Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 08.05.13 |
„Taschen“ im Bayerischen Nationalmuseum – ein Ausstellungs-Traum
von Hans Gärtner
Wer ihn füllt,
bereichert sich. Hat ihn der eine, hat der andere das Geld. Legt er die Hand
drauf, ist er ein Geizkragen. Zieht er ihn, will er bezahlen, hält er ihn zu,
weigert er sich, dies zu tun. Ist seiner leer, hat er kein Geld. Muss er tief
hineingreifen, wird von ihm eine größere Summe verlangt. Wer daran arm ist, der
ist am Herzen krank. Diese und andere Sprüche hat der Volksmund im Laufe von
Jahrhunderten über den Beutel erfunden.
Die
reichhaltige, unterhaltsame, traumhaft schöne neue Schau des Bayerischen
Nationalmuseums kann und will nicht leugnen, dass das, was heute die
(Hand-)Tasche ist, früher der Beutel war. Geld-Beutel, sogar Geldstrümpfe gibt
es da und dort noch immer, Stielbeutel liegen nur noch im Museum. Ein museales
lustiges Exemplar stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Mit ihm
setzt die kulturgeschichtlich geordnete Reihe der Behältnisse ein, die in der
Hand zu tragen waren und, gewandelt und variiert, heute noch sind. Sie endet
mit der eleganten Kuvert-Tasche, die die Dame von Welt des beginnenden 21.
Jahrhunderts benützt. Die jüngste Henkeltasche, geschaffen von einer
Designerin, ist aus grünlichem Leder und wird ins in die Wende 2013/14 datiert.
Dazwischen
liegen derart viele Formen und Formate an Taschen, dass das, was dem Betrachter
vor Augen kommt, diesem immer wieder ein Kopfschütteln abnötigt: Mini-Geldbeutelchen
zum Zuziehen, einer gar geformt wie ein Schuh, dazu Lederbeutel mit
Seidenstickerei aus dem 17. Jahrhundert, zünftige, meist aus dem
Niederbayerischen kommende Zöger aus teilweise gefärbtemLeder, die die Rottalerinnen auf den
Wochenmarkt mitnahmen, um mit Gemüse drin nach Hause zu kommen, vasenähnlich
gebaute „Ridicules“ (in der Tat lachhaft!) aus Seide und Pappe, wie man sie in
Bürgerkreisen zu Beginn des Biedermeier, keineswegs nur in Süddeutschland,
trug, Reisetaschen, die tief blicken ließen, auf die ein Schoßhündchen als Begleiter
unterwegs appliziert wurde (um 1860) – Vorläufer der Handtaschen.
Auffällig: Ein
Teil der aus dem Fundus des BNM stammenden Stücke, vor denen frau/man mit
Staunen steht, hat durchaus Motive aus der Volksfrömmigkeit aufzuweisen:
Heiligenfiguren, das IHS-Zeichen oder paramentenähnliche Seidenstickereien mit
Blumen und Symbolen, die sich auf Altardecken oder Messgewändern genauso
wiederfinden lassen. Der Clou: Es gab noch vor ein paar Jahren regelrechte
Gebetbuchtaschen, bestehend aus einem „Schott“ mit farbigen Lesebändchen, an
Lederhenkeln zu tragen, allerdings nur von einer Frau. Männer würden so ein
Stück wohl nie benützt haben.
Historisch
Königlich-Fürstliches (wie die Aktenmappe des bayerischen Grafen Montgelas, die
dieser sich 1808 in Paris mit seinem Namen auf Französisch hatte anfertigen
lassen oder des Königs Ludwig I. Bügelbörse aus himmelblauem metallbesticktem
Seidensamt, mit Atlas gefüttert und drei baumelnden Quasten um 1850) ist ebenso
zu bewundern wie, in einem Bistro-gestylten Raum, Klassisch-Modern-Hochelegantes, das einst Damen
vom Range einer Grace Kelly oder Marlene Dietrich mit sich führten(1950er
Jahre), um ihre Utensilien samt Schnupftuch und Geldbörse zu bergen. Der vor
drei Jahren als Bühnenbildner für eine Bellini-Oper in München gastierende
französische Modedesigner Christian Lacroix kreierte 1989 einen putzigen rot-grün-weißen
Henkeltaschen-Traum, vor dem die auf ihn stoßenden Damen allesamt in die Knie
gehen dürften: Für sie waren und bleiben Taschen Objekte der Demonstration,
aber auch der Sehnsucht. Wenn sie sie ihren Männern in die Hand drücken, damit
sie sie ihnen ein Stück Weges trügen, sieht das possierlich – oder doch eher
ziemlich blöd aus. Eine Handtasche ist Frauensache. Etwas anderes ist es, wenn
es sich um den Beutel handelt: Dieses Ur-Taschen-Stück ist wiederum ganz und
gar männlich besetzt.
Das Nützliche
passt viel besser zum Mann als zur Frau, und das Schöne, Reizende, das einer
Tasche eignet, gehört gar nicht unbedingt in erster Linie zum Mann. Zur reifen Frau
allerdings eher als zur jungen. Die besitzt meistens noch gar nicht so viel
„Zeug“, um es mit sich herumzutragen. Ihr Geldbeutelchen passt gut in die
Jeanstasche. Ein Taschen-Ungetüm erübrigt sich für ein Mädchen von 17, 18
Jahren. Dennoch: Ob jung oder mittelalt oder schon Gruftie: Diese Taschen-Revue
des BNM ist ein altersunabhängiges Schau-Vergnügen. Frau/Man sollte es sich auf
keinen Fall entgehen lassen. Dauer: bis 25. August. Öffnungszeit: täglich von 10
bis 18 Uhr. Es gibt einen sehr schönen Bestandskatalog, dazu ein schmales Buch
über Taschen des 20./21. Jahrhunderts, das kein Taschenbuch, sondern, bei aller
Taschen-Geschmeidigkeit, fest gebunden ist
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