Erschienen in Ausgabe: No 86 (04/2013) | Letzte Änderung: 04.04.13 |
von Heike Geilen
Am linken Flussufer in Richtung Eiffelturm spazieren, an einem Bistro am
Wasser einen Café Crème schlürfen, auf einer Liegewiese die Boote vorbeifahren
sehen - dies ist der Traum des Pariser Bürgermeisters Bertrand Delanoë für
seine Stadt und ihre Lebensader, die Seine. Bisher holte den Sozialisten jedoch
stets der alltägliche Alptraum ein: Statt Vogelgezwitscher herrscht Autolärm,
statt Blumenduft gibt es Abgasgestank. Mehrspurige Schnellstraßen auf beiden
Uferseiten trennen die Pariser von ihrem Fluss. "Paris muss sich dem Auto
anpassen", lautete in den 60er Jahren der Wahlspruch des damaligen
Staatspräsidenten George Pompidou. So wurden die Seine-Ufer, die über die
Jahrhunderte hinweg Begegnungsstätten der Pariser waren, für die 1967 eröffnete
"Voie rapide" einfach zubetoniert. Ziel war es, eine schnelle
Durchquerung der Stadt von Ost nach West und umgekehrt zu ermöglichen. Heute
drängen sich zu Stoßzeiten bis zu 4000 Autos stündlich auf den beiden Hauptverkehrsadern.
Und trotzdem bietet Paris seinen Bewohnern (übrigens mit 20000 Einwohnern
pro Quadratkilometer die europäische Großstadt mit der höchsten
Bevölkerungsdichte, in Berlin zum Beispiel sind es rund 3 800 Einwohner auf
gleicher Fläche) schon jetzt viele Gärten, baumbestandene Lebensadern - die
Boulevards - und allerhand Stadtgrün. Zudem offenbart die französische
Metropole im Hinblick auf Gestaltungsintensität ein in seiner Verschiedenheit
vermutlich einmaliges Spektrum an ästhetischer Qualität: von den Klassikern des
17. Jahrhunderts über die schmuckvollen Parks des 19. bis zu den Projekten des
späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Dieser grünen Lunge hat sich Dr. Frank
Maier-Solgk angenommen. Der Germanist, Philosoph und Kunstgeschichtler
spazierte gemeinsam mit der in Paris lebenden deutschen Fotografin Deidi von
Schaewen durch 37 Parks und Gärten der Hauptstadt und weiteren 38 der Île de
France, der nordfranzösischen Region zwischen den Flüssen Seine, Marne, Oise
und Beuvronne.
Die Tuilerien am Louvre, die zugleich den Ausgangspunkt der prächtigen
Reise durch diesen opulenten und hochwertigen Bildband bilden, gefolgt vom
Jardin de Luxembourg oder dem 10000 Pflanzensorten beherbergenden ehemaligen
königlichen Heilgarten Jardin des Plantes dürften den meisten Parisbesuchern
wohlbekannt sein. Aber schon die malerische Opulenz des Parc Monceau, die
formale und geometrisch zugeschnittene, von Wasserflächen gerahmte Fläche des
Parc André Citroën oder der Jardin de l'Arche im Hochhaus-Geschäftsviertel La
Défense mit seinen von plattenartigen Schiefersteinen hineinkomponierten
Wassertreppen warten mit Sicherheit noch darauf, von dem ein oder anderen
entdeckt zu werden. Daneben öffnet der Autor und vor allem das fotografisch
geschulte Auge von Deidi von Scharwen dem Betrachter noch so manch anderes
Kleinod. Dies können zum einen zu einem Hotel gehörende wunderbare kleine
Parkanlagen, zum anderen aber auch Grünflächen im kaum zu vermutenden
architektonisch ambitionierten Großprojekt aus der Ära Mitterand - der Pariser
Nationalbibliothek - sein. Der Cimetière du Père-Lachaise, auf dem die
ehemalige künstlerische Gesellschaft der Stadt, angefangen von Balzac, Molière,
Proust und LaFontaine bis hin zu den musikalischen Göttern um Bizet, Chopin,
Maria Callas, Edith Piaf und Jim Morrison ihre letzte Ruhe gefunden haben, wird
gleichfalls vorgestellt.
Neben den fantastischen Aufnahmen, die die Gärten und Parks in all ihren
wunderschönen saisonalen Farbspielen und -schattierungen zeigen, warten
hochinteressante Texte mit jeder Menge geschichtlichem, kunsthistorischem und
architektonischem Hintergrundwissen auf. Und vielleicht reizt es beim nächsten
Besuch dieser so reizvollen Metropole auch einmal die modernen Gärten von Paris
aufzusuchen, die eine ganz eigene Art von Sehenswürdigkeit darstellen. Dort hat
"eine gartenkünstlerische Phantasie ihren Niederschlag gefunden, die eine
große, in Deutschland eher unbekannte gestalterische Variationsbreite aufbietet
und darüber hinaus auch der Idee des Stadtparks neue, interessante Möglichkeiten
eröffnet.", so Frank Maier-Solgk. Auch hier lässt es sich vortrefflich
träumen.
Apropos Traum: Das äußerst eingangs erwähnte reizvolle Konzept von Bertrand
Delanoë ist mittlerweile von höchster Seite bewilligt. Damit kann die
Umwandlung der Seine-Ufer in eine autofreie Zone beginnen. "Wir wollen die
Uferstraße zu einem Bereich des Lebens, der Schönheit und der Kultur
machen", erklärte der stolze Bürgermeister. Im diesem Frühjahr soll am
linken Seine-Ufer eine über zwei Kilometer lange Strecke zwischen Musée d'Orsay
und Pont de l'Alma dauerhaft für den Verkehr gesperrt werden. Dort werden in
unmittelbarer Nähe von Eiffelturm, Louvre und Notre Dame neue Grünflächen sowie
Spazierwege, schwimmende Gärten, Sportgelegenheiten, Restaurants und Cafés entstehen.
Paris werde ein "neues Gesicht" erhalten, prophezeit der Rathauschef.
Vom "alten" kann man sich in diesem wunderschönen Buch ein Bild
machen
Frank Maier-Solgk
Mit Fotografien von Deidi von
Schaewen
Die schönsten Gärten und Parks in
Paris
und in der Ile de France
DVA
(Februar 2013)
224
Seiten, Gebunden
ISBN-10:
3421038732
ISBN-13:
978-3421038739
Preis:
49,99 EUR
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