Erschienen in Ausgabe: No 85 (03/2013) | Letzte Änderung: 20.02.13 |
von Anna Zanco-Prestel
Bildkompositionen
in mal kräftigen, mal dahin schwindenden Farbtönen, auf deren Fläche sich die
Konturen edler stilisierter Figuren abheben. Paare in eleganter Garderobe beim
abendlichen Spaziergang im Mondschein oder bei einem Tango mitten im
Straßenbild vor den Augen eines Saxofonisten festgehalten, der sie mit dem
verführerischen Klang seiner Musik begleitet. Weibliche Gestalten,
allein mit ihrer Zigarette, oder auch Gruppenbilder, in denen jeder für sich
steht, in eigenen Gedanken versenkt oder vor sich ins Leere blickend.
Schauspieler und Schauspielerinnen wie ätherische Erscheinungen zwischen
Illusion und Wirklichkeit oder wie Standbilder, die sich in Menschen
verwandeln, halb Lebewesen halb Allegorie. Einsame Figuren aus einer anderen,
oft undefinierbaren Zeit in ihrer Leichtigkeit vor Hintergründen schwebend, die
sich perspektivisch hinter ihnen öffnen: meistens architektonische Gebilde, die
wie wechselnde Kulissen auf einer surrealen Bühne wirken. Öl/Acrylgemälde aus
einer Traumwelt, die auf Anhieb die Herkunft der bekannten Malerin verraten.
Die 1948 in Leningrad (heute wieder St. Petersburg) geborene Sofia Timofeeva
zählte in der Tat – bis zu ihrer Auswanderung in den Westen im Jahre 1994 – zu
den bekanntesten Bühnenbildern der Sowjetunion.
Das Leben als
Bühnengeschehen, als „Welttheater“ zum Greifen nah, vor allem in jenen Bildern,
denen Venedig als Kulisse dient, die Stadt, die „nur noch im Land der Träume“
existiert. Venedig als Sinnbild einer nie zu stillenden Nostalgie, die allein Menschen
empfinden, die notgedrungen den Ort ihrer Geburt verlassen mussten und ein
Leben lang das verlorene Paradies in einem Niemandsland der Phantasie weiter
suchen. Nostalgie, die in dem bewegten Jahrhundert, das wir hinter uns gelassen
haben, oft eine gemeinsame sprachliche Heimat hatte – man denke nur an Chagall
oder an Brodsky –, nämlich Russisch. Ein Protagonist dieses emotionsgeladenen
„Theater des Lebens“, das Sofia Timofeeva mit großer Sensibilität in ihren
Bildern heraufbeschwört, ist vielleicht ihr alternder Casanova im schwarzen
Radmantel mit Gehstock und Maske, der - eine niedliche kleine Dame im weißen
Rokoko-Kostüm wie eine Puppe am Arm mit sich zerrend - an der prunkvollen
Silhouette seiner Heimatstadt vorbeizieht: ein Casanova – könnte man meinen -
auf der Flucht, der selbst zur Personifizierung einer uferlosen Sehnsucht wird.
Zu sehen ist die
Ausstellung der in München lebenden Künstlerin bis zum 28.2.2013 in den Räumen
der „Europäischen Janusz Korczak Akademie“, einer Bildungseinrichtung, die sich
seit ihrer Gründung im Jahre 2009 „auf die Spuren des Traums“ des berühmten
polnisch-jüdischen Arztes und Pädagogen Janusz Korczak begibt und im dessen
Sinne die „Reparatur der Welt“ durch Bildung und Erziehung anstrebt.
www.ejka.org
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