Erschienen in Ausgabe: No 96 (02/2014) | Letzte Änderung: 24.01.14 |
von Heike Geilen
"Wie kam es zu der Aufteilung der
Menschen in Mann und Frau? Warum sind sie nicht wie die Schnecken, die sich
erst in der Hochzeitsnacht entscheiden, wer die Kinder zeugt und wer sie
bekommt? Warum ist die Welt so, wie sie ist?" Nichts weniger als diese
Fragen versucht der Bilderbuchkünstler Helme Heine, dessen Kinderbücher
Klassiker sind und auf der ganzen Welt begeisterte Leser finden, zu
beantworten. Und da sich um die Antwort schon ganze Heerscharen von
Philosophen, Wissenschaftlern und Autoren bemüht haben, wählt der 1941 geborene
Berliner ein ganz anderes Metier: Er schreibt und illustriert ein kleines
Bilderbuch für Erwachsene.
Da wo andere ins Uferlose auswachsen,
wo Seite um Seite gefüllt wird und letztendlich immer mehr Fragen aufgetürmt
werden, ohne die eigentliche zu beantworten, da kommt Heine mit seinem DIN
A5-Büchlein in großer Schrift, unterbrochen durch seine ihn kennzeichnenden,
typischen Illustrationen, und meint des Rätsels Lösung gefunden zu haben?
Mitnichten... Denn als "Deus ex
Machina" will sich das schmal gebundene Werk sicherlich auch nicht
verstehen. Aber eines bewirkt es auf jeden Fall: Es entfaltet eine unglaubliche
Wirkung, auch wenn diese erst auf den letzten zwei, drei Seiten bzw. bei
nochmaliger Lektüre wirkt. "Er, Sie & Es" regt gerade durch seine
(scheinbare) Simplizität und Leichtigkeit zum Nachdenken an.
So geht es munter los in der guten
alten Zeit mit dem am Anfang allen Seins stehenden "männlichem,
unverheiratetem Wesen", das jede Weltreligion anders nennt und bei uns den
Namen Gott trägt. Heine lässt ihn das Licht anknipsen ("Wer arbeitet schon
gern im Dunkeln?") und auf einem winzigen Felsbrocken am Rande der
Milchstraße ein kleines Gewächshaus bauen. In dieses setzt er seinen ersten
Mann, aus dessen Rippe die ideale Gespielin folgt und so weiter und so fort....
(Apropos Rippe: Vielleicht ist das der Grund für die zuweilen so sperrige
Andersartigkeit des weiblichen Geschlechts). Über den Verbleib der bösen
Schlange erfährt man gleichfalls etwas. Wie auch auf dem Cover abgebildet, hat
sie sich bei Eva im Kopf festgesetzt "und lieh ihr ihre Doppelzüngigkeit.
Bei Adam machte sie es sich im Bauch bequem. Da liegt sie nun seit Anbeginn und
rührt sich nicht mehr vom Fleck."
Helme Heine erzählt die Geschichte der
Menschheit im Allgemeinen und die von Mann, Frau, und Kind, also der Familie,
in kurzen, knappen Worten und rasanter Geschwindigkeit. Seine humorvollen Sätze
sind oft direkte Treffer ins Schwarze, offenbaren allerdings unter ihrer
Oberfläche viele tiefe Wahrheiten und sind gespickt voller Allusionen. Ein
zweites und drittes Lesen ist bei diesem Buch unabdingbar. Erst danach entdeckt
man unter dem saloppen Ton die doch eigentlich tieftraurige Geschichte der
Menschheit. Eine positive Botschaft hat der Autor am Ende allerdings doch noch.
Denn schlussendlich werden sich die doch so unvereinbar scheinenden Wiederparts
von Er, Sie und Es doch noch ziemlich ähnlich. "Sie nähern sich dem paradiesischen
Urzustand, dem göttlichen Menschenbild. Der Verstand lässt dem Herzen den
Vortritt. Er und Sie beginnen zu begreifen, dass sie aus Sternenstaub
entstanden sind und dass der Tod nicht das Ende des Prozesses ist."
"Die Welt wird still. Die Schritte
werden vorsichtig, tastend. Die Eisblumen blühen an den Fenstern, der Schnee
bedeckt die Narben der Welt, macht sie schön.
Die
Uhr tickt. Die Zeit läuft.
Wohin?,
fragt das Es."
Danke für dieses literarische Kleinod!
Helme Heine
Er, Sie & Es
Kein
& Aber Verlag, (März 2013)
64
Seiten, Gebunden
ISBN-10:
ISBN-13:
978-
Preis:
12,90 EUR
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