Erschienen in Ausgabe: No 85 (03/2013) | Letzte Änderung: 20.02.13 |
von Heike Geilen
Das Thema "Burnout" bewegt sich inzwischen auf
allen gesellschaftlichen Ebenen. Treffer im dreistelligen Millionenbereich
landet man beim Googeln. Deutlich über Hundert liegen die Zahlen bei (Selbsthilfe-)Büchern,
die dieses Thema beinhalten. Radio und Fernsehen stehen gleichfalls nicht nach.
Nun also noch eine weitere Abhandlung über die anwachsende, durch diverse
Medien befeuerte öffentliche Diskussion, der sich anscheinend epidemieartig
ausbreitenden neuen Volkskrankheit.
Schmal ist das Büchlein des ehemaligen ärztlichen Leiters
der Fliedner-Klinik Düsseldorf Prof. Theo R. Payk. Kann der Autor, der bereits
eine achtbare Anzahl von Fach- und Sachbüchern (u. a. zum Thema Depression) vorgelegt
hat, dem interessierten Leser und/oder Betroffenen auf rund 80 DIN-A5 Seiten
wirklich etwas Neues vermitteln? Nein, das kann er nicht. Doch bevor der
geneigte Leser dieser Rezension enttäuscht abwinkt sei vermerkt, dass dies mit
Sicherheit auch nicht Anliegen des 1938 geborenen und mittlerweile in der Aus-
und Weiterbildung sowie Hospizarbeit engagierten Psychiaters und
Psychotherapeuten ist.
Payk vermittelt in kurzer und knapper Form solides
Basiswissen. Wohltuend kommt er dabei ohne Effekthascherei, Anleitung zur
hypochondrischen Selbstbeobachtung oder Schürung von diffusen Existenzängsten
aus. Er ist sogar der Meinung, dass das Thema Burnout vielfach einer
eindimensionalen Sichtweise unterliegt und viel zu schnell alle möglichen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf "berufsbezogenen Stress"
zurückgeführt werden. Dabei stellt er keineswegs die zweifellos vorhandenen
Widrigkeiten und Strapazen der modernen Arbeitswelt als Ursache für
Frustration, Erschöpftheit, Aushöhlung und Versagen in Abrede. Doch für den Autor
greifen die meisten Diagnosen zu kurz. Diese blenden zu schnell aus, dass
Burnout-Zustände ebenso durch anderweitige Belastungen hervorgerufen werden
können, die ursächlich in keinem direkten Zusammenhang mit krankmachenden
Arbeitsbedingungen stehen. Diese können zum Beispiel der privaten Lebenswelt,
anhaltenden Stresssituationen, eingeschlossen Armut und sozialer Abstieg mit
wirtschaftlichen Nöten entstammen. "Bei genauerem Hinsehen erweisen sich als
Burnout empfundene, hartnäckige und bedrückende Gefühle von Verbitterung,
Leere, Melancholie und Sinnlosigkeit bisweilen sogar als Auswirkungen
regelrechter Lebenskrisen, die sich aus existenziellen Fragen nach der
Bedeutung und dem Wert des eigenen Daseins entwickeln, ohne dass dies den
Betroffenen überhaupt bewusst wird.", so Payk.
Nach einer kurzen Einführung analysiert der Autor in fünf
nachfolgenden Kapiteln kritisch und kompetent was Burnout ist und wie er
diagnostiziert und erkannt wird. Er vergleicht das Störungsbild mit der
"echten" Krankheit Depressionen, untersucht Ursachen und gibt
Ratschläge zur Vermeidung. Aufgelockert durch Fallbeispiele aus seiner eigenen
Praxis zeigt Payk wohltuend unkapriziös auf, dass zumeist "eine zunehmende
Diskrepanz zwischen den idealistischen Anfangserwartungen an die beruflichen
Aufgaben und den tatsächlich gemachten Erfahrungen, dass die ursprüngliche
Hoffnung und Zuversicht nicht mit der Realität in Einklang zu bringen
sind" als hauptsächliche Ursache dieses seelischen
"Erschöpfungszustandes" gilt. Letztendlich muss man sich, so der
Autor, vielleicht gar die Frage stellen, "ob die heutige Arbeits- und
Lebenswelt in den Industrieländern mit all ihren destruktiven Einflüssen auf
die Gesellschaft wie Reizüberflutung, Desinformation, Fremdbestimmung,
Lobbyismus, Entsolidarisierung, soziale Ungerechtigkeit und fehlende
Chancengleichheit den Normalbürger nicht zu einem entmündigten Zuschauer -
allenfalls periodisch umworbenen Wähler - politischer und wirtschaftlicher
Manipulationen degradiert."
Und weiter: "So irrt der moderne Mensch als
Normalbürger - trotz massenhafter digitaler Kommunikationsangebote - frustriert
umher in einem existenziellen Ödland, mal als Kunde oder Konsument, Wähler oder
Claqueur hofiert, bald übersehen, schnell wieder vergessen. Er fragt sich
ebenso ratlos wie betroffen nach dem Sinn des Lebens, nach der Wertschätzung
seiner eigenen Person und der Anerkennung seiner Arbeit im Büro oder Betrieb,
und er ist beschämt ob seiner kleinlichen Neidgefühle, wenn ihm die opulenten
Begünstigungen und Vergütungen der erfolgreichen 'Leistungsträger' – der
'(wirklich) Reichen und (vermeintlich) Schönen' – als ihrer gesellschaftlichen
Verdienste angemessen, ja notwendig, eingeredet werden."
Fazit: Ein kleines, aber feines Kompendium, in dem das Thema
weder zu innerviert, noch unter einer Fachterminologie nur für Insider
verschwindet. Ein Büchlein, das sich wohltuend aus der Masse hervorhebt.
Vielleicht oder gerade wegen seiner Unaufgeregtheit und Kompaktheit.
Theo R. Payk
Burnout
Basiswissen und
Fallbeispiele
Psychosozial-Verlag
(Februar 2013)
84
Seiten, Broschiert
ISBN-10:
3837922596
ISBN-13:
978-3837922592
Preis:
12,90 EUR
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