, auf deren
Grundlage die streitenden Parteien dazu gezwungen werden, unter gerechten
Bedingungen Frieden zu schließen.
Grotius stellt sich die
Aufgabe, dem Krieg entgegenzuwirken und ihn durch andere Mittel zu ersetzen.[3] Im
Falle der Nichtvermeidung eines Krieges erkennt Grotius ihn als ein
rechtmäßiges Mittel in der Auseinandersetzung zwischen Staaten an. Er möchte
aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Krieg in seinem gesamten Verlaufe in
den Rahmen einer Rechtsordnung zu bannen. Er sieht einen andauernden Frieden
als Idealzustand an und zwar aus den Gründen der Menschlichkeit und des
Nutzens.
Im Gedanken an dieses Ziel
entwickelt Grotius sein völkerrechtliches System. Er versucht, seiner Theorie
einen Grad der Verallgemeinerung zu geben. Er vergleicht diese mit einem
mathematischen Verfahren, das mit Figuren arbeitet, die sie von den Körpern
abgelöst haben. Grotius schreibt: „Es entspricht nur dem Recht der Natur,
Verträge zu halten. Denn irgendein Weg, sich zu verpflichten, ist für den
Menschen notwendig, und ein natürlicherer als der Vertrag läßt sich nicht
auffinden. (…) Denn die, welche sich einer Gemeinschaft anschließen und einem
oder mehreren unterwerfen, versprachen entweder ausdrücklich oder
stillschweigend, wie man nach der Natur der Sache annehmen muß, daß sie
befolgen werden, was entweder die Mehrheit der Genossen oder die, welchen die
Macht übertragen war, festsetzen würden.“[4]
Die Autorität des allgemeinen
Konsenses wie die Beweiskraft der Methode dient Grotius dazu, die geistige
Grundlage der Rechtsordnung zu schaffen, mit deren Hilfe er den Krieg dem Recht
unterwerfen will. Er trifft die Unterscheidung zwischen dem Zustand der
Menschen in einer Gesellschaftsordnung und einem Zustand der natürlichen
Freiheit. Am Anfang stand ein Zustand, in dem die Menschen alles gemeinsam
besitzen. Dann ist es laut Grotius in der Menschheitsgeschichte aus äußeren und
inneren Ursachen zu einer Teilung der Güter wie zu Auseinandersetzungen
zwischen den Menschen gekommen. Die Gleichheit verschwand, es bildete sich
Eigentum.
Anthropologisch erkennt Grotius
ein Verlangen des Menschen nach Gesellschaft und Gemeinschaft, die von einer
vernunftsmäßigen Ordnung und Gesetzen bestimmt ist. Der Mensch hat die
Fähigkeit zu einem Denken und Handeln, das sich nach allgemeinen Sätzen
richtet. Diese dem menschlichen Geist gemäße Sorge für die Gesellschaft ist die
Quelle dessen, was Recht genannt wird. Der menschlichen Natur entspricht es
auch, dem richtigen Urteil zu folgen. Was einem solchem Urteil widerspricht,
das ist auch gegen das Gesetz der Natur, d.h. der Natur des Menschen. Gemäß
Grotius gilt auch das Naturrecht, wenn es keinen Gott gäbe: „Das Naturrecht ist
so unveränderlich, daß selbst Gott es nicht verändern kann. Denn obgleich die
Macht Gottes unermeßlich ist, so kann man doch manches ausführen, worauf sie
sich nicht erstreckt. (…) So wenig also Gott bewirken kann, daß zweimal zwei
nicht vier sind, ebenso wenig kann er bewirken, daß das nach seiner inneren
Natur Schlechte nicht schlecht ist.“[5]
Das ius naturale geht aus dem Wesen des Menschen hervor; es kann aber Gott
zugeschrieben werden, der als Schöpfer in den Menschen die Grundgesetze
hineingelegt hat.
Wer sich einer Gemeinschaft
anschließt, sich einem oder mehreren Menschen unterordnet, verspricht, aus der
Natur der Sache heraus, zu befolgen, was die Mehrheit beschlossen hat. Er
bezeichnet die menschliche Natur als die Mutter des natürlichen Rechts. Die
Gesetze und Verträge haben aber auch einen utilitaristischen Charakter. Der
Schöpfer der Natur will, dass die Menschen als einzelne schwach sind und vieler
Dinge zur vernünftigen Lebensführung entbehren, damit die Pflege der
Gemeinschaft eine hohe Stellung einnimmt. Daher haben die Gesetzgeber die
Pflicht, auf den Nutzen in ihrer Gesetzgebung zu achten. Grotius folgert nun,
dass ebenso wie die Gesetze der Bürgerschaft auf den Nutzen der einzelnen
Menschen zielen, so zwischen Staaten aus der Zustimmung Rechte hervorgehen
sollten, die nicht mehr auf den Nutzen einzelner, sondern den Nutzen der
Gesamtheit gerichtet sind: „Wie nun das Recht eines jeden Staates auf den
Nutzen des Staates eingerichtet ist, so hat sich auch unter allen oder mehreren
Staaten durch Übereinkommen ein Recht bilden können. Das so entstehende Recht
wird nicht den Nutzen einzelner Genossenschaften, sondern nur den des großen
Ganzen berücksichtigt haben.“[6]
Selbst die größten und mächtigsten Staaten kommen ohne Bündnisse nicht aus;
diese werden unsicher, wenn es zwischen den Staaten nicht dieselbe
Rechtsverbindlichkeit wie innerhalb der Staaten gibt.
Eine wichtige Frage, die im
Zentrum von Grotius‘ Denken stand, war die des Rechtes zum Widerstand gegen die
Staatsgewalt. Grotius versuchte sie zu beantworten, indem er von seiner Theorie
des status naturalis ausging. Ihm weist er das Recht des einzelnen zu, sich als
einzelner selbst gegen ein Unrecht zu wehren. Dieses allgemeine
Widerstandsrecht aller spricht er jedoch den Menschen nach der Bildung eines
Staatswesens ab, da dies zur Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Ordnung
geschaffen worden ist. Grotius billigt dem einzelnen auch nicht das Recht zu,
im Zweifelsfalle einen auswärtigen Eroberer mit Gewalt zu stürzen oder zu
töten. Er zieht jede Form des Friedens, auch um den Preis einer
Gewaltherrschaft, dem Risiko der Unruhe oder Unordnung vor.
Literatur:
-Grotius, H.: Drei Bücher vom Recht des Krieges
und des Friedens, Tübingen 1950
-Meder, S.: Rechtsgeschichte, Köln 2005
-Mühlegger, F.: Hugo Grotius. Ein christlicher
Humanist in politischer Verantwortung, Berlin/New York 2007
-Tiemann, H.: Das Völkerrecht in Geschichte und
Gegenwart, München 1994
[1]
Meder, S.: Rechtsgeschichte, Köln 2005, S. 243
[2]
Tiemann, H.:Das Völkerrecht in
Geschichte und Gegenwart, München 1994, S. 76f
[3]
Mühlegger, F.: Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer
Verantwortung, Berlin/New York 2007, S. 24
[4]
Grotius, H.: Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens, Tübingen 1950,
S. 34
[5]
Ebd., S. 50
[6]
Ebd., S. 35
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